Der Rat des Apostels Paulus, den er den Kolossern gab: „Eure Rede sei allezeit lieblich und mit Salz gewürzt, daß ihr wisset, wie ihr einem jeglichen antworten sollt,“ hatte zweifellos für den Morgenländer eine besondere Bedeutung. Das Salz wurde im Osten für heilig gehalten. Wenn einer zum anderen sagte: „Zwischen uns ist Brot und Salz,“ so bedeutete das die Vereinigung jener edleren Interessen, die die Menschen mit einander verbinden, und die Verletzung dieses Bundes bildete einen Schandfleck auf dem Charakter. Opfer wurden mit Salz bestreut, womit man die Gott wohlgefällige Aufrichtigkeit und Unverdorbenheit des Gemüts, die Gemeinschaft Gottes und das Freundschaftsverhältnis mit Ihm veranschaulichen wollte. Wird diese bildliche Wendung auf die Rede bezogen, wie es Paulus tat, so bedeutet sie, daß die Rede dann gewürzt ist, wenn sie den geistigen Gedanken zum Ausdruck bringt — wenn ein Mensch die Einheit, die zwischen dem Prinzip und seiner Idee besteht, erkennt, den heiligen Bund anerkennt und danach handelt.
Da der Geist das göttliche Prinzip des Seins ist, so muß der Ausdruck des Geistes geistig sein; und durch das Weltall tönt melodisch eine allumfassende Sprache, die diejenigen verstehen, die ihre Gedanken mit der Wahrheit in Übereinstimmung gebracht haben. Der Psalmist sagt: „Ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht tut's kund der andern. Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre.“ Vögel, Hügel, Blumen und Tiere bringen die Sprache des Geistes in dem Maße zum Ausdruck, wie wir den sterblichen Begriff von ihnen verlieren und zu der Erkenntnis gelangen, daß sie als Ideen im göttlichen Gemüt bestehen.
Der Mensch freut sich darüber, daß die artikulierte Sprache eine der Fähigkeiten ist, die ihn von den niedrigen Tieren unterscheidet. Auf Grund dieser Tatsache stellt er den Satz auf, daß die Sprache, indem sie Gedanken übermittelt, der Maßstab für den Charakter eines Menschen sei. Wie der Mensch spricht, so denkt und ist er. Dies ist ebenso wahr in bezug auf den Heuchler, der sich selbst mehr als irgendeinen anderen Menschen durch seine erlogenen, frommen Worte betrügt, wie in bezug auf den ruchlosen Lästerer, der offen die vermeintlichen Freuden der Sünde genießt. Sind die Äußerungen eines Menschen der Ausdruck von Gedanken, die in enger Beziehung zu dem göttlichen Prinzip stehen, so wird der heilende Einfluß dieser Gedanken den Ausdruck eines unwirklichen materiellen Gemüts verdrängen und dadurch seine Richtigkeit und seinen Ursprung demonstrieren. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 117): „Gott ist Geist; daher muß die Sprache des Geistes geistig sein, und sie ist es auch.. .. Von Gottes eigentlicher Sprache wird im letzten Kapitel des Markus-Evangeliums als von der neuen Zunge gesprochen, deren geistiger Sinn durch, mitfolgende Zeichen‘ erlangt wird.“
Die gewöhnliche Art der Unterhaltung verrät unverkennbar die Richtung und die Art der Gedanken. Wenn ein Mensch metaphysisch denkt, und zwar nicht nur zuweilen, sondern fortwährend, dann wird er die Einheit des Guten verstehen, und seine Rede wird diese wesentliche Wahrheit des Seins wiederspiegeln. Er wird gute Worte bereit haben, die denen helfen, die sie hören. Wenn jedoch die Gedanken eines Menschen den unverletzbaren Bund nicht anerkennen, der zwischen dem Prinzip und seiner Idee besteht, dann wird das Wort, das er redet, in der Regel der Wirklichkeit der gegenwärtigen geistigen Harmonie widersprechen und ihr widerstehen.
Die einzige Kraft oder Tätigkeit, die der Irrtum scheinbar haben kann, spricht ihm die menschliche Annahme zu. Ein falscher Anspruch kann nichts weiter tun als sich zu präsentieren, um dann entweder angenommen oder abgewiesen zu werden. Für den, der seine Gedanken mit ihm beschäftigt und über ihn spricht, wird er ebensosehr zur Wirklichkeit wie für den, der falsch handelt. Mrs. Eddy fragt in „Miscellaneous Writings“ (S. 130), indem sie auf die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit Bezug nimmt: „Lehrt euch letzteres nicht, daß, wenn man beständig nach Fehlern in andern sucht, über sie redet und nachdenkt, um sein Verhalten ihnen gegenüber festzustellen (sie, wie eine Süßigkeit beständig im Munde‘ hat), sie dann dieselbe Macht haben; aus euch Sünder zu machen, wie das gleiche Verhalten Krankheiten gegenüber einen Menschen krank zu machen vermag?“
Dadurch, daß man jeden Irrtum aus der Unterhaltung ausscheidet, verliert das Gespräch ebensowenig an Reiz und Genuß wie die Wolken, die vom Winde vertrieben werden, die Sonne am Scheinen verhindern können. Mrs. Eddy weist ihre Leser an Talmages Ausspruch hin: „Bei Gottes Kindern ist Witz, Humor und beständige Munterkeit zu finden;“ und das ist einfach deshalb so, weil das Denken in Übereinstimmung mit dem Prinzip den Gedanken und dessen Äußerung mit dem Ursprung aller wahren Weisheit identifiziert. Der Christian Science Monitor zeigt uns die Wirkung metaphysischen Denkens auf menschliche Angelegenheiten, indem er eine nützliche Anleitung zur Unterhaltung bietet, sich getreulich an die Allerhabenheit und Wirklichkeit des Guten hält, es auch nicht an Lebhaftigkeit und gutem Humor fehlen läßt, und Böses und Irrtum nur zu dem Zwecke bespricht, um sie aufzudecken, zu vernichten und somit von dem mentalen Horizont der Menschheit zu entfernen. Als rechtmäßige Belohnung für ihren Gehorsam ist das Gespräch derjenigen, die den Monitor Tag für Tag lesen — wie Mrs. Eddy die Christlichen Wissenschafter zu tun bat, weil sie sah, was ihnen not tat —, reich an Stoff und Einzelheiten und spiegelt eine Genauigkeit in allgemeinen Kenntnissen wieder, wie sie in der Unterhaltung derer fehlt, die ein solch großes Vorrecht vernachlässigen.
Zusammenkünfte von Freunden und Bekannten sind nur dann berechtigt, wenn sie sich gegenseitig helfen und fördern. Dieser allgemeine brüderliche Implus ist eine schwache Wiederspiegelung der ewigen Wahrheit, daß in der Wirklichkeit des Seins ein heiliger Bund sowohl zwischen den Ideen des Prinzips wie zwischen jeder einzelnen Idee und ihrem Prinzip besteht. Daher ist es stets eine materielle Auffassung von einem bestimmten Umstand oder einer Person, die diesen Bund verletzt und die Menschen dazu antreibt, einander zu schmähen und zu verleumden. Wenn wir über einen Irrtum reden hören, und die Versuchung tritt dann an uns heran, darüber zu sprechen, so können wir uns stets weigern, vom Wirklichen abzuweichen; und je nach der Entschiedenheit unserer Weigerung wird die Versuchung von uns weichen, und der Gedanke, der derartig beschützt und geläutert worden ist, wird in erhebenden und heilenden Worten Ausdruck finden. In diesem Zustand der Erhebung rief Moses aus: „Meine Lehre triefe wie der Regen, und meine Rede fließe wie Tau, wie der Regen auf das Gras und wie die Tropfen auf das Kraut. Denn ich will den Namen des Herrn preisen.“
Ein jeder gibt zu, daß Heuchelei, d. h. richtiges Reden und falsches Leben, töricht ist. Ist dies jedoch schlimmer als die Widersinnigkeit, der Christlichen Wissenschaft gemäß rechtschaffen leben zu wollen (deren Grundwahrheit die Verneinung der Wirklichkeit des Bösen ist), und dann seinen eigenen Bemühungen entgegenzuarbeiten, indem man dem Irrtum Ausdruck verleiht, den man angeblich verneint hatte, als ob er im Grunde genommen, doch eine Tatsächlichkeit wäre? Angenommen, man hat sich eine Stunde lang über böse Zustände und Irrtümer unterhalten, als ob sie Wirklichkeiten wären, ist man dann besser dazu ausgerüstet, zu dem Kranken zu gehen und sie durch stille oder laute Verneinung der Wirklichkeit des Bösen und der Krankheit zu heilen? Jeder einzelne, der sich im Freundeskreis zeitweilig von der Materialität hat verleiten lassen, sich über den Irrtum zu unterhalten, würde, wenn eine Bitte um Beistand an ihn erginge, gewiß ernstlich bestrebt sein, die heilende Wahrheit zu bekräftigen, selbst falls es sich um die Notlage der Person handelte, über die man eben unfreundlich geredet hat. Sollte aber dieser Ruf nicht sofort oder überhaupt nicht an uns ergehen, so haben wir dennoch keinen Grund, unsere Gedanken und unsere Heilkräfte durch müßiges Wiederholen einer Unwirklichkeit zu schwächen. Die Tätigkeit, welche Krankheit durch die Christus-Kraft überwindet, kann nur durch das heilige Bestreben aufrechterhalten werden, das fleischliche Gemüt durchweg zu verneinen, damit Gedanken und Rede das reine Gemüt um so wahrer wiederspiegeln können.
Das Wiederholen von Irrtum trägt ebensowenig zur Erbauung bei wie ein eingehendes Gespräch über einen Traum im Schlaf. Nie sollte uns der Irrtum längere Zeit interessieren, als nötig ist, um ihn zu verneinen. Das fleischliche Gemüt erinnert stets an seine eigenen Schöpfungen und sucht dadurch deren unausbleibliche Vernichtung so lange wie möglich zu verhindern. Diesem gegenüber lehrt die Christliche Wissenschaft ihre Anhänger, daß es keine Gelegenheit gibt, bei der der Irrtum als wirklich betrachtet werden dürfte. Sicherlich hilft es dem Sünder nichts, wenn andere seine Treulosigkeit oder seinen Ehrgeiz besprechen, noch vermindert das für die Menschheit die Summe des Glaubens an Sünde, Krankheit und Tod, was ja doch der Zweck der Christlichen Wissenschaft ist. Das Böse hat überhaupt nur so viel scheinbare Wirklichkeit, wie ihm die Annahme einräumt, und es muß daher dem, der es glaubt, in gewissem Grade ebenso wirklich vorkommen wie dem, der es tut. Zudem kann man selten über das Benehmen eines anderen mit annähernd hinreichendem Verständnis seines Standpunktes reden, wie es denn auch unmöglich ist, die mentalen Einflüsse, die angeborenen oder persönlichen Züge und Triebe, die ihn zu der Tat getrieben haben, richtig zu beurteilen. Jesus machte dem Petrus klar, daß sogar das Trachten eines anderen nach dem Guten kein Grund für ihn sei, seine Aufmerksamkeit auch nur einen Augenblick von der Wahrheit abzulenken. Umso unverzeihlicher ist es daher, wenn ein Christlicher Wissenschafter seine kostbare Zeit damit vergeudet, über Bekundungen des Irrtums zu reden, wenn er nicht von dem Wunsche beseelt ist, dieselben zu vernichten.
Es ist ferner inkonsequent, andere zu beschuldigen, daß sie über Irrtum redeten, wenn man es selbst unterläßt, seine Rede mit Salz zu würzen. Ein jeder hat die Aufgabe, aus seinem eigenen Bewußtsein alles zu entfernen, was den Bund mit der Wahrheit verletzt, damit kein mentaler Zeuge zurückbleibe, der Böses zum Ausdruck bringen könnte. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 60 von „Unity of Good“: „Der sterbliche Mensch ist ein Reich, das mit ihm selbst uneins ist. In einem Atem spricht er Wahrheit und Irrtum aus. Wir sagen, Gott ist Alles, und es ist keiner außer Ihm, und sprechen gleich darauf von Sünde und Sündern als ob sie wirklich wären. Wir nennen Gott allmächtig, allgegenwärtig, und beschwören dann aus dem dunklen Abgrund des Nichts ein mächtiges Etwas herauf, das wir Böses nennen. Wir sagen, Harmonie sei wirklich und Disharmonie sei das Gegenteil davon, daher unwirklich, sprechen aber trotzdem von Krankheit, Sünde und Tod als von Wirklichkeiten.“
Eine der Weissagungen in bezug auf die Herrschaft des Christus weist auf eine geheilte Sprache als Frucht des geläuterten Bewußtseins hin: „Alsdann will ich den Völkern reine Lippen geben, daß sie alle sollen des Herrn Namen anrufen und ihm einträchtig dienen.“ Die Menschheit hat es ebenso nötig, von ihrer kranken Konversation geheilt zu werden wie von der Annahme, daß es kranke Körper gebe, und der einzige Grund, warum man nicht ebenso beharrlich nach dieser Heilung verlangt, wie nach physischer Heilung, ist der, daß sich die Sterblichen nicht im dem Maße bewußt sind, daß sie an Klatschsucht leiden, wie sie sich bewußt sind, daß sie an der Annahme leiden, als gebe es schmerzhafte Empfindung in der Materie. Und doch ist ein Irrtum ebensowohl der Ausdruck des sterblichen Gemüts wie der andere, und beide müssen durch das Verständnis des göttlichen Gemüts geheilt werden, das durch die „Schönheiten der Heiligkeit“ (n. d. engl. Bibelübersetzung) zum Ausdruck kommt.
Nur wenn sich der Mensch täglich, ja jeden Augenblick daran erinnert, daß „Gottes eigentliche Sprache“ geistig ist, und sich bemüht, diese Sprache sowohl in der Unterhaltung wie im Benehmen wiederzuspiegeln, fängt er an, die Annahme für die Menschheit zu vernichten, daß es etwas Wirkliches außer Gott und Seiner Idee gebe. Wenn man den Bund des Salzes, die heilige Einheit des Prinzips und der Idee im eigenen Bewußtsein unverbrüchlich hält, dann beweist man die Wahrheit von Jesu Erklärung: „Ihr seid das Salz der Erde;“ dann beherzigt man die Ermahnung des Meisters: „Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!“
