Tradition ist von jeher einer der hartnäckigsten Hemmschuhe an den Rädern des Fortschrittes gewesen. Das menschliche Gemüt, leicht ermüdet von der Wahrheit, begrüßt freudig alles, was, während es von der Notwendigkeit das eigene Selbst zu verleugnen befreit, den Schein einer gewissen selbstgefälligen Versicherung, daß man sich mit heiligen Dingen beschäftige, bewahrt. Dieses Tun von gewissen bestimmten Taten, die Beobachtung von gewissen Redensarten, alle bieten einen bequemen Weg zur „Ansammlung von Kredit,“ der dem menschlichen Gemüt so unendlich viel angenehmer ist, als das tägliche und stündliche Bemühen das Prinzip zu verstehen, welches die Essenz der Lehren Jesu war, sowie der Propheten vor und nach ihm.
Doch ist jede große progressive Epoche in der Weltgeschichte durch ein Aufgeben von Tradition gekennzeichnet worden. Vom Auszug Abrahams von Ur in Chaldäa und von dem Wirken Jesu, bis zum Schreiben von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ von Mrs. Eddy, war der große Sammelpunkt immer die „Einflat in Christo.“ Vor zweitausend Jahren hat Jesus, der die Macht des Prinzips bewies, wie es vor ihm noch kein Mensch bewiesen hat erklärt, daß diese Macht wirkungslos gemacht worden war unter den Juden. Wieso? Durch die Traditionen. Die ganze Weise von Jesus Wirken war in der Tat gekennzeichnet durch beständige Zurückweisung von Tradition. „Das Himmelreich,“ so sagte er seinen Jüngern, „ist inwendig in euch.“ Diesem Manne, völlig frei von Tradition, waren alle Dinge untertan; wie auch, in gewissem Maße, seinen unmittelbaren Jüngern. Und doch, weniger als vierhundert Jahre nach der Auffahrt, waren traditionelle Überlieferungen wieder so fest eingewurzelt, daß das ganze Christentum einen einzigen Buchstaben in seinem Glaubensbekenntnis zur Ursache von Trennung, Haß und Blutvergießen machte.
So war es durch die ganze christliche Geschichte. Johannes Huß, Johannes Wycliffe, Martin Luther, Ridley und Latimer und Männer ihrer Zeit, John Wesley und viele andere verdankten ihre Macht dem Schimmer vom Prinzip, welcher sie befähigte, teilweise, mit Tradition zu brechen. Und wie mit Abraham, mit Moses, mit Jesus und allen, die ihnen nachfolgten, so war es in hervorragender Weise mit Mary Baker Eddy. Niemand, seit Jesu Zeit, hat so vollständig mit Tradition gebrochen wie die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft. Sie hat das ursprüngliche Christentum wieder eingesetzt, und sie hat es, ein für allemal, gegen Tradition gesichert für alle, die ihren Lehren nachfolgen, durch die Enthüllung der großen Tatsache, daß die Christliche Wissenschaft, oder die Wissenschaft Christi auf Demonstration beruht.
Mrs. Eddy fand es notwendig, allzeit auf der Hut zu sein gegen die Bemühungen des menschlichen Gemütes, in der einen oder anderen seiner tausenderlei Formen, Tradition zu nähren an der christlich-wissenschaftlichen Bewegung in bezug auf Personen, Orte, Redensarten, Festlichkeiten, Gebräuchen. Immerwährend drang sie darauf, daß man sich davon losmache und dagegen wache, die ganze Sache von Zeit zu Zeit in wundervollen Sätzen, wie der folgende, zusammenfassend: „Der Christliche Wissenschafter ist allein mit seinem eigenen Sein und mit der Wirklichkeit der Dinge“ (Message for 1901, S. 20). Ihr Tadel gegen bloße Tradition und deren Ausübung war streng und treffend, wie Stellen auf Seite 366 Linien 31 bis 11, oder Seite 460 Linien 16 bis 27 von Wissenschaft und Gesundheit beweisen. Denn niemand sah so klar wie Mrs. Eddy, wie leicht Tradition Eingang findet durch den Zehnten von „Minze, Dill und Kümmel,“ zum Beispiel in der Form trübseliger Argumente oder in einer peinlichen Sorgfalt wissenschaftlichen Redens. Was wir von Wahrheit verstehen, ist unsere einzige Verteidigung und was wir über Irrtum glauben unsere einzige Gefahr. Der bloße Gebrauch von Worten, getrennt von unserem Gedanken über dieselben, kann weder helfen noch schaden. In ihrem Artikel „Inconsistency“ (Veränderlichkeit) auf Seite 235 von „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany,“ schreibt Mrs. Eddy: „Die Wahrheit über Leben zu lehren, ohne das Wort Tod zu gebrauchen, das angenommene Gegenteil von Leben, ist ebenso unmöglich wie Wahrheit zu definieren ohne ihr Gegenteil, Irrtum, zu nennen. Während man Mücken seiht, geschieht es, daß man Kamele verschluckt.“