Den Menschen erscheint es, als seien sie in der Materie eingenistet, und sie kommen sich zu einem Flug himmelwärts ebenso untauglich vor wie die jungen Vöglein. Und doch hört ein jeder ganz gewiß früher oder später den Weckruf an seine geistige Natur. Entweder horcht er auf denselben, oder er erweist sich widerspenstig, weil er seine eigenen Wege gehen will. Wie oft verschließen wir uns doch diesen erhebenden Einflüssen, indem wir die nämlichen leeren Entschuldigungen vorbringen, wie die Menschen im Gleichnis vom großen Abendmahl. Einer sagte: Ich habe einen Acker gekauft und muß jetzt hingehen, ihn zu besehen. Betrachte mich als entschuldigt. Ein anderer sagte: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und muß sie nun probieren. Und der dritte sagte: Ich habe mich verheiratet und kann daher nicht kommen. Ähnliche kahle Entschuldigungen werden auch heute noch gemacht. Der eine ergibt sich dem Siechtum mit der Widerstandslosigkeit eines Weichtiers; der andere schwelgt im Überfluß wie ein verweichlichter Römer zur Zeit des Verfalls des Kaiserreichs; ein dritter erhebt sich in seinem Stolz und strebt nach dem Thron eines Dämonen oder Beherrscher der Gemüter der Menschen. Allgemein gesprochen, bringen sie alle die Entschuldigung vor, daß jetzt die Zeit sei, sich in der Materie behaglich zu fühlen und dem Materialismus zu huldigen. Über diesen Gegenstand sagt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 382): „Wenn dem Studium der Christlichen Wissenschaft und der Vergeistigung des Gedankens nur halb so viel Beachtung geschenkt würde wie der Hygiene, so würde dies allein schon das tausendjährige Reich herbeiführen.“
Die Jünglinge der verschiedenen Nationen haben sich die scharfe Disziplin des Krieges gefallen lassen. Da sie beständig dem jähen Tode ausgesetzt waren, drängte sich ihnen die Frage auf, worin denn eigentlich das Leben besteht; und in der Regel kamen sie zu dem Schluß, daß das Leben nicht dem materiellen Organismus preisgegeben ist, daß das Bewußtsein weiterbesteht, und daß man sich aus irgendwelchem Grunde nicht zu fürchten braucht. Diejenigen, die mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft bekannt sind, wissen, daß das Prinzip die Grundlage des Vertrauens und des Friedens ist, und sie streben ernstlich danach, das Denken zu vergeistigen, denn „die Dinge ..., die des Geistes Gottes sind, ... werden geistlich beurtheilt,“ wie Paulus sagt (Zürcher Bibel). Ferner sagt dieser Apostel: „Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein is Leben und Friede.“
Denkende und umsichtige Menschen beherzigen die Warnung, daß neuerdings gegen die Trauer um diejenigen, die sich geopfert haben, damit die Welt gerettet werde, ein falscher Trost angeboten wird. Der sogenannte Spiritismus scheint wieder aufzuleben, indem dessen Medien vorgeben, durch Geisterbeschwörung mit den Toten in Umgang treten und sie in das Fleisch zurückrufen zu können. Die Lehre der Christlichen Wissenschaft über diesen Gegenstand ist sehr deutlich, wie z. B. aus folgender Stelle in unserem Lehrbuch hervorgeht (Wissenschaft und Gesundheit, S. 76): „Wenn der Mensch zum geistigen Sein und zum Verständnis von Gott vorgedrungen ist, kann er nicht länger mit der Materie in Gemeinschaft sein; auch kann er nicht zu ihr zurückkehren, ebensowenig wie ein Baum zu seinem eignen Samen werden kann.“
Wie verhält es sich dann aber mit den Berichten von Menschen, denen die Engel Gottes begegnet sind? Abraham wurde oft von dem Engel oder Boten Gottes begleitet. Jakob sah eine Leiter, die bis an den Himmel reichte und auf der solche Boten hinauf- und herabstiegen. Daniel erkannte die Bedeutung der Botschaft, die ihm von einem „heiligen Wächter,“ den der König „vom Himmel herabfahren“ sah, überliefert wurde. Die Jünger sahen Moses und Elia auf dem Verklärungsberge, und Paulus, der große Heidenapostel, konnte Jesus sehen, gerade als ob er mit ihm im Tempel gesprochen hätte. Wie war solches möglich? Es geschah durch die Vergeistigung des Denkens, die uns Menschen als Engel sehen läßt — mit anderen Worten, durch die Erkenntnis, daß das wahre Sein geistig ist. Die Geschichten der Bibel sind stets frei von allem Unreinen. Sie wirken erhebend auf den Menschen und erwecken in ihm das Verlangen nach geistigen und himmlischen Dingen. Der unlautere, im Dunkeln wirkende Spiritismus übt keinen erhebenden Einfluß aus. Paulus strebte danach, Christus zu gewinnen —„zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung.“ Diese Vergeistigung des Denkens, dieses Auferstehen von den Toten ist es, das uns geistige Dinge erkennen läßt und uns von dem Fleisch erlöst. In bezug auf gewisse Theorien derer, die an den Spiritismus glauben, sagt Mrs. Eddy in ihrer Predigt unter dem Titel „Christian Healing“ (S. 5): „Solche Hypothesen lassen biblische Belege außer acht und verdunkeln die eine große Wahrheit, die fortwährend auf diese oder jene Art vor unserem Blick verdeckt wird. Diese Wahrheit lautet, daß wir unsere Seligkeit selber schaffen und die Verantwortung für unsere Gedanken und Handlungen selber tragen müssen und dabei nicht denken dürfen, die Person Gottes oder die Person des Menschen werde unser Werk für uns verrichten, sondern einsehen müssen, daß es der Regel des Apostels gemäß geschehen muß, welche den Glauben von den Werken abhängig macht. Ein derartiger Spiritismus würde unserem Leben höhere Zwecke geben; er würde den Menschen läutern, erheben und heiligen; er würde ihn lehren, daß, ‚was der Mensch säet, das wird er ernten.‘ Je geistiger wir werden, desto mehr sind wir von der Welt getrennt. Sollte diese Regel im Jenseits versagen? Ist es möglich, daß wir dort materieller werden und zur Welt zurückkehren?“
Die größte Lebenswahrheit kommt in ihrer einfachsten Form in der Seligpreisung zum Ausdruck: „Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ Gerade das ist das Wesen der Christlichen Wissenschaft — die Verwirklichung dieser Seligpreisung; und wer Gott schaut, hat die Erkenntnis erlangt, daß Gott das “Leben ist. Sodann sieht er Gottes Idee und erkennt alle Dinge in geistiger Weise. Der Fortschritt des Menschen Christus Jesus war normal, und sein Leben soll uns zum Vorbild dienen. Er stellte sich den Menschen gleich, indem er Gott seinen Vater und ihren Vater nannte, womit er auf das allumfassende Leben hinwies. In seinem Fortschritt gab es keinen Rückfall in überwundene fleischliche Zustände. Durch die Verklärung wurden die Jünger gefördert, so daß sie seine Demonstration verstehen konnten. Sie sahen mit dem Geistesauge und erkannten den wahren Menschen. Deshalb konnte Johannes in seiner Offenbarung sagen: „Selig ist der und heilig, der teilhat an der ersten Auferstehung. Über solche hat der andere Tod keine Macht.“