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Die umwandelnde Kraft des rechten Denkens

Aus der Januar 1920-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als Paulus schrieb: „Verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes,“ wußte er ohne Zweifel, daß er mit diesen Worten die Wirksamkeit des Gesetzes des göttlichen Prinzips verkündigte. Je mehr man die menschlichen Erfahrungen und die Menschengeschichte prüft, desto klarer erkennt man, daß nichts geringeres als völlige Umwandlung nötig ist, um die Herrschaft der Harmonie herbeizuführen. Nun ist aber Harmonie das Hauptelement in dem menschlichen Begriff vom idealen, vollkommenen Sein, Himmel genannt. Jesus sagte: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Hieraus geht deutlich hervor, daß wir völlige Harmonie nur in dem Maße erlangen können, wie unser Bewußtsein von Irrtums- und Leidensvorstellungen jeglicher Art befreit wird, wodurch wir dann die Herrschaft und Führung des göttlichen Prinzips demonstrieren.

Der große Irrtum der Jahrhunderte war der, daß man Glück und bessere Zustände durch den Fortschritt auf materiellen oder menschlich-intellektuellen Gebieten zu finden suchte. Sind diese Bemühungen erfolgreich gewesen? Um eine Antwort zu erhalten, brauchen wir nur Weltgeschichte zu studieren. Wir finden da den Verfall der ägyptischen Dynastien, den Untergang des mächtigen Babylons, das Verschwinden einer Reihe geheimnisvoller Götter mit ihren Altären, auf die Paulus in seiner Rede auf dem Gerichtsplatz in Athen hinwies, sowie die Verdorbenheit und Demütigung des einstmals triumphierenden Roms. Führer, die sich von ihrem Verlangen nach Macht hinreißen ließen, gelangten zu Macht und wurden wieder gestürzt. Namen wie Cyrus, Cäsar, Alexander, Napoleon und andere glänzten eine Zeitlang, um dann wieder zu erlöschen.

Andererseits ruft ein Strahl geistigen Lichtes, der zur Erde dringt, eine solch belebende Kraft in dem menschlichen Bewußtsein wach, daß „das dürre Land“ fröhlich stehen und „blühen“ wird „wie die Lilien. ... Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen; und wo es dürr gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.“ Einzelne Charaktere, durch die das Licht offenbart worden ist, haben alle Menschen in allen Zeiten zum Guten beeinflußt und ermutigt. Das menschliche Bewußtsein ist dem wahren Ursprung des Seins näher gebracht worden durch Gestalten wie Abraham, den Vater der Gläubigen, von dem Jakob abstammte, das Haupt der großen israelitischen Familie, die wiederum Moses hervorbrachte, den Verfasser der zehn Gebote, der Grundlage aller Gesetze der Zivilisation. Auf Moses folgten die Propheten und schließlich Jesus, der Gesalbte, der Auserwählte des Vaters, der Gründer des Christentums, das die Welt umwandeln sollte. Diese und viele andere, die in ihrer Demut mächtig waren, haben die Welt mehr erleuchtet und ihr zu einer höheren Stufe der Gerechtigkeit und Reinheit verholfen.

Die Männer dieser Art zeichneten sich von allen anderen dadurch aus, daß sie ihrer wahren Überzeugung das eigene Ich und den Eigennutz opferten. Solches zeigt sich deutlich in dem mentalen Erwachen, welches Abraham von der Familie seines Vaters trennte, weil diese an viele Götter glaubte und sie verehrte, und welches ihn dazu antrieb, den allein lebendigen und wahren Gott zu suchen. Gesellschaftliche Beziehungen, die gute Meinung der Freunde, selbst Familienbande wurden als nichts geachtet, selbstsüchtiges Streben und Genußsucht wurden geopfert, damit das Prinzip zur Geltung komme und Gerechtigkeit in der Welt gefördert werde. Andererseits ließen sich diejenigen, die durch sozialen und politischen Einfluß die Führerschaft unter ihren Mitmenschen zu erlangen suchten, von persönlichen und selbstsüchtigen Beweggründen leiten. Ehrgeiz, menschlicher Stolz, und weltlicher Ruhm waren die vorherrschenden Einflüsse. Diese Übel sind stets von dem Verlangen nach Ruhm und nach sinnlichem Genuß begleitet, was dann zu Unterdrückung und Grausamkeit führt und Aufruhr, Vernichtung, Erbitterung und Haß zur Folge hat.

Die Geschichte der Menschheit ist ein fortlaufender Bericht von den vergeblichen Bemühungen der Menschen, eine herrschende Macht einzuführen. An Stelle der Monarchie trat die Kirchenherrschaft, die wiederum der Oligarchie wich, worauf eine Art Demokratie folgte; aber alle ließen es an etwas fehlen. Regeln wurden aufgestellt, Gesetze wurden erlassen, Strafen für die Übertretung derselben wurden festgesetzt — und dennoch herrschen Unruhe und Unzufriedenheit. Dennoch findet man Menschen, die gewisse soziale Veränderungen, sogar Revolutionen als die Mittel anpreisen, durch die das ersehnte Ziel zu erreichen sei, und sie arbeiten auf den Umsturz der bestehenden Regierungsformen hin. Der radikale Reformer, der Anarchist und der Bolschivist verwünschen die herrschende Klasse und möchten alle Macht in die Hände der ungebildeten Massen legen. Aber ihr Geschrei ist nur von Selbstsucht veranlaßt. Sie sagen: „Unsere Rechte sind verletzt, unsere Interessen sind beeinträchtigt; daher müssen wir uns verteidigen, müssen andere stürzen und uns hochbringen.“ Wären die gegenwärtigen Verhältnisse umgekehrt, so würde dennoch Selbstsucht herrschen. Gerechtes Gericht und wahre Reform werden nicht in solcher Sprache verkündet. Der Geist, der die Menschen zu Autokraten und Tyrannen machte, ist immer noch in der Welt. Die Unruhe, der Streit der jetzigen Zeit beruht größtenteils auf Selbstsucht. Wie wäre irgendein Klassenkampf möglich, wenn man selbstlos das Wohl des Nächsten im Auge behielte? Möchte doch derjenige, der über die ungleichen sozialen Zustände unzufrieden ist, seine eigenen Gedanken prüfen; er würde dann bald in demselben die Keime des Neides, der Eifersucht, der Mißgunst oder der Selbstsucht in der einen oder der anderen Form finden. Wenn derjenige, der so eifrig darauf bedacht ist, die Fehler anderer zu verbessern, ebenso bereit wäre, seine eigenen Fehler zu berichtigen, dann würde sich seine Aufregung darüber, daß ihm Unrecht geschehen sei, bald legen.

„Wo will man aber die Weisheit finden? und wo ist die Stätte des Verstandes?“ Hiob kannte die Unzulänglichkeit aller menschlichen Mittel und Wege, als er diese Frage stellte, und er gab mit folgenden Worten die Antwort: „Die Furcht des Herrn, das ist Weisheit; und meiden das Böse, das ist Verstand.“ Mit anderen Worten, man muß die Aufmerksamkeit von bloßen materiellen oder persönlichen Rücksichten ablenken und die Frage in ihrer Beziehung zum Prinzip betrachten. Man sollte nicht fragen: „Ist dies nützlich oder schädlich für mich?“ sondern: „Ist es recht oder unrecht?“ Also nicht: „Wünsche ich es mir so?“ sondern: „Gereicht es zum Wohle aller?“ Die Furcht des Herrn ist die im menschlichen Bewußtsein erwachende Anerkennung der Obergewalt des göttlichen Prinzips und seiner unendlichen, unumgänglichen Forderungen, durch die die Tatsache offenbart wird, daß das Böse, daß Selbstsucht und Ungerechtigkeit keinen Platz in der Gegenwart des Prinzips haben und daher abgelegt werden müssen. Hierin liegt das wissenschaftliche Heilmittel für alle verkehrten Zustände.

Was uns somit not tut, ist nicht nur physische und intellektuelle Besserung, nicht nur soziale und politische Reform, sondern geistiger Fortschritt. Nun ist aber die erste Bedingung zu geistigem Fortschritt Selbstlosigkeit. Die großen Reformer und Wohltäter der Menschheit waren Männer und Frauen, die in ihrem ernsten Bestreben, ihren Mitmenschen zu helfen, eigene Interessen außer acht ließen. Nachdem der große Lehrer das erste Gebot angeführt hatte, sagte er: „Das andere aber ist ihm gleich: ,Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.' “ Zum Führer im praktischen Leben gab er uns eine Anweisung, die man seitdem die goldene Lebensregel genannt hat: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ Mit anderen Worten: Seid unter allen Umständen darauf bedacht, die Interessen anderer ebenso zu wahren wie eure eigenen. Wir müssen mehr unser Verhalten anderen gegenüber beobachten als ihr Benehmen uns gegenüber. Geistiger Fortschritt bedingt Selbstprüfung und eigene Besserung.

Nur richtiges Denken ist wahres fortschrittliches Denken, und nur richtiges Denken führt Umwandlung herbei. Die Veränderung eines materiellen Zustandes in einen anderen bedeutet keineswegs Umwandlung. Bemühungen, ausschließlich mittels des menschlichen Gedankens Fortschritte zu machen, mögen scheinbar bessere Zustände herbeiführen und uns der geistigen Tatsache näher bringen; aber das Endresultat ist nur eine andere Art der Dunkelheit und Verwirrung. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 264): „Die Sterblichen müssen über die vergänglichen, endlichen Formen hinausblicken, wenn sie den wahren Sinn der Dinge gewinnen wollen. Wo anders kann der Blick ruhen als in dem unerforschlichen Reich des Gemüts? ... Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Leben Geist ist, nie in, noch von der Materie, so wird sich dieses Verständnis zur Selbstvollendung erweitern und alles in Gott, dem Guten, finden und keines andern Bewußtseins bedürfen.“

Das menschliche Gemüt gibt die Materialität, gibt sterbliche Theorien und Methoden nur sehr ungern auf. Man kann jedoch auf keine andere Weise wirklich Fortschritte machen. Es erfordert moralischen Mut, diesen Schritt zu tun, denn man stößt fortwährend auf Widerstand. Es war die Richtung, die Abraham einschlug, als er seines Vaters Haus verließ, um die „Stadt“ zu suchen, „die einen Grund hat, deren Baumeiste und Schöpfer Gott ist.“ Moses mußte die Kinder Israel aus Ägypten in einen ganz anderen Gedankenzustand führen. Jesus vertrat einen Standpunkt, der von den althergebrachten und populären Lehren seiner Zeit gänzlich verschieden, ja denselben direkt entgegengesetzt war. Ebenso war es bei seinen Jüngern und bei allen großen Reformern. Und so sehen wir denn auch, wie Mrs. Eddy in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bei der Entdeckung und Begründung der Christlichen Wissenschaft einen Standpunkt vertrat, der im Widerspruch stand zu den allgemeinen Anschauungen über Wissenschaft, Theologie und Medizin. Dem altgläubigen, konservativen Gemüt kamen ihre Behauptungen gefährlich, zuweilen lächerlich vor, und so ist es auch heute noch. Aber wie Moses und die Propheten, wie Jesus und seine treuen Jünger bewies sie ihren Glauben durch ihr Werk.

Mrs. Eddy wußte wohl, daß nach dem althergebrachten Verfahren nichts zu erreichen war — daß es keinen Zweck hatte, die vorherrschenden Meinungen durch Kompromisse mit dem, was sich bereits als zwecklos erwiesen hatte, reformieren zu wollen. So vertrat sie unverzagt ihren Standpunkt und stellte in der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ den Satz auf: „Es ist kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie. Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Auf dieser Grundlage beruhte für sie die Umgestaltung und Erlösung des ganzen Menschengeschlechts. Dies verursachte einen Aufruhr in der ganzen Welt, der zugenommen hat und umfassender und offenkundiger geworden ist, bis schließlich der Glaube der Welt an die Materie und an materielle Methoden anfängt ins Schwanken zu geraten, und der Mensch sich abermals frägt: „Wo will man ... die Weisheit finden?“ Nun ist aber dieser, durch das Versagen der bestehenden Methoden hervorgerufene wirre und ungewisse Zustand der menschlichen Gedanken sehr vielversprechend, denn er deutet an, daß die Menschen mehr bereit sind, ihre falschen Ideen aufzugeben und nach etwas Besserem zu streben.

Ohne Zweifel hatte Jesus etwas Ähnliches im Sinn, als er sagte: „Selig sind, die da Leid tragen,“— d. h. die da Leid tragen über den Verlust, das Versagen und die Unrichtigkeit der Materialität, denn dann sind die Menschen bereit, sich dem zuzuwenden, was wirklich und von Dauer ist, und sie werden „getröstet werden.“ Nachdem sich in unseren Tagen die Leidenschaften der Bosheit und des Hasses ausgetobt haben, werden die höheren Ideale der Gerechtigkeit und des Erbarmens zum Vorschein kommen. Das Gute triumphiert stets. Trauer verwandelt sich stets in Treue, nachdem der Mensch seine eigene Hilflosigkeit eingesehen und seine Zuflucht zu einer höheren Macht genommen hat. Aber nur wenn das geistige Element zum Vorschein kommt, können wir wahre Umwandlung erleben.

Es ist kein Grund zur Furcht oder Beunruhigung vorhanden, wenn die Elemente des sterblichen Gemüts aufgerührt sind und verborgene Sünden und falsche Zustände bloßgelegt werden, denn dies zeigt deutlich das Wirken der Wahrheit an. Die Wahrheit allein kann den Irrtum bloßlegen und zerstören. Sollten wir uns beunruhigen, wenn das menschliche Bewußtsein dank seines Fortschrittes mehr von dem Irrtum bloßlegt, der zerstört werden muß? Gewiß wird die Wahrheit, die den Irrtum bloßlegt, auch imstande sein, ihn zu zerstören. Kann die Wahrheit mehr Irrtum aufdecken als sie zu zerstören vermag? In dem Maße, wie die Menschen einen höheren Begriff vom Sein und eine klarer geistige Erkenntnis erlangen, werden die falschen Systeme des Irrtums verschwinden. Auf diese umwandelnde Macht der Wahrheit weist Mrs. Eddy auf Seite 492 von Wissenschaft und Gesundheit hin, wo sie sagt: „Das Sein ist Heiligkeit, Harmonie und Unsterblichkeit. Es ist bereits bewiesen, daß eine Kenntnis hiervon, selbst in geringem Grade, die physische und moralische Norm der Sterblichen heben, die Langlebigkeit steigern und den Charakter läutern und veredeln wird. So wird der Fortschritt schließlich allen Irrtum zerstören und Unsterblichkeit ans Licht bringen.“

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