Das sterbliche Gemüt neigte von jeher zu der Einbildung etwas erreicht zu haben, wenn es Erklärungen eine Zeitlang ausweichen kann. So hat wohl der Gelehrte, der vor alters der allgemein angenommenen Theorie, die Welt werde auf dem Rücken eines Elefanten getragen, voll Überzeugung die Behauptung beigefügt hat, daß der Elefant auf dem Rücken einer Schildkröte stehe, sich wahrscheinlich eingebildet viel zur Erklärung der Dinge mitgewirkt zu haben. In der Tat aber hat er natürlich gar nichts dazu beigetragen. Doch ist dies die Natur aller materiellen Erklärungen des Menschen und des Universums. Die Bazillentheorie wurde als eine große Förderung menschlichen Wissens begrüßt. Dessenungeachtet hat sie die Erklärung von Krankheit kein Iota gefördert. Die Bazillentheorie ist nur die Schildkröte. Denn die unvermeidliche Frage: Was ist die Ursache der Bazillen oder Mikroben, bleibt unbeantwortet.
Diese Neigung des menschlichen Gemütes mit einer Erklärung, das heißt, einem Punkte auf dem es angelangt ist, befriedigt zu sein, ist wesentlich; denn sie stellt den unvermeidlichen Widerstand dar den das sterbliche Gemüt gegen seine eigene Zerstörung macht. Es ist einer der großen Steine des Anstoßes auf dem Pfade des menschlichen Fortschrittes, und ist ganz und gar nicht abwesend vom Pfade des Schülers der Christian Science. Das menschliche Gemüt sucht immerwährend einen Ort wo es sich niederlassen kann. Als das Gegenteil des göttlichen Gemütes sucht es diesen Ruhestand, der einzig allein durch die ewige Tätigkeit des Geistes erreicht werden kann, in der Materie, und strebt beständig und eifrig nach der Kundgebung von Gesetzen, deren die Materie in Wirklichkeit unfähig ist. Sein großes Streben und Verlangen ist die Zukunft wahrzunehmen, um etwas zu haben, dessen Erreichung an und für sich erwünscht ist, und in der Zwischenzeit sucht es eine angenehme Lebensweise zu entwickeln.
Um sich auf irgendeinem Weg dieses Ziel zu sichern ändert das sterbliche Gemüt, wenn unter dem Druck der Wahrheit, beständig seinen Standpunkt. So gibt der Schüler der Christian Science, mit offensichtlicher Freude, eine grobe materielle Annahme auf, wenn aber diese Zurückweisung nicht von der Wachsamkeit begleitet wird, die von dem grundliegenden Verständnis, weshalb die Zurückweisung erfolgt ist und dem festen Vorsatz sie ganz auszurotten, ausgeht, werden sich dieselben materiellen Annahmen, in einer anderen Form, in Bälde wieder ganz festgesetzt haben. Sie sind nur die Schildkröte die an Stelle des Elefanten trat. Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 449): „Ein Körnlein der Christlichen Wissenschaft tut Wunder für die Sterblichen, so allmächtig ist Wahrheit; man muß sich aber mehr von der Christlichen Wissenschaft aneignen, um im Gutestun beharren zu können.“ Die Heilung an Leib und Gemüt, die so vielen zuteil wird, nach ihrem ersten Schimmer des göttlichen Prinzips durch die Christian Science, ist in der Tat ein Wunder, doch hört das Wunder auf, sobald der Schüler aufhört in dieser Richtung der Unwirklichkeit der Materie und der Allheit des Geistes, welche die Heilung bewirkte, treu vorwärts zu streben.
Das sterbliche Gemüt steht stets mit einer Ausflucht bereit um sich selbst zu retten. Es mag zugegeben werden, daß es keine Krankheit, kein Siechtum, kein Leiden in der Materie gibt; auch kann es selbstverständlich kein Vergnügen in der Materie geben. Und doch, behauptet es, werden Glück, Freude, Vergnügen, Erholung, Reichtum, Gesundheit, soziale Verbindungen, alle durch Materie ausgedrückt. Wenn dies einmal zugegeben wird, beginnt das sterbliche Gemüt sogleich den Aufbau einer neuen Erde. Der alte Glücksgott ist verworfen aber ein neuer Gott, die Verkörperung einer neuen Annahme, die sich unter dem Namen der Christian Science verhüllt, ist auf den Thron erhöht worden. An Stelle des Gebetes um materielle Besitztümer und materielle Freuden tritt jetzt die „Demonstration“ derselben. Die Berichtigung von Umständen „durch Demonstration“ um „Glück zu bringen,“ das Erlangen gewisser Ziele um Freude zu erzeugen; das Ausarbeiten gewisser Wege um Vergnügen zu genießen; das Aussetzen der Arbeit um sich Ferien zu sichern; das Aneignen von Reichtum um sich alle Dinge zu erwerben, das Erlangen von Gesundheit um sich der Gesundheit und sozialem Verkehr zu „erfreuen“ — all diese werden Ziele für sich und während sie als „Beweise“ der Christian Science erklärt werden, kennzeichnen sie Begrenzungen der Vision und des Aufwärtsstrebens. Doch ist das nicht die Christian Science.
Mrs. Eddy sagt auf Seite 192 von Wissenschaft und Gesundheit: „Wir sind nur dann Christliche Wissenschafter, wenn wir unser Vertrauen auf das Falsche aufgeben und das Wahre ergreifen. Ehe wir alles um Christi willen verlassen haben, sind wir keine Christlichen Wissenschafter.“ Und auf Seite 60 sagt sie wieder: „Seele hat unendliche Mittel, mit denen sie die Menschheit segnet, und das Glück würde schneller erlangt werden und sicherer in unserem Besitz bleiben, wenn wir es in der Seele suchen würden.“ Es muß aber in Seele gesucht werden. Bei diesem Suchen gibt es keinen Raum für Heuchelei, denn Prinzip kann nicht getäuscht werden. Wenn Glück in Seele gesucht wird, wird alles übrige dazu getan; wird aber alles übrige gesucht um sich das Glück zu sichern, dann ist die Tür dem Fortschritt verschlossen. Der Bann der Materie ist noch vollständig und ehe er sich dessen gewahr wird, wird der Schüler der Christian Science mehr als je in die materiellen Wege zurückgeworfen. Es ist zwar ein Haus mit neuen Fallen. Er hat seine Krankheit für Annahmen ausgetauscht; „meinen Arzt“ für „meinen Praktiker,“ und einen persönlichen Teufel für einen mentalen Malpraktiker. In Wirklichkeit aber hat er seine Wahrnehmung der Wahrheit verloren, und anstatt dem Prinzip, der Wirklichkeit aller Dinge, das allgegenwärtig und allmächtig ist, hat er etwas angenommen das einer Formel, vermittelst welcher er hofft, aller Arten von Bequemlichkeiten in der Materie zu erlangen, sehr ähnlich ist.
„Ehe wir alles um Christi willen verlassen haben, sind wir keine Christlichen Wissenschafter.“ In diesem großen Auszug ist kein Platz für halbe Maßregeln. Aber die Forderung des Prinzips schließt keine Frömmelei und kein trübsinniges Fasten in sich; denn seine Erfüllung muß stets von all den Segnungen, welche in dem Wort „befriedigen“ zusammengefaßt werden, begleitet sein. Um die Forderungen des Prinzips zu erfüllen kann man kein zeitweiliges Ausruhen erwarten, keinen Gewinn von Häusern, Ländern und materiellen Dingen, noch ein sich Niederlassen in einer angenehmen Gewohnheit, in dem was man bisweilen sogar „wissenschaftliches Arbeiten“ nennt. Denn nicht Ausruhen, sondern unendliches Vorwärtsgehen ist des Menschen Sein.
Darum muß der wirkliche Christian Scientist immer bereit sein, alte Grenzen für neue zu verlassen und zu erkennen, daß die neuen Grenzen von heute die alten von morgen sein werden. Materiell betrachtet, sind bessere Gesundheit und bessere Zustände der Rücken der Schildkröte. Geistig angesehen sind sie ein Vorschmack des Himmels, der, wie Mrs. Eddy zeigt, den sterblichen Menschen vorbereitet sich von der Erde loszulösen. Nicht bevor bessere Gesundheit und bessere Zustände geistig betrachtet werden, und nicht bis der Vorsatz Glück und alles was es bedeutet in Seele zu finden, gefaßt und ausgeführt wird, kann man ganz verstehen was Mrs. Eddy meint wenn sie auf Seite 28 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt: „Der feste Vorsatz, Geist im Bann der Materie zu halten, ist der Verfolger von Wahrheit und Liebe.“
