Als der reiche Jüngling zu Jesus kam und ihn fragte, was er tun solle, um das ewige Leben zu ererben, sagte Jesus: „Halte die Gebote.“ Aus seiner Antwort, daß er das von Jugend auf getan habe, erkannte Jesus, vermöge seines Scharfblicks, sofort den schwachen Punkt in des Jünglings Denkweise, nämlich seine Liebe zum Reichtum. Als ihm Jesus sagte, er müsse diesen aufgeben, ging der Jüngling „betrübt von ihm; denn er hatte viele Güter.“ Er mag eingewandt haben, Jesus verlange zu viel von ihm. Er mag noch weiter gegangen sein und gefragt haben, warum denn sein materieller Überfluß beseitigt werden solle, da doch Mangel keine Eigenschaft des unendlichen Guten sei. Was auch immer die Einwände der Selbstsucht, der Rechtfertigung, der Eigenliebe sein mögen, sie können die Tatsache nicht ändern, daß die Wahrheit von ihrer Verwirklichung ausgeschlossen ist, solange irgendein spezieller Irrtum vorherrscht.
Wenn sich die Heilung zu verzögern scheint, ist es vielleicht deshalb, weil der Suchende unbewußt an einer Lieblingsphase des sterblichen Gemütes festhält, oder er mag sogar geltend machen, er habe das Recht, die Befreiung davon abzulehnen, indem er sich überredet, er sei in der Wissenschaft des Geistes noch nicht weit genug vorgeschritten, um diese besondere Form der Materialität aufzugeben. Wer das Vergnügen an der Materie beizubehalten wünscht, und zugleich um Befreiung von Schmerzen und Disharmonie bittet, arbeitet auf eine Weise, die ihm Enttäuschung bringen wird. Es ist unmöglich, der Annahme Kraft zu geben, daß Vergnügen in Materie zu finden sei, ohne zugleich der Annahme von Schmerzen Kraft zu geben.
In dem Aufsatz: „The Way“ (Miscellaneous Writings, S. 355) wird uns sehr klar gezeigt, daß Selbsterkenntnis, Demut und Liebe notwendige Errungenschaften sind; und in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 571) finden wir die Ermahnung: „Erkenne dich selbst, und Gott wird dir Weisheit und Gelegenheit zu einem Sieg über das Böse geben.“ Selbsterkenntnis verlangt ein Verständnis vom Prinzip. Der Durchschnittsmensch hat seinen Gedanken den Zügel schießen lassen, ohne zu wissen, was sein Bewußtsein erfüllte, viel weniger, welcher Beweggrund das Tun und Denken beeinflußt. Ernste, wachsame, beharrliche Arbeit ist erforderlich, um zu dem Punkte zu gelangen, wo wir wirklich uns selbst und die Beweggründe erkennen, welche unsere Handlungen und Worte verursachen. Wir mögen in aller Aufrichtigkeit glauben, liebevoll zu handeln und anderen zu dienen, wo doch eine sorgfältige Prüfung zeigen würde, daß in den tieferen Schlupfwinkeln des Bewußtseins die hinterlistige Suggestion verborgen liegt, daß vielleicht ein Vorteil für uns selbst zu erlangen sei. Das Erforschen der wahren Beweggründe verlangt eine sehr sorgfältige Prüfung, weil der erste Beweggrund, welcher uns in den Sinn kommt, oft nicht der wirkliche ist.
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