Nie sind so viele Gebete um Schutz aus so vielen liebevollen Herzen emporgestiegen, wie zur heutigen Stunde — Gebete, die in mancherlei fremden Sprachen zum Ausdruck kommen, aber alle einen Zweck haben und an einen Vater gerichtet sind, der sie alle versteht, ja selbst ehe sie geäußert werden. Ferner war es nie zuvor so notwendig, verständnisvoll und wissenschaftlich um Schutz für diejenigen zu beten, die in Gefahr sind. Es liegt in der Natur des Bösen, stets zu zerstören, nie aber zu schützen. Das Böse verfolgt den Zweck, zu hemmen, zu beeinträchtigen, zu schaden, zu verletzen, damit Vernichtung folgen möge. In der Natur gebrauchen alle Geschöpfe ihre natürliche Ausrüstung zu ihrem Schutz. Die Stärke des Löwen, die Schnelligkeit des Hirsches, die Unsichtbarkeit des Hasen sind Eigenschaften, die diesen Tieren zum Schutz dienen. Der sterbliche Mensch, der mit höherem Scharfsinn ausgerüstet ist als die Tiere des Feldes, verläßt sich bei seinem Suchen nach Schutz auf den menschlichen Verstand. Er hat Verfahrungsarten und Vorrichtungen ersonnen, welche ihn vor Gefahren schützen sollen, die dem Tier drohen. Er hat sich vor extremer Hitze und Kälte, vor Hunger, Feuer, Flut und Sturm geschützt. Er hat den Blitz beherrscht, den Wind sich dienstbar gemacht und auf mancherlei Art Zeit und Raum aufgehoben. Die Dynamomaschine, das Flugschiff, das Telephon — all diese Erfindungen kommen uns so natürlich vor wie den Tieren des Waldes und Feldes das Einnehmen von Nahrung und Wasser.
Auf der Suche nach Schutz und Fortschritt haben sich die Menschen jedoch mehr von menschlicher Vernunft als von geistiger Erkenntnis leiten lassen. Sie haben ohne Schwierigkeit die Notwendigkeit des Schutzes vor physischen Übeln erkannt, sind aber gegenüber den Mächten der Finsternis, die wegen ihrer Unsichtbarkeit nicht weniger gefährlich sind, gleichgültig gewesen. In ihrem Eifer, die Naturkräfte zu beherrschen, haben sie versäumt, sich mit den Kräften des Geistes vertraut zu machen. Sie haben die alleinige Macht übersehen, die den Menschen vor den Schöpfungen seines eigenen Verstandes zu schützen vermag — Schöpfungen, die ihm verderblich werden, wenn er sie nicht richtig anwendet. Die Kenntnis der Materie hat die Menschen befähigt, so manche wunderbare Dinge zu erfinden, aber sie hat sie nicht vor den Gefahren ihrer Erfindungen geschützt.
Die Chemikalien, die Explosivstoffe, das. Feuer, die Gase, all die Dinge, die in diesem Krieg als verderbenbringende Werkzeuge des Hasses dienen, sind Erfindungen des fruchtbaren Gehirns des sterblichen Menschen, Erfindungen, die in Friedenszeiten zu seiner materiellen Entwicklung beigetragen haben. Der Krieg hat sie nicht verändert. Sie sind weder schlimmer noch besser als sie waren, ehe sie die schrecklichen Diener des Krieges wurden. Ihr Gebrauch hat nur die Lehren der Christlichen Wissenschaft betont, daß Gott stets gut ist, und daß die Erfindungen, die in einer Form nützlichen Zwecken dienen und in der anderen Zerstörung herbeiführen, die Menschheit nicht Gott näher bringen und sie nicht vom Bösen erlösen. Mrs. Eddy drückt dies sehr treffend aus, wenn sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt (S. 196): „Die Menschen, suchen viele Künste,‘ aber es hat sich noch nicht als wahr erwiesen, daß das Wissen sie von den schrecklichen Wirkungen des Wissens erretten kann.“
Der Krieg macht vielen, die Schutz für ihre Lieben suchen, die Tatsache eindringlich, daß nicht das Verständnis von irdischen Dingen, sondern die Erkenntnis von geistigen Dingen Schutz sichert. Gewöhnliche Christen, die schon längst wußten, daß es in dem Wesen des Bösen liegt, zu verstümmeln und zu vernichten, denken jetzt in der Stunde der Not daran, daß es in dem Wesen des Guten liegt, zu erhalten und zu schützen. Auf Grund der Allumfassenheit des Guten können diejenigen, die an der Front sind, durch die Gebete der Ihrigen Schutz erlangen. In der Christlichen Wissenschaft bedeutet das Gebet mehr als ein inbrünstiges Flehen, daß Gott jene Zerstörungswerkzeuge ablenken möge, welche nichts weiter sind als Wirkungen der Ursache, die den krieg herbeigeführt hat, nämlich der bösen Geister unter dem Himmel. Das Gebet, welches schützt, gibt sich vor allen Dingen mit Ursachen ab; es will das Böse durch das Sichvergegenwärtigen des Guten überwinden. Wenn physische Gefahr in das Reich der Gedanken verlegt wird, so sind nur zwei Elemente in Betracht zu ziehen, das Gute und das Böse. In dieser Weise betrachtet, wird jeder Kampf eine Probe, nämlich eine Probe der Treue des Menschen gegen Gott. Schutz wird also einem Menschen in dem Maße seines Vertrauens und seiner Erkenntnis zuteil.
Der Christlichen Wissenschaft gemäß beschützt uns das Gebet, in welchem die Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit Gottes bekräftigt und anerkannt wird. Dieser Vergegenwärtigung der unendlichen Macht können keine Feinde Stich halten. Wenn dem Haß, der Bosheit, der Grausamkeit, der Hinterlist und der Rachsucht die Allmacht entgegentritt, so schwinden sie dahin und können sich nicht als Feuer, Explosion, Granate, Zusammenstoß, Erschütterung oder Überschwemmung kundtun. Das Gebet, das die Allmacht Gottes bekräftigt, verscheucht alle Furcht vor Gefahr und verleiht Schutz, Gesundheit, Vertrauen und Mut. Wer erkannt hat, daß Gott überall gegenwärtig und einem jeden nahe ist, hat kein Gefühl der Einsamkeit oder Trennung, der Niedergeschlagenheit, Furcht oder Mutlosigkeit. In Gottes Gegenwart gibt es keine Schattierungen oder Grade von Furcht. Kein Ort ist gefährlicher als der andere, keine Pflicht ist gefahrvoller als die übrigen. Geborgenheit ist ein Element der Harmonie, und in Gottes Gegenwart sind Luft, Erde und Wasser stets harmonisch. Auch Gottes Allwissenheit wird in dem Gebet, welches schützt, bekräftigt und erkannt. Da der Mensch die unendliche Intelligenz wiederspiegelt, so hat er die nötige Weisheit, um zu wissen, was er zu tun hat und wie er es zu tun hat. Er weiß, wo er sein muß und wann er an einem Ort sein muß. Er wird nicht verwirrt und läßt sich nicht irre führen. Er tut keinen gefährlichen Fehlgriff, macht keinen verhängnisvollen Fehler. Er kann nicht falsch beeinflußt werden.
Der Mensch, der sich im Krieg großen Gefahren gegenübersieht, darf wohl dankbar sein für das Bestreben anderer, für ihn Schutz zu verwirklichen; vor allen Dingen aber muß er sich selber schützen lernen. Er muß selber Gottes unendliche Macht, Gegenwart und Intelligenz erkennen und bekräftigen. Er muß selber die mentalen Ursachen bloßlegen, die den physischen Wirkungen zugrunde liegen, muß Dinge in Gedanken umsetzen. Diese mentale Übertragung läßt ihn ersehen, daß der Kampf zwischen den unsichtbaren Kräften des Lichts und der Finsternis geführt wird und somit nicht bloß einen Streit zwischen Völkern und Einzelwesen darstellt. Er erkennt ferner, daß er auf der Seite des Rechts gegen materielle Macht, auf der Seite der Wahrheit gegen den Irrtum, auf der Seite des Geistes gegen die Materie kämpft, und dadurch wird er ein Kreuzeskämpfer, der nicht sowohl durch Panzerplatten als vielmehr durch die Waffen der Gerechtigkeit geschützt wird, und der nicht durch die Kraft des Pulvers, sondern durch die Macht des Gebetes den Sieg erringt.
Nicht nur in der Stunde großer Gefahr muß er sein Haupt erheben, sondern schon ehe die Gefahr sich kundtut. Vorbeugung ist ein Element des Schutzes, das man frühe suchen muß, um es zu erlangen. Die meisten Menschen wenden sich erst als letzte Zuflucht an Gott; wer aber klug ist, lernt durch die Christliche Wissenschaft einsehen, daß man sich Ihm zuallererst zuwenden muß. In der Vorbeugung liegt unser Schutz. Das Gebet in der Gefaht ist gut, aber das unablässige Gebet ist besser, denn es ist sowohl ein Verteidigungs- wie auch ein Vorbeugungsmittel. Mrs. Eddy sagt in „Miscellaneous Writings“ (S. 115): „Deine Waffen des Schutzes vor der Sünde und der Verteidigung gegen dieselbe bestehen in steter Wachsamkeit und im Gebet, damit du nicht der Versuchung nachgebest und von jeder Anmaßung des Bösen erlöst werdest, bis du in der Wissenschaft in verständnisvoller Weise erkennst und demonstrierst, daß das Böse weder Einfluß, Macht noch Dasein hat, weil Gott, das Gute, Alles-in-allem ist.“
