Abenteuer! Wie verschieden ist doch die Färbung dieses Wortes. Den einen erinnert es an das sanfte Licht des aufgehenden Mondes auf dem Südmeer, den anderen an den wunderbaren Glanz des Nordlichts — denn wir suchen das Abenteuer fast immer in der Ferne.
Das große Abenteuer des verlorenen Sohnes im Gleichnis des Meisters bestand nicht in dem Verkauf seiner Habe, nicht in seinem sorglosen, übermütigen Weggang in ein fremdes Land, nicht in seiner schwelgerischen Lebensweise noch in seiner dumpfen Verzweiflung unter den fressenden Schweinen, wenn es auch viele gegeben hat, die ähnliche Erfahrungen als romantische Abenteuer bezeichnet haben, wie z. B. das unehrliche, fieberhafte Glückspiel, oder die Gesellschaft von Menschen, deren Gelächter wie das Knistern einer brennenden Dornhecke klingt. Als Schreiber dieses tief unten war und seine Heilung noch nicht erlangt hatte, wandte er dieses Wort in ähnlicher falscher Weise an. Nachdem man die Lichter am Ende von feuchten, trüben Gassen gesehen hat, schlägt nicht das Herz höher, wenn man auf der makellosen Bahn der Christlichen Wissenschaft dem Welterwachen entgegensieht und nur einem einzigen Stern folgt? Als der verlorene Sohn dem Haß, der Sinnlichkeit und der Furcht den Rücken kehrte und jenseits der Tiefen der Demütigung die blauen Nebel der heimatlichen Berge sah — das war sein eigentliches Abenteuer.
Vor alters lebte noch einer, Jakob, später Israel genannt, den menschliche Regungen weit in die Ferne trieben, wo er das Glück suchte. Als er in der Wildnis auf der Erde lag, über sich das Sternenzelt, unter dem Haupte einen Stein als Kissen, wurde er sich bewußt, daß Himmel und Erde tatsächlich eins waren; daß lichte, wahre Ideen immer zur Hand sind, um dem Menschen zu helfen, wo er auch immer umhergeirrt sein mag. Und während ihm noch die Stimme in den Ohren klang, die ihm Mut zusprach, stand er auf, wie vom Schlafe, und nannte den Ort Bethel, indem er erkannte, daß selbst die „Flügel der Morgenröte“ ihn nicht aus dem Hause Gottes hinwegtragen konnten. Und unverzüglich verrichtete er ein Gebet, das ein Gelübde war, und tat ein Gelübde, das ein Gebet war, indem er bat, daß er wieder in Frieden zu seines Vaters Haus zurückkehren möchte. Welch klaren Blick hatte doch dieser Jüngling, der später Sieger Gottes genannt wurde! Er erkannte deutlich den richtigen Ausgang jedes selbstlosen, mit Mut unternommenen Abenteuers.
Solche Sucher nach einem Heim werden auch wir zuletzt. Wir suchen und finden; wir lieben Gott umso mehr, als Er uns durch unsere Führerin, Mary Baker Eddy, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gegeben hat, damit den traurigen Herzen das Suchen erleichtert und das Finden verständlicher gemacht werde. Waren nicht alle unsere Bemühungen umsonst, ehe wir diesen Führer hatten? Auf langen Wanderungen durch unbekannte Gegenden und ohne Wegweiser, außer Unwissenheit und Rohheit, suchten wir eine Stadt von Gold und Edelsteinen, fanden aber nur elende Hütten, Messing und Flittergold. Und doch stand unser Wunsch stets nach der Stadt, die viereckig liegt und die uns Mrs. Eddy in unserem Lehrbuch so wunderbar beschrieben hat. Vielleicht erstiegen wir den blauen Gipfel eines Berges, um das stille Meer zu erschauen, und beobachteten dann in hilfloser, trauriger Verwunderung dessen Stürme. Wir fanden nicht die „goldenen Gestade der Liebe“ und „das Friedensmeer der Harmonie“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 576). Ob man nun in weiter Ferne oder in der Nähe ist, es gibt kein größeres Abenteuer als die Heimkehr zu Gott!
Klingt es fremdartig, wenn man diese Heimkehr zu Gott ein glücklich endendes Abenteuer nennt? Dann denke man an Jesus, unseren Wegweiser, der, wohl wissend, daß er erhöhet werden sollte, sein Antlitz zum letztenmal entschlossen nach Jerusalem wandte; dessen einfachstes Wort solche Macht hatte, daß der Sturm sich legte; der bei anderen Gelegenheiten mitten durch diejenigen hindurchging, die ihm nach dem Leben trachteten, seien es die Pharisäer des Tempels, oder seine Nachbarn, die ihn von einem Felsen in der Nähe seines Heimatsortes hinabstürzen wollten. Er kannte, wie kein anderer, die unendliche Macht des Guten, die stets zur Hand, stets bereit ist. Und doch stand er stumm im Gerichtssaal, um so die ganze Strecke des göttlich bestimmten Weges zu erforschen — bis nach Golgatha, durch Finsternis und Erdbeben hindurch, aufwärts zu dem unvergeßlichen Morgen am Galiläischen Meer, dem Morgen, der sich zu einem ewigen Tag erweiterte und vertiefte. Die Heimkehr zu Gott — welch herrliches Abenteuer für den Menschen!
Nichtsdestoweniger spricht Mrs. Eddy wie folgt von des Meisters heldenhaftem Werk in dessen Beziehung zu unserem Fortschritt himmelwärts (Wissenschaft und Gesundheit, S. 18): „Er erfüllte sein Lebenswerk in der rechten Weise, nicht nur, um sich selbst gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen — um ihnen zu zeigen, wie sie ihr Lebenswerk zu erfüllen hätten, nicht aber, um dasselbe für sie zu tun oder sie einer einzigen Verantwortlichkeit zu entheben.“ Und so liegt denn diese Bahn vor uns, vor einem jeden von uns. Nur ein feiges Herz kann zögern. Erweist sich der Weg als dornenvoll, so wollen wir Blumen erblühen lassen; ist er dunkel, so wollen wir ein großes Licht sehen; und das ganze Jammertal entlag wollen wir Brunnen und frische Quellen graben für die Durstigen, die nach uns kommen.
Welche Worte könnten das große Abenteuer besser beschreiben als die folgenden aus dem Propheten Jesaja: „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.“
