Das Gebet ist ein Gegenstand, den der Christliche Wissenschafter für äußerst wichtig hält. Die christliche Welt hat das Gebet von jeher als das Mittel angesehen, durch welches sich der Mensch bei Gott Gehör verschaffen kann. Im allgemeinen bedeutete es für sie nicht viel mehr als eine flehentliche Bitte, daß gewisse materielle Wünsche gewährt und befriedigt werden möchten. Diese offenbar beschränkte Bedeutung hat gar manches hungernde Herz unbefriedigt gelassen, und man hat vielfach versucht, sich darüber klar zu werden, worin das Gebet denn eigentlich bestehe.
Jesaja versichert uns, „des Herrn Hand“ sei „nicht zu kurz, daß er nicht helfen könne,“ und „seine Ohren“ seien „nicht hart geworden, daß er nicht höre.“ Seit Beginn der Zeit hat es unter dem Volk Gottes stets solche gegeben, die so beten konnten, daß eine rasche und befriedigende Erhörung folgte. So mancher Prophet flehte zu Gott und erhielt stets das, warum er gebetet hatte. Das Leben Jesu war ein Gebetsleben. Er gab uns solch genaue Anweisungen über die rechte Art des Gebetes, daß man sich verwundert fragen muß, warum hunderte von Jahren vergingen, ehe eine Person kam, deren Verlangen nach Geistigkeit stark genug war, um zu verstehen, wie der Meister betete. Mrs. Eddy erlangte ein so klares Verständnis von Gott und von Jesu Art des Gebetes, daß sie in derselben Weise beten konnte, und die Gebetserhörungen, die sie hatte, bewiesen die Gleichartigkeit ihres Gebetes mit dem Gebet des Meisters. Beide baten Gott um das, was Er zu bieten hatte. Sie beteten nie um Materialität in irgendeiner Form, nie um persönliche Freuden, persönlichen Gewinn, persönliche Befriedigung. Vielmehr beteten sie, daß sie den Willen Gottes erkennen möchten, und dann gehorchten sie diesem Willen. Und Gott erhörte ihr Gebet.
Mrs. Eddy sagt uns in „No and Yes“ (S. 38): „Alles Beten, das im Verlangen besteht, ist fürsprechend.“ Somit muß ein jeder zuerst die Art seines Verlangens feststellen, wofern er so beten will, daß Gott ihn erhört. Jakobus schreibt: „Ihr bittet, und nehmet nicht, darum daß ihr übel bittet, nämlich dahin, daß ihr's mit euren Wollüsten verzehret.“ Ohne Zweifel liegt gerade in diesen Worten der Grund, warum so viele Gebete unerhört geblieben sind. Wenn wir nur den Willen Gottes erkennen würden und ihn zu erfüllen wünschten, das Reich Gottes wäre sofort unser, denn der Himmel ist die verwirklichte Herrschaft Gottes. Können wir besser handeln als in den Fußtapfen unseres teuren Meisters zu wandeln, dem unsere geliebte Führerin folgte, so daß ihr Gebet, wie das seine, erhört wurde? Das Beispiel sowohl wie die Lehre beider hat uns solches gewiß möglich gemacht. Nicht nur haben uns beide bestimmte Anweisungen in bezug auf das Gebet gegeben, sondern in den Evangelien und in Mrs. Eddys Schriften wird uns auch die rechte Art des Gebetes besonders veranschaulicht.
Jesus sprach in seiner Bergpredigt sehr eingehend über diesen Gegenstand. Er gab uns in derselben das Gebet des Herrn, von dem Mrs. Eddy in „Christian Healing“ sagt (S. 15): „Wenn man das Gebet des Herrn in seiner geistigen Bedeutung versteht und es in seiner geistigen Fassung wiedergibt, kann man es zum Wohl derer, die hörende Ohren haben und verstehen, nie zu oft wiederholen.“ Auch unsere Führerin hat uns über diesen Gegenstand genaue Unterweisung gegeben, besonders im ersten Kapitel von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ wie auch in ihren anderen Schriften. Das Studieren dieser Stellen gibt dem Sucher ein demonstrierbares Verständnis vom Gebet, das ihm von unschätzbarem Wert ist, denn das Gebet hat gewiß einen bestimmten Platz in dem Werk der Erlösung von allem Übel.
Christus Jesus bediente sich oft des Bittgebets, und aus Mrs. Eddys Schriften ist zu ersehen, daß auch sie dessen Wert erkannte. Beide fanden es richtig, Gott zu bitten, daß Er ihnen zeige, wie man Seinen Willen erfüllen und im Gehorsam gegen Ihn leben kann. Die Bitte, die uns die Tatsache zum Bewußtsein bringt, daß geistiges Leben, geistige Wahrheit und geistige Liebe allein von Gott kommen, kann uns nur Segen bringen. Um also wahrhaft beten zu können, sind zwei Punkte zu beachten. Zuerst müssen wir lernen, verständnisvoll mit Gott zu reden; d. h. wir müssen lernen, uns die Dinge zu wünschen, von denen Er Kenntnis hat, denn anderenfalls können wir nicht erwarten, etwas aus Seiner Hand zu empfangen. Wir haben die Verheißung: „Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.“ Falls der Christliche Wissenschafter um materielle Gesundheit, um Geld, um Erfolg im Geschäft, um Häuser und Ländereien, um persönliche Macht bittet, wie kann Gott solche Gebete erhören? Fängt er aber an, um Ideen zu bitten, um Klugheit, Weisheit, Selbstlosigkeit, um die Fähigkeit, seinen Mitbruder zu segnen, dann sieht er, daß sein Gebet erhört ist, ehe er bittet. Man betet auch dann, wenn man sich bewußt wird, daß man ganz und gar von Gott abhängig ist und nichts ohne Ihn tun kann. Jesus sagte: „Ich kann nichts von mir selber tun,“ und ein andermal: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.“ Das Gebet also, das den Menschen dazu führt, auf Gott zu vertrauen, in der Macht Seiner Stärke zu verharren — dieses Gebet wird erhört. Das Gebet hingegen, daß ihn anmaßend und selbstgefällig macht, heilt nicht die Kranken und erweckt nicht die Toten.
Über die Wichtigkeit und Wirksamkeit des Gebetes der Bekräftigung ist sehr viel gesagt worden. Christus Jesus trat gewiß durch seine Bekräftigungen mit Gott in Gemeinschaft. Er sagte aber nicht: „Das Wort Gottes ist die Wahrheit,“ sondern: „Dein Wort ist die Wahrheit;“ und dadurch stellte er die Verbindung zwischen sich und dem Vater her. Er redete mit dem Vater, und so dürfen auch wir mit Gott reden. Bei den rein bekräftigenden Darlegungen der Wahrheit muß man darauf achten, daß man nicht bloß Worte wiederholt und dadurch von sich selber etwas tut. Wir wollen uns stets mit vertrauensvollem und demütigem Herzen an unseren Vater-Mutter Gott wenden, um von Ihm das Verständnis vom wahren Gebet zu erlangen — von dem Gebet, das die mentale Haltung bewirkt, von der Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit sagt (S. 16): „Nur, wenn wir uns über alle materielle Sinnengebundenheit und Sünde erheben, können wir das vom Himmel stammende Streben und das geistige Bewußtsein erreichen, auf welches in dem Gebet des Herrn hingewiesen wird, und welches die Kranken augenblicklich heilt.“
