Die Welt ist in den letzten fünf Jahren Zeuge der gewaltigsten Umwälzung gewesen, die wohl je seit Beginn der Menschengeschichte stattgefunden hat. Äußerlich nahm diese Umwälzung die Form eines großen Krieges an, in welchem alle Erfindungen der Ingenieurkunst, alle Mittel der modernen Naturwissenschaft in Anwendung kamen. Wer aber unter die Oberfläche schaut, muß erkennen, daß das Ringen dieser traurigen Jahre einen Kampf bedeutet zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen dem Guten und dem Bösen. Die vorhergehenden fünfzig Jahre waren so fein materialistisch gewesen wie nie zuvor in der Geschichte. Der Darwinismus hatte seine höchste Blüte erreicht. Er lehrte, die Materie mit ihren sogenannten geheimnisvollen Kräften umfasse alle Möglichkeiten der Rassenentwicklung — eine Lehre, die sehr dazu beitrug, uneigennützige Bestrebungen zu verdrängen. So wurde den Studien, die ihrem Wesen nach rein materialistisch sind, freie Hand gegeben, und die Entdeckungen während eines Zeitraums von mehr als fünfzig Jahren waren zum großen Teil das Ergebnis der Theorie, daß Materie wahre Substanz sei, daß sie gewaltige Kräfte besitze, welche von Gesetzen regiert würden, die bis jetzt noch nicht genau bestimmt, dennoch aber wirksam seien.
Während die moderne Naturwissenschaft in dieser Weise tätig war, trug sich etwas anderes in der Welt zu. Seit Jahrhunderten war das Christentum unrichtig verstanden und unrichtig ausgelegt worden. Die Begeisterung der ursprünglichen christlichen Kirche hatte mit dem Auftreten des Kaisers Konstantin nachgelassen, und die Kraft des geistigen Heilens, die in der Wirksamkeit Jesu Christi, des Gründers des Christentums, und in der seiner direkten Nachfolger so sehr hervortraten, war verloren gegangen. Formalismus, Ritualismus und Dogmentum waren an Stelle der Selbsttätigkeit geistiger Erkenntnis getreten, an Stelle der Anerkennung des Rechtes eines jeden Menschen, unmittelbar mit Gott zu verkehren. Kurzum, man hatte die einfache Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung verloren. Ein jeder weiß, was das für die Menschheit bedeutete. Das Christentum verlieh nicht den zu erwartenden Frieden und das erhoffte Glück, sondern die falsche Auffassung von dessen Lehren brachte das gerade Gegenteil über die Menschheit, nämlich Kummer, Krankheit und Tod. Das Böse mag während der letzten Jahrhunderte nicht so laut getobt haben wie in einigen der vorhergehenden Jahrhunderten; aber es nahm neue Formen an, und diese waren schlauer erdacht als früher, obgleich manche sie für harmlos hielten. Mit anderen Worten, die Materie war in höherem Grade denn je zuvor der Gott der Menschheit geworden.
Nun trug sich im Jahre 1866 etwas Wunderbares zu. In diesem Jahre entdeckte nämlich Mary Baker Eddy die Wissenschaft des Seins oder die Christliche Wissenschaft. Zu einer Zeit also, wo der Materialismus annähernd seinen Höhepunkt erreicht hatte, erhielt die Welt die absolute Wahrheit des Seins, d. h. die Wahrheit über Gott, das Prinzip alles geistigen Seins, und zwar in einer planmäßig geordneten Form, so daß jeder ernste Forscher leicht folgen und sie verstehen kann. Hätte doch die Welt erkannt, daß ihr eine Gabe dargeboten wurde, wie sie sie nicht mehr empfangen hatte, seit Christus Jesus die Menschheit mit seinen inspirierten Lehren und seinen unvergleichlichen Demonstrationen der Wahrheit gesegnet hatte! Was war geschehen? Die größte Offenbarung aller Zeiten über das Wesen Gottes und Seiner Schöpfung hatte stattgefunden, und eine entsprechende Erkenntnis des Wesens der sogenannten Materie oder des Bösen war das Ergebnis. Die Christliche Wissenschaft war erschienen, um die Welt durch die Offenbarung Gottes, des göttlichen Prinzips von ihrem Glauben an die Wirklichkeit und Macht der Materie oder des Bösen zu befreien.
Es lag auf der Hand, daß in der Folge ein bitterer Kampf unvermeidlich war und daß die Stürme der beiden entgegengesetzten Gedankenrichtungen die Menschen umtoben würden. Naturgemäß war dieser Kampf von Anfang an mental, und er wird auch fernerhin mental sein. Der Zusammenstoß auf den Schlachtfeldern Europas war wie der Schaum, der entsteht, nachdem zwei in ihren Eigenschaften entgegengesetzte Flüssigkeiten gemischt worden sind. Wohl mag der Krieg vorüber sein, soweit die Vernichtung von Armeen in Betracht kommt; aber im individuellen menschlichen Bewußtsein wird er so bitter wie je zuvor weitergeführt. Hierüber schrieb Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ vermöge ihres prophetischen Blicks (S. 96): „Der Zusammenbruch der materiellen Annahmen mag Hungersnot und Pestilenz, Not und Elend, Sünde, Krankheit und Tod zu sein scheinen, welche neue Phasen annehmen, bis ihre Nichtsheit zutage tritt.“
Je mehr man die Christliche Wissenschaft verstehen lernt, desto klarer erkennt man, was Mrs. Eddy mit diesen Worten meinte. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott, das göttliche Prinzip, das unendliche und vollkommene Gemüt ist. Weil Er unendlich ist, so hat Er kein Gegenteil. Die Christliche Wissenschaft folgert daher, daß das, was die Sterblichen Materie nennen, einen unwirklichen Begriff vom menschlichen Gemüt darstellt, und daß die Materie wegen ihrer Unwirklichkeit keine durch ein Gesetz wirkende Kraft ist. In ähnlicher Weise folgert die Christliche Wissenschaft, daß Gott, da Er vollkommen ist, nur durch das Gute offenbar wird, und daß somit das sogenannte Böse nichts weiter ist als die vermeintliche Abwesenheit des Bösen. Der Kampf im menschlichen Gemüt findet also ausschließlich zwischen der Wahrheit und dem Irrtum statt.
Je mehr der Mensch über geistige Wahrheit Aufklärung erlangt, desto mehr wird er von falschen Annahmen befreit; und diese Veränderung ist zuweilen von bedeutenden mentalen Störungen begleitet. Man bedenke, welche Wirkung die Wahrheit, die geistige Erkenntnis des göttlichen Prinzips, auf die Welt haben muß. Mrs. Eddy hat in den oben angeführten Worten kurz und bündig dargelegt, was sich möglicherweise ereignen werde. Der Gehorsam gegen das göttliche Prinzip, d.h. die Vergeistigung des Denkens und die Demonstration und Ausübung dessen, was man von der Wahrheit erfaßt hat, schützt jedoch vor Mangel, beugt der Entwicklung von ansteckenden Krankheiten vor, bewirkt Gesundheit, befreit von Sünde und erhöht die Lebensdauer.
Die Christliche Wissenschaft ist seit etwas mehr als fünfzig Jahren unter uns. Ihre Lehren haben sich über die ganze Erde verbreitet, und allenthalben, wo diese verstanden und betätigt worden sind, haben sie die Menschheit geheilt und gesegnet. Wir sind in eine neue Ära eingetreten. Diejenigen, die mit dem Werk der Christlichen Wissenschaft bekannt sind, haben ähnliche Gefühle wie der Verfasser des zweiundzwanzigsten Psalms sie gehabt haben muß, als er schrieb: „Es werden gedenken und sich zum Herrn bekehren aller Welt Enden und vor ihm anbeten alle Geschlechter der Heiden. Denn des Herrn ist das Reich, und er herrscht unter den Heiden.“ Man setze das Wort Prinzip für Herr, und man wird erkennen, wohin die Dinge in unseren Tagen neigen. Die Völker der Erde können ihrer unverkennbare Pflicht nicht länger ausweichen. Sie stehen dem offenbarten Prinzip und den Forderungen des Prinzips gegenüber; und diejenigen, die diesen Forderungen nicht nachkommen, werden als Völker zermalmt werden. Die Leidenszeit ist jedoch nicht umsonst gewesen. Sie ist es nie. Leiden ist ein wirksames Mittel zur Berichtigung von bösen Neigungen, Habsucht, Stolz und jeder anderen Art der Selbstsucht. Leiden weckt im Menschen die Erkenntnis der Armseligkeit aller materiellen Annahmen; sie hilft die Binde der Sinnlichkeit von den geblendeten Augen entfernen, so daß die Menschen Gott erkennen und das Gute verstehen und betätigen können.
Die Christliche Wissenschaft verkündet der Menschheit mit Donnerstimme die Wahrheit über das Prinzip, denn die Welt kann nur dadurch erlöst werden, daß sie Gott als Prinzip kennen lernt. „Auf falschen Grundlagen können wir nicht sicher bauen,“ schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 201). „Wahrheit schafft eine neue Kreatur, in der das Alte vergeht, und, alles neu worden‘ ist. Leidenschaften, Selbstsucht, falsche Begierden, Haß, Furcht, alle Sinnlichkeit weichen der Geistigkeit, und die Überfülle des Seins ist auf seiten Gottes, des Guten.“
Es gibt viele Menschen, die bis jetzt nur unklar verstehen, was auf der Erde vorgeht, weil sie eine nur geringe Erkenntnis des Prinzips haben. Das ändert jedoch durchaus nichts an der Tatsache, daß die Erkenntnis der Wahrheit oder des Prinzips das Aussehen der Welt in jeder Hinsicht umändert, und zwar mit großer Geschwindigkeit. Die Wahrheit erreicht den einzelnen in stets zunehmendem Verhältnis, und die Welt im ganzen wird in diesem Verhältnis gesegnet. Das Problem der Wiedergeburt ist vor allem das Problem des einzelnen. Die endliche und volle Erlösung wird dann stattgefunden haben, wenn der letzte menschliche Irrtum zerstört ist. Der einzelne muß sich ein höheres Maß der geistigen Gesinnung aneignen, muß sich über alles, was auf das Prinzip Bezug hat, mehr Klarheit verschaffen; und dies bedeutet das Verschwinden aller falschen materiellen Annahmen und die Erneuerung aller Dinge.
Die Christliche Wissenschaft ist die Wissenschaft dessen, was Jesus und seine ersten Nachfolger lehrten. Ihre Lehre ist dieselbe wie die seine und die ihre. Solches geht klar aus folgenden Worten des Apostels Paulus hervor: „Darum, ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!“ In dieser Unterweisung, die der Apostel der Urkirche in Korinth gab, wird die Tatsache hervorgehoben, daß nur der menschlich erkannte Christus oder die Wahrheit ihn befähigt hatte, sich von den Beschwerungen des Fleisches zu befreien und dadurch „eine neue Kreatur“ zu werden. Für Paulus war die Wiedergeburt ein metaphysischer Vorgang, den, wie er wohl wußte, ein jeder selber durchzumachen hat. Kein stellvertretendes Opfer kann diesen Vorgang ersetzen. Erlösung kann nur durch das geistige Erkennen des Christus, der Wahrheit, erlangt werden. Also nicht auf eine Annahme oder auf blinden Glauben kommt es an, sondern auf die Erkenntnis, die absolute Erkenntnis der Wahrheit.
Nichts ist dem Bibelforscher klarer als die Tatsache, daß die Propheten wie auch die Apostel die Erlösung für etwas ansahen, was ein jeder erlangen kann. Sie erkannten mehr oder weniger deutlich, daß die göttliche Liebe unbeschränkt und daher allen zugänglich ist; daß sie den allerverkommensten Sünder erreichen und ihn heilen, den allerkränksten Menschen wiederherstellen kann; daß sie uns die schwersten Lasten völlig abzunehmen vermag. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie das zu verwirklichen ist. Sie erklärt uns das Werk der Wiedergeburt, und diese Erklärung beruht auf der einfachen Wahrheit über Gott, der das göttliche Prinzip oder die Liebe ist. Wenn die Wahrheit, daß, Gott, das Prinzip oder das Leben, unendlich, Alles-in-allem ist — wenn diese Wahrheit angefangen hat, im menschlichen Bewußtsein aufzudämmern, dann beginnt man die Nichtsheit und die Machtlosigkeit des Bösen einzusehen. Die Welt verehrt das Böse dadurch, daß sie es übt. In dem Maße, wie sie die Wahrheit über das göttliche Prinzip oder das Gute erkennt und diese Erkenntnis durch Gutestun in die Tat umsetzt, wird sie Heilung und Trost erlangen.
Im einundzwanzigsten Kapitel der Offenbarung heißt es: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde,“ und weiter unten im selben Kapitel lesen wir: „Und es wird nicht hineingehen irgend ein Gemeines und das da Greuel tut und Lüge, sondern die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes.“ Der Seher von Patmos las mit geistigem Auge die Zukunft der Menschheit, und er sah das, was gewiß geschehen sollte. Er schaute das Kommen des neuen Himmels und der neuen Erde, und in diesen konnte er keine Spur vom Bösen sehen, denn der materielle Sinn war dem geistigen Sinn gänzlich gewichen. Wie oft sind doch diese Worte des Johannes von den Sterblichen mit Zweifel und Besorgnis gelesen worden! Sie haben sie immer und immer wieder erwogen, oft wehmutsvoll, weil sie glaubten, dieselben hätten auf ein Dasein nach dem Tode Bezug. Das Christentum jedoch, wie die Christliche Wissenschaft es erklärt, ist kein Religionssystem, das den Zweck hat, die Menschen auf einen in unbestimmter Zukunft erreichbaren Himmel vorzubereiten. Ihre Lehren sind schon jetzt von praktischem Wert und können schon jetzt allen Bedürfnissen der Menschheit abhelfen. Die Menschen haben es jetzt nötig, von Krankheit und Sünde geheilt zu werden, und die Erkenntnis des Prinzips führt sie in den Himmel ein. Dadurch, daß das Christentum den Himmel auf die Erde bringt, erfüllt es seinen wahren Zweck.
Wenn man heute die Welt frange würde, was sie sich am meisten wünsche, so würden gewiß ihre besten Bewohner antworten, sie sehnten sich nach dem Erscheinen des Himmels auf Erden, nach der Herrschaft der Harmonie und des Friedens unter den Völkern. Vielleicht würde sogar die Mehrheit diesen Wunsch ausdrücken. Wie kann dieses Sehnen befriedigt werden? So viel ist gewiß, daß die allgemeine Harmonie und der allgemeine Friede nicht auf Erden gegründet werden kann, solange die Menschen an die Wirklichkeit des Bösen glauben, weil sie die Tatsache nicht erfaßt haben, daß das göttliche Prinzip das unendliche Gute ist. Harmonie, Friede und Eintracht unter den Völkern hängt von geistiger Erkenntnis ab. Um dieser Segnungen teilhaftig zu werden, muß die Allgemeinheit eine klare Erkenntnis vom Prinzip erlangen. Auf keine andere Weise wird alles „neu“ werden. Eine Völkerliga kann nur dann ein unverbrüchlicher Bund werden, wenn die Völker in dieser Liga das verstehen. Und bedeutet das nicht, daß sich die einzelnen Menschen innerhalb dieser Nationen die Aufgabe stellen müssen, das Prinzip besser erkennen zu lernen, und demselben zu gehorchen? Fortschritt muß stattfinden. Das göttliche Gesetz macht das unvermeidlich. Die Zeit wird ganz gewiß kommen, wo alle Menschen das göttliche Prinzip als den, der da „herrscht unter den Heiden,“ erkennen und ihm gehorchen werden. Dann werden Mrs. Eddys prophetische Worte in Erfüllung gehen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 96): „Liebe wird schließlich die Stunde der Harmonie bezeichnen, und Vergeistigung wird folgen, denn Liebe ist Geist.“