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„Weide meine Schafe“

Aus der Januar 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es ergeht die Aufforderung, die hungrigen Herzen mit der Erkenntnis der geistigen Wahrheit, mit dem Brot vom Himmel, mit der Wiederspiegelung der göttlichen Liebe zu speisen — die engen Grenzen menschlicher Gerechtigkeit zu überschreiten und nach dem Beispiel unseres Vater-Mutter Gottes unser Licht über die Gerechten und Ungerechten leuchten zu lassen. Geistige Erkenntnis dringt durch die Hülle des geheimen Bösen hindurch. Sie führt zu der Einsicht, daß der Glaube an die Materie keine Grundlage hat, und daß das physische Gesetz dem Gesetz Gottes unterworfen ist. Das Wort Gottes verfolgt das Böse unter der Oberfläche des Meeres, ja sowohl unter der Erde wie im Wasser unter der Erde. Es steigt in das Reich der Lüfte empor und zeigt den Wächtern, wie sie die bösen Absichten des Feindes vereiteln und den heimlichen Angriffen dadurch vorbeugen können, daß sie sie ihrer Heimlichkeit berauben.

Als Jesus auferstanden war und das frohe Mahl mit seinen Jüngern gehalten hatte, gab er dem Petrus in sehr nachdrücklicher Weise den Auftrag, seine Schafe zu weiden. Dreimal fragte er ihn: „Hast du mich lieb?“ Nur Liebe gibt dem wahren Hirten den rechten Beweggrund zur Wachsamkeit und zur Pflege der geistigen Ausdauer, so daß er fähig wird, die Schafe zu weiden. Hirten, die sich auf Glaubenssätze und Lehrmeinungen oder auf ihr Pflichtgefühl verlassen, oder die aus abergläubischer Furcht ritualistischen Bräuchen folgen, verlieren die Metaphysik und werden zu Wölfen, die nicht die Schafe weiden, sondern sich von den Schafen nähren. Mrs. Eddy gab die sehr nötige Mahnung: „Jesus lehrte und bewies, daß das, was wenige speist, auch alle speist. Bei seinem Lebenswerk unterstellte er das Materielle dem Geistigen, und er hinterließ dem Menschengeschlecht sein Erbe der Wahrheit“ (Miscellany, S. 303). Als Jesus die Fünftausend speiste, speiste er das ganze menschliche Bewußtsein. Indem Die Mutter-Kirche in unseren Tagen die Fünftausend speist, für die sie Sitzplätze hat, speist sie zugleich die Welt, mag auch die Welt sich dessen nicht bewußt sein.

Die Welt schreit nach Brot; aber in Wirklichkeit ist dieses Brot nicht materiell. Man frage irgendeinen Bittsteller lang genug und genau genug aus, und man wird finden, daß dem Hilferuf ein Herzenshunger zugrunde liegt. Die Menschheit kämpft, wetteifert, arbeitet, fürchtet sich und erleidet Qualen, scheinbar um materielle Güter zu erlangen, in Wirklichkeit aber aus Verlangen nach geistigen Gütern, nach Glück, Frieden, Schutz, Harmonie. Mrs. Eddy verstand das Flehen der Menschheit, als sie auf Seite 17 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ der Bitte: „Unser täglich Brot gib uns heute,“ die erklärenden Worte hinzufügte: „Gib uns Gnade für heute; speise die darbende Liebe.“ Dem Unerleuchteten mag Gnade als ein sonderbares Ersatzmittel für Brot vorkommen. Wer jedoch Gnade hat, hat Reichtum. Nichts Gutes kann denen versagt werden, die „die Gnade unsers Herrn Jesu Christi“ haben — die Fähigkeit, die Schafe mit Leben, Wahrheit und Liebe zu speisen. Wer da speist, wird wiederum gespeist. Solcher Art ist das Gesetz Gottes, und es ist in der Christlichen Wissenschaft demonstrierbar. Die Liebe kann nicht darben, wenn sie durch Mitteilen bereichert wird. Dadurch also, daß man Jesu Gebot gehorcht: „Weide meine Schafe,“ findet man den Weg zu himmlischen Schätzen, und an zeitlichen Hilfsmitteln fehlt es dann nicht, solange das menschliche Bewußtsein sie nötig hat. Der Tröster, die göttliche Wissenschaft, gibt uns die Zusicherung, daß es im Himmelreich keinen wirklichen Mangel an Nahrungsmitteln, keine Finanzklemme, keinen Arbeitsmangel, keine Schädigung an Leib und Leben, keine geistige Schlaffheit geben kann, und daß der Himmel für solche, die die Schafe weiden, jetzt offen steht.

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