Dem gewissenhaften Bibelforscher macht die Vollständigkeit, mit welcher Jesus die Macht der Wahrheit bei der Zerstörung irriger und unharmonischer Zustände demonstrierte, stets einen tiefen Eindruck. Nichts weist darauf hin, daß Jesus je gezaudert hätte, das geistige Gesetz auf jeden falschen Zustand anzuwenden, dem er begegnete, sobald eine Demonstration notwendig schien. Als die Menge aus Interesse an seiner Lehre und an seinen Werken zu ihm kam, heilte er ihre Kranken. Als sie hungerte, speiste er sie. Als der Sturm das Leben seiner Jünger gefährdete, stillte er das Meer. Welcher Art die sich zeigende Disharmonie auch war, er zerstörte sie auf der Stelle und bewies dadurch, daß die Allmacht und Immer-Gegenwärtigkeit Gottes das unfehlbare Heilmittel für jeden falschen Zustand ist. Christus Jesus zauderte bekanntlich nie, gegen die scheinbare Herrschaft des Bösen energisch Stellung zu nehmen, mochte sich dieselbe nun in der Heuchelei der Pharisäer, in der Unehrlichkeit der Mitglieder des Sanhedrins oder in den Sünden der Zöllner geltend machen.
Ohne an dem Abweichen der christlichen Kirche von der vollen Demonstration der Lehren Jesus Kritik üben zu wollen, darf doch, ohne Anstoß zu erregen, gesagt werden, daß sich die Auffassung der Christenheit von der Anwendbarkeit des göttlichen Prinzips in Dingen des Alltagslebens allmählich verengert hatte, bis dann Mary Baker Eddy durch die Entdeckung der Christlichen Wissenschaft die Tore weit öffnete für die Wiederherstellung des ursprünglichen Christentums, jenes kräftigen und fruchtbaren Christentums, das die Wunden, die Versuchungen und die Sorgen der Menschheit heilt. Mrs. Eddy ließ zu Zeiten das helle Licht ihres geistigen Verständnisses auch auf die Probleme des Staates und des Landes scheinen und empfahl ihren Nachfolgern, dasselbe zu tun. „Betet für das Gedeihen unseres Landes,“ ermahnt sie ihre Nachfolger in einer Botschaft an Die Mutter-Kirche (Christian Science versus Pantheism, S. 14), und „für seinen Sieg im Krieg, daß Gerechtigkeit, Milde und Frieden unsere Regierung auch weiterhin kennzeichnen und alle Nationen regieren mögen.“
Kein Schüler der Christlichen Wissenschaft zweifelt an der Notwendigkeit, daß er sein Leben mit den vom Nazarener gelehrten und erläuterten und von unserer Führerin wiederholten und neu dargelegten Idealen in Einklang bringen muß. Und zwar gilt diese Notwendigkeit nicht nur für gewisse bequeme Fälle, wo das Befolgen leicht ist, sondern überall, wo man Menschen begegnet, die im Abenteuer des Lebens „unter die Räuber“ gefallen, muß man dem barmherzigen Samariter gleich handeln. Sollte diese Verpflichtung nicht auch bestehen in bezug auf unsere Aufgaben als Staatsbürger? Gehört die praktische Anwendung des geistigen Verständnisses auf Probleme, die moralische und ethische Fragen einschließen, nationale sowohl wie internationale, nicht auch zu den Pflichten eines guten Bürgers? Seine ganze Schuldigkeit tun — und wer wollte mit weniger zufrieden sein?— heißt für jeden Christen, sein geistiges Verständnis auf alle Probleme anwenden, denen er begegnet.
Daß die Frauen gleich den Männern nunmehr in hohem Maße im öffentlichen Leben mitwirken können — und zwar in lokalen wie in staatlichen Angelegenheiten —, ist als ein Zeichen der zunehmenden Freiheit und Gerechtigkeit und der Macht rechten Denkens begrüßt worden. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß größere Rechte auch größere Pflichten mit sich bringen, wozu die gewissenhafte Ausübung der durch einen erweiterten Begriff von Freiheit erlangten Vorrechte gehört. Diese Vorrechte können sicherlich nur dann in verständiger Weise ausgeübt werden, wenn man alle in Betracht kommenden Fragen sorgfältig prüft und sich von einem richtigen Beweggrund leiten läßt, nämlich von dem Wunsche, dem Guten zu dienen. Wie anders kann eine höhere Auffassung von Regierung im öffentlichen Leben zum Ausdruck gebracht werden als durch uneigennütziges und einsichtsvolles Verhalten aller guten Bürger? Sollten nicht alle von dienstbereitem und opferwilligem Christusgeist beseelten Christen ihr geistiges Verständnis unmittelbar auf die Ausübung ihrer Pflichten anwenden? Die Christlichen Wissenschafter besonders haben in der heutigen Zeit große Verpflichtungen. Der Umstand, daß ihnen die höchsten Ideale für die Führung des Lebens und der Weg zum Reich Gottes „wie im Himmel also auch auf Erden“ geoffenbart worden, verlangt von ihnen, daß sie auch den Forderungen dieser Offenbarung gemäß leben.
Das amerikanische Volk sieht sich heute vor eine Frage gestellt, die rasches und wohlüberlegtes Handeln erfordert. Die gemeinschaftlichen Anstrengungen der Spirituosenerzeuger des Landes — einer großen und scheinbar einflußreichen Gruppe —, die Bundesverfassung und die die Abstinenzsache fördernden Gesetze umzustoßen und zunichte zu machen, ist ein Angriff auf die Wahrheit und auf ihre Offenbarwerdung in einer fortschrittlichen Volksregierung, dem sich jeder Freund der Gerechtigkeit und Freiheit widersetzen sollte. Die Lage, die in der Zeitung The Christian Science Monitor täglich dargestellt wird, wäre ohne das Verständnis der Christlichen Wissenschaft, mit dem man dem Übel entgegenwirken kann, geradezu überwältigend. Wollen die Christlichen Wissenschafter und alle Nachfolger Christi Jesu mit gefalteten Händen zusehen und die Anstrengungen des Bösen stillschweigend dulden? Oder werden sie sich in der Stärke des geistigen Verständnisses erheben, um diesen alten Drachen lüsterner Begierde zu schlagen und ihn ein für allemal aus dem Lande zu werfen? Es bedeutet keine Beschränkung der persönlichen Freiheit — wie die Alkoholfreunde behaupten —, wenn man sich freudig einem Gesetz unterstellt, das dem Wohle der Allgemeinheit dient. Die Lehren und das Beispiel unserer Führerin tun die Notwendigkeit energischen Handelns dar. Der Ruf ist dringend; es handelt sich um die Aufrechterhaltung eines großen Fortschritts. Der Kampf hat begonnen. Jeder christliche Streiter nehme unerschrocken seinen Platz ein und erfülle seine Pflicht gegen Gott, indem er der Menschheit in dieser Stunde großer Bedrängnis hilft. Wann, wenn nicht gerade jetzt, können die Christlichen Wissenschafter das Verbrechen im Zaume halten?
Über die Stellungnahme unserer Führerin besteht kein Zweifel. Ihre Erklärung auf Seite 288 von „Miscellaneous Writings“ ist klar und bestimmt. Sie schreibt da: „Die Mäßigkeitsbestrebungen erhalten durch die Bewegung der Christlichen Wissenschaft einen starken Antrieb: Mäßigkeit und Wahrheit sind Verbündete, und ihre Sache gedeiht in dem Maße, wie der Geist der Liebe den Kampf beseelt.“ Und auf der folgenden Seite heißt es weiter: „Starke Getränke sind ohne Zweifel ein Übel, und ein Übel kann nicht mit Maß genossen werden: der geringste Gebrauch ist Mißbrauch; folglich ist die einzige Mäßigkeit vollständige Enthaltsamkeit.“ Diese unzweideutige, endgültige Erklärung läßt keinen Zweifel zu über die Stellung der Christlichen Wissenschafter zu den Anstrengungen, das gesetzlichen Verbot der Herstellung und des Verkaufs aller geistigen Getränke abzuschwächen oder aufzuheben.
