„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ „Ihr werdet mich suchen und finden ... so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet.“ Ich habe beide Verheißungen an mir erfahren dürfen und darum möchte ich endlich mein Zeugnis zur Ehre Gottes abgeben und um die zu segnen, deren Augen, gleich mir nach Befreiung in die Christliche Wissenschaft ausschauten und trotz alledem das helle Licht nicht sehen.
Als ich die Christliche Wissenschaft beinahe zwei Jahre studiert hatte, wurde ich krank, und da die Krankheit sehr ernst zu sein schien bat ich um Hilfe. Ich arbeitete selbst sehr fleißig, und das Lehrbuch war mein beständiger Begleiter während der folgenden Monate, aber trotz alledem verschlimmerte sich mein Zustand. Nach Rücksprache mit einer Praktikerin, fragte ich einen Arzt um den Namen meiner Krankheit. Hätte ich dies doch nicht getan, wieviel Furcht und wieviel Leiden wären mir erspart geblieben; aber damals glaubte ich, daß dann die Heilung schneller eintreten würde wenn man den Irrtum benennen könnte. Dieses Wissen war für mich eine Quelle der Furcht und Qual geworden. Ich war zuckerkrank und da mein Zustand als unheilbar angesehen wurde, steigerten sich meine Furcht und mein Leiden ins Unermeßliche. Das Leiden verschlimmerte sich und ich lag mehrere Monate fest im Bett. Während dieser Zeit wechselte ich die Praktiker verschiedene Male, wurde aber schließlich durch die aufopfernde, selbstlose Arbeit eines Christlichen Wissenschafters so weit hergestellt, daß ich das Bett verlassen und meine häuslichen und beruflichen Pflichten wieder aufnehmen konnte.
Nun kamen die „sieben dürren Jahre“ die für mein geistiges Wachstum so außerordentlich wichtig waren und darum ist mir eine jede Erfahrung lieb und wert. Ich litt während dieser sieben Jahre physisch sehr, kaum ein Organ meines Körpers funktionierte richtig, aber trotz großer Schmerzen, Schwäche und Herzbeschwerden habe ich meinen Beruf nicht eine Stunde versäumt. Ich mußte allerdings oft telephonisch um Hilfe bitten weil es manchmal schien als ob die physischen Sinne den Sieg behalten und mich wieder zur Untätigkeit verdammen wollten, doch die stets gegenwärtige Liebe half jedes Mal. Die dauernden Furchtgedanken waren meine größten Peiniger, die Symptome vermehrten und verschlimmerten sich dadurch und ich war während den sieben Jahren gezwungen, die Hilfe von verschiedenen Praktikern in Anspruch zu nehmen. Dadurch kam zeitweise eine große Entmutigung über mich und der Versucher flüsterte mir oft zu: „Dein Leiden ist auch für die Christliche Wissenschaft unheilbar.“ Mrs. Eddy lehrt, daß Liebe heilt. Darum bemühte ich mich täglich mehr von der göttlichen Liebe zum Ausdruck zu bringen, und ich kann wohl sagen, daß das Liebe geben und anderen helfen mein Schutz war in meinen dunkelsten Stunden und mir immer wieder neuen Mut einflößte. Durch die Christliche Wissenschaft wurde ich während diesen Leidensjahren von vielen Charakterfehlern frei. Selbstverdammnis, Stolz, Eifersucht, Groll, Haß, Empfindlichkeit machten nach und nach der Wahrheit und Liebe Platz, aber der physische Zustand wurde dauernd schlimmer. In unserem Lehrbuch zitiert Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 96): „Die dunkelste Stunde geht der Morgendämmerung voraus,“ so war es auch bei mir. Als mir die materiellen Sinne sagen wollten: „Deine Stunden sind gezählt“ war die Erlösung schon da.
Ich las den Mai Herold 1916 wieder und meine Augen blieben auf dem Artikel „Praktiker und Patient“ haften, und ich las und las immer wieder folgende Stelle: „Der Patient muß das Vertrauen haben, daß der richtige Praktiker zur Hand ist. Es gibt keinen Fall, der nicht durch den Beistand eines Praktikers geheilt werden könnte, und dieser Praktiker ist zu finden.“ Diese Worte waren Balsam für meine wunden, entmutigten Sinne, und neue Hoffnung belebte mich. Der Gedanke, daß der Vater von Christus Jesus auch mein Vater ist, verließ mich kaum noch. Etwa sechs Wochen danach wurde ich zu einer mir bis dahin unbekannten Praktikerin geführt und nach der ersten Behandlung verließ mich die schreckliche Furcht. Sie verließ mich so plötzlich, daß ich zuerst immer noch erwartete, daß sie sich doch irgendwie wieder zeigen würde, aber Gott sei Dank, die alten Zustände kehrten nicht wieder. Die Wahrheit folgender Worte war bewiesen worden: „Wenn der Wissenschafter seinen Patienten durch die göttliche Liebe erreicht, wird das Heilungswerk in einem Besuch vollbracht werden, und die Krankheit wird wie der Tau vor der Morgensonne in ihr natürliches Nichts vergehen“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 365). Ich erkannte, daß Gott mein Leben ist und daß Leben, Gott, nicht von organischer Funktion oder Tätigkeit abhängt. Von dieser Stunde an ging es aufwärts, aber trotzdem wagte ich noch nicht alles zu essen. Ich besprach dies vier Wochen später mit der Praktikerin und wurde auch von dieser Annahme in einer Behandlung befreit. Es wurde mir klar, daß Nahrung Leben, Gott, weder beeinflussen noch zerstören kann. Von dieser Stunde an habe ich alles gegessen und habe trotz sehr knapper Kriegskost sehr viel an Gewicht zugenommen.
Sechs Wochen nach meiner wunderbaren Heilung bekam ich einen sehr schweren Rückfall, alle Symptome traten in verdoppeltem Maße ganz plötzlich wieder auf. Aber ich war frei von Furcht und so hatte diese Versuchung keine Macht. Durch die treue und liebevolle Hilfe, die ich sofort erbeten hatte, war ich nach drei Tagen wieder vollkommen hergestellt, und bin seitdem völlig frei. Seit meiner Heilung sind nun beinahe drei Jahre verflossen. Das Wandern im finstern Tal war für den materiellen Sinn sehr schwer und mühselig, aber das göttliche Leben und die göttliche Liebe erleuchteten die Dunkelheit und ließen mich den Aufstieg finden, wie er herrlicher nie gedacht werden könnte. Er führte mich zu den göttlichen Höhen, zu den Höhen wo eine große Ruhe vorhanden ist dem Volke Gottes, wo „das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“
Berlin, Friedenau, Deutschland.
