Christian Science lehrt, daß Dinge in der Welt des sterblichen Sinnes und die sogenannten Gesetze, welche das zu ihnen gehörende Phänomen regieren, nur das Ergebnis von Annahmen des sterblichen Gemütes sind, die Nachahmung geistiger Ideen und der unveränderlichen Gesetze durch welche göttliche Tätigkeit ausgedrückt ist. Einem der Jahre verbracht hat mit dem Studium und Unterrichten der sogenannten Naturwissenschaften, scheint die absolute Behauptung der Christian Science, daß es nur eine wahre Wissenschaft gibt, die des unendlichen Gemütes, fast eine Beleidigung zu sein. Gesetze der Anziehungskraft, der zunehmenden Geschwindigkeit fallender Schwerkörper, chemischer Rückwirkung et cetera, schienen absolut und unveränderlich zu sein und es wurde mit Bestimmtheit angenommen, daß sie göttlichen Ursprungs seien. Wenn man jedoch über die biblischen Erzählungen, von dem Eisen das auf dem Wasser schwamm, auf das Wort des inspirierten Propheten hin, und dem Wandeln Jesu auf den Wogen, sowie der augenblicklichen Landung des Schiffes in der ihm bestimmten Richtung, sorgfältig nachdenkt, findet man genügend Grund die Unfehlbarkeit der Regeln die Gewicht, Zeit und Raum scheinbar regieren, zu bezweifeln. Ferner war es offensichtlich, daß die Wirkung der scheinbaren Gesetze physischer Wissenschaft beständig in Verwesung, Auflösung, Vernichtung und physischer Disharmonie endigten und es schien unbegreiflich, daß ein allweiser Gott ein Universum, das von widersprechenden und unharmonischen Gesetzen regiert wird, geschaffen habe.
Doch wenn dieser Gesichtspunkt erreicht worden war, war der Weg noch gar nicht klar; denn obwohl auf jeder Seite Streit und Disharmonien eine Umkehrung des vollkommenen Gesetzes andeuteten, waren doch die genaueren Kundgebungen scheinbar unveränderlicher Gesetze, von den unwandelbaren Bewegungen der Planeten bis zum Wachstum mikroskopischer Kristallfiguren mit ihren bestimmten mathematischen Beziehungen, welche zu wunderbar erschienen, um einfach als falsch oder vergänglich beiseite geworfen zu werden. Durch sorgfältiges Studium der Bibel und „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ wurde allmählich der Begriff gewonnen, daß, obwohl man das vollkommene Gesetz Gottes in den Schönheiten und Wundern der Natur nicht sehen kann, man durch geistiges Verständnis wunderbare Glimmer von der Wiederspiegelung des geistigen Gesetzes erfassen mag, wo das unerleuchtete menschliche Gemüt nur blinde Kraft sieht, welche, wie ein Irrlicht, fortwährend hin und her schweift und den schärfsten Beobachtungen weltlicher Weisheit in ihren Forschungen nach Ursprung und Wirkung ausweicht. Mrs. Eddy drückt diesen Gedanken aus in Wissenschaft und Gesundheit (S. 240) wo sie sagt: „Die Natur verkündet das natürliche geistige Gesetz und die göttliche Liebe; die menschliche Annahme aber mißdeutet die Natur.“
Der nächste Schritt war das Verständnis, daß die sogenannten Gesetze der Gravitation, Acceleration, Kristallographie und Auflösung, und dergleichen mehr, auf derselben Stufe standen wie der sterbliche Mensch. Während der Sterbliche nie in einen Unsterblichen verwandelt werden kann, wissen wir doch, daß schließlich durch wachsendes, geistiges Verständnis das Unsterbliche und Wirkliche mehr und mehr sichtbar wird und das Sterbliche verschwindet, gerade wie der physische Körper von Jesus verschwand zur Zeit seiner endgültigen Erhöhung, die gewöhnlich als die Himmelfahrt bezeichnet wird. Schon mit einem geringen Grade von Verständnis können wir, in gewissem Maße, das Geistige und Ewige wahrnehmen, das sich in liebevollen Taten und Worten wiederspiegelt, und in Hoffnung, Freude und Freundlichkeit ausgedrückt wird und wir erkennen, daß solche erhabene Eigenschaften und Taten nicht dem Sterblichen angehören, sondern Ausdrücke des wirklichen, vollkommenen und ewigen Menschen sind, der den physischen Sinnen unsichtbar ist.
Dasselbe ist der Fall in den niedereren Formen der Natur. Das erleuchtete Verständnis kann in Pflanzen, Mineralien, in Wolken, Seen und Himmel, Wiederspiegelungen der wunderbaren Schöpfungen des Geistes sehen und gleichzeitig wissen, daß sie kein Teil von materiellen Gegenständen, sondern Ausdrücke geistiger Substanz sind, von welchen der materielle Gegenstand eine Nachahmung ist. Der Chemist sieht in einer Blume eine Mischung von Kohlenstoff, Hydrogen, Oxigen und gewisse andere Elemente; für den Botanisten besteht sie aus Wurzel, Stiel, Blatt, Blumenblatt, Kelch, et cetera, aber solchen, die sie wegen ihrer geistigen Bedeutung suchen, gibt sie Gedanken von Schönheit, Reinheit, Unschuld, Demut, entfaltendes Wachstum und wiederspiegelt auf diese Weise die ewigen Eigenschaften des unendlichen Gemütes; denn, wie Mrs. Eddy in dem kurzen doch verständlichen Satz auf Seite 240 von Wissenschaft und Gesundheit sagt: „Die Blumenapostel sind Schriftzeichen der Gottheit.“
Die Propheten und Weisen aller Zeitalter haben einige Schimmer der geistigen Bedeutung von Naturwundern erfaßt. David sagte: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk,“ und viel später drückte der Poet Tennyson denselben Gedanken aus in einem wunderschönen Gedicht, verbunden mit einem sehnsüchtigen, scheinbar hoffnungslosen Wunsch, die unterliegende Wahrheit zu erfassen:
Blume im Felsenriß,
Aus deinem Versteck pflück ich dich
Halt dich in meiner Hand, Wurzel und alles;
Versteh'n möcht ich kleine Blume dich,
Was du bist, Wurzel und alles,
Dann wüßt ich was Gott und Mensch ist.
Es überblieb jedoch Mary Baker Eddy die Tatsache kundzutun, daß die Gegenstände der physischen Sinne unwirklich sind, daß die einzige, wirkliche, beständige und vollkommene Schöpfung geistig ist; und diese Attribute der Natur, welche die Eigenschaften von Gottes geistiger Schöpfung wiederspiegeln, sind ewig, alles andere ist vergänglich und verwelkend. In Wissenschaft und Gesundheit (S. 123) schreibt sie: „Die göttliche Wissenschaft, die sich über die physischen Theorien erhebt, schließt die Materie aus, löst Dinge in Gedanken auf und ersetzt die Gegenstände des materiellen Sinnes durch geistige Ideen.“
So, durch allmähliche Entfaltung wird es jeden Tag klarer, daß die Wunder der Natur nur schwache Wiederspiegelungen des geistigen Universums sind, und in dem Maße in welchem die sogenannten Gesetze der Natur sich widerstreiten, oder Verwirrung, Vernichtung oder Verwesung verursachen, sind sie falsche und verdrehte Begriffe der Gesetze des Geistes, welche, in Anbetracht ihres vollkommenen Ursprungs, immer harmonisch sein müssen und nichts verursachen können als das Gute. Wenn es verstanden wird, daß sogar die wunderbarsten Gesetze, welche das materielle Universum zu regieren scheinen, nur arme, schwache Nachahmungen des Gesetzes des Geistes sind, wie groß und wunderbar muß dann das geistige Gesetz sein, und wie begeisternd ist es, zu wissen, daß, indem wir im Verständnis wachsen, sich uns die ewige Harmonie von Mensch und Natur mehr und mehr entfaltet!
Wie wertlos ist es, darum, Gott in der Materie oder in materiellen Gesetzen zu suchen! Wie genau und sorgfältig man die Nachahmung auch studieren mag, kann dadurch doch nie ein Verständnis des Wirklichen gewonnen werden. Das Verständnis, daß Gott Geist ist, daß Er Alles ist, daß Seine Schöpfung geistig und ewig ist, und daß wir keinen sogenannten materiellen Gesetzen, welche in Konflikt, Verwirrung, Krankheit, Sünde und Tod enden, Gehorsam schulden, vollbringt unendlich mehr für die Heilung, Läuterung und Vergeistigung der Menschheit, als alle sogenannten Naturwissenschaften, welche die Welt je gekannt hat.
Durch gewissenhaftes fleißiges Studium der wahren Wissenschaft, welche in der Bibel und in ihrer Auslegung wie sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gegeben wird, offenbart ist, wird Fortschritt gemacht. Doch kann der Fortschritt nicht groß sein, noch zu nennenswertem geistigem Verständnis führen, bis die Gesetze der Christian Science für die Probleme der täglichen Erfahrungen angewandt, und ihre Wirklichkeit und Wirksamkeit, durch tatsächliche Demonstration bewiesen werden. Wenn nach jahrelangen, fruchtlosen Bemühungen die zeitlichen Mittel der physischen Welt nutzlos gefunden werden und dann das geistige Gesetz angewandt wird,— sei es gegen physische Unfähigkeit, Sünde, Mangel oder irgendeine der tausenden von Disharmonien der menschlichen Erfahrung, und wenn dann die Annahme überwunden worden und wie ein Schatten vor dem Sonnenlicht verschwindet, dann erkennt der Schüler mit Freude, daß er endlich die eine und einzige Naturwissenschaft erfaßt hat, die Wissenschaft des unendlichen Prinzips und seiner Offenbarwerdung.
