Die Christliche Wissenschaft öffnet die Tür, durch welche die Menschheit den irdischen Daseinsbegriff verlassen und in das Reich des reinen Denkens, in das Himmelreich eintreten kann. Wenn der Schüler den Weg aus diesen falschen Annahmen heraus gefunden hat, sieht er den erleuchteten Pfad, und die Erkenntnis erwacht in ihm, daß ihn die Stimme der Wahrheit dorthin gezogen hat. Das natürliche Verlangen der Menschen, harmonisch zu leben und sich der Harmonie zu erfreuen, wird durch die Anziehungskraft des Geistes geklärt, und durch den Gehorsam gegen diesen Ruf wird es über den Nebel des Konfliktes emporgehoben und findet ein klareres, friedlicheres Bewußtsein.
Eine der ersten Lehren, die ein Schüler der Christlichen Wissenschaft erhält, ist die, daß er zwischen dem Wahren und dem Falschen unterscheiden lernen muß — zwischen dem, was wirklich oder rein geistig und dem, was unwirklich und materiell ist. In dem Maße also, wie er in seinem Denken die absoluten Tatsachen des Gemüts von den Begriffen des beschränkten Sinnes zu trennen vermag, eignet er sich das Wesen der Offenbarung des wissenschaftlichen Christentums an, wie es in den inspirierten Schriften Mrs. Eddys dargelegt wird.
Die anerzogenen Annahmen des Menschengeschlects begünstigen eine negative Denkart, die dann Mißerfolg herbeiführt, währenddem wahres Denken stets affirmativ, konstruktiv und progressiv ist. Nach menschlicher Auffassung scheinen wir uns zwischen zwei durchaus verschiedenen Standpunkten zu befinden, einem guten und einem bösen. Auf der einen Seite erkennen wir Gott als das eine schöpferische Gemüt, und das Weltall des Geistes entfaltet sich in ordnungsmäßiger und harmonischer Vollkommenheit. Da Gott rein ist und das Böse nicht sehen kann, so folgt daraus, daß Er den Menschen als durchaus vollkommen, schön und christusgleich kennt. Er kann ihn nur als Seine Wiederspiegelung oder Sein Bild und Gleichnis sehen. Auf der anderen Seite sieht das sterbliche Gemüt seine eigenen Begriffe, nennt sich einen Schöpfer und sucht seine sogenannte Schöpfung zu erklären und zu beherrschen. Diese scheinbare Zweiheit, diese vermeintlichen Gegensätze machen eine menschliche Erlösung nötig. Die falsche Art des Denkens muß durch die wahre ersetzt, die Gedanken müssen durch geistige Ideen geläutert und erleuchtet werden. Da dies zum Wachstum unerläßlich ist, so muß man eine Grundregel haben, um des Erfolgs und der Freiheit gewiß zu sein.
Erlösung ist ein individuelles Problem; es ist das allmähliche Erwachen zu der Erkenntnis der Allheit des Guten. Sie wird dadurch bewirkt, daß man aufhört zu glauben, es gebe böse Einflüsse, die Kummer, Unglück, Krankheit, Sünde und Tod herbeiführen. In dem Grade, in dem der Schüler die Wahrheit über Gott assimiliert und sie im täglichen Leben zum Ausdruck bringt, erlangt er die Fähigkeit, die falschen Annahmen der Materialität zu überwinden, und je mehr die wahre, stets zugängliche und in ihrem wohltuenden Einfluß stets unparteiische Erkenntnis sich ihm entfaltet, desto mehr wird er eine innere Zufriedenheit verspüren.
Auf keiner anderen Grundlage als auf der geistigen kann etwas Wohltuendes und Dauerndes erlangt werden. Das, was uns als das Ergebnis einer Demonstration, als Lohn für geistiges Streben zuteil wird, ist von oben; und da die Welt diese Segnungen nicht geben kann, so kann sie sie auch nicht nehmen. Je stärker unser Verlangen nach Vollkommenheit ist, desto mehr sind wir vom Prinzip abhängig. Der Gehorsam gegen Gottes Gesetz und Ordnung sichert uns Schutz, Fortschritt und Erfolg. Wenn man nur guten Gedanken Einlaß gewährt, gute Werke tut und ein reines Leben führt, so hat man die Stufen gefunden, die himmelwärts führen. Was auch immer die Umgebung, die Umstände oder die Bedürfnisse sein mögen, wir müssen einsehen lernen, daß rechtes Denken die einzige Bahn ist, auf der wir die Substanz des Guten erreichen können. Wenn wir im Gehorsam gegen die Wahrheit leben, ist es einerlei, welcher Art unsere Arbeit ist, denn Gott bemißt die Größe unserer Arbeit nach der Liebe, mit der wir sie verrichten. Keine Idee im Gemüt ist entbehrlich. Und sind wir gehorsam, „vergilt“ dann Gott nicht „dem Menschen nach seinem Werk“?
In der Bergpredigt hebt Jesus hervor, wie notwendig es ist, einfältigen Sinnes zu sein und die Gedanken auf geistige Dinge gerichtet zu halten. Seine Worte lauten: „Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; ist aber dein Auge ein Schalk, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!“ Es ist als ob er gesagt hätte: Ein einfältiges [n. d. engl. Bibelübersetzung „einfaches“] Auge zu haben bedeutet, daß man nach geistigen Dingen trachtet und beständig darüber nachdenkt, wie man den Willen des Vaters im Himmel erfüllen kann, um Ihn zu verherrlichen. Wenn du dem falschen Begriff von den Dingen beistimmst, wird dies dein Bewußtsein verdunkeln und das Licht des Christus trüben. Der Weg ist dir gezeigt worden, die Wahrheit und Liebe hat ihn erleuchtet. Wenn wir gerade aussehen, werden wir sicher weiterschreiten. Nur wer zurückschaut bemerkt die Schatten. Er sieht die Gespenster der Furcht, des Zweifels und der Entmutigung, die ihn dann traurig und unglücklich machen.
Hat der Christliche Wissenschafter wirksame Erlösung gefunden, so weiß er, daß er für etwaigen Ungehorsam gegen die Forderungen des göttlichen Prinzips keine Entschuldigung hat. Mit Gedanken, die geläutert sind, und mit einem Siegeslied im Munde geht er ans Werk und ist täglich bemüht, auf dem Pfad zu wandeln, den der Meister mit folgenden Worten bezeichnete: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Er ist mit Demut, Glauben und selbstloser Liebe angetan. Sein Bewußtsein wird dann „in Wahrheit, Licht und Freude reflektiert“ (Poems, S. 23), und er ist allen, denen er helfen und die er segnen und heilen möchte, ein Engelsbote.