Die erste Auffassung des Neulings in der Christlichen Wissenschaft von ihren praktischen Möglichkeiten rührt von seiner Annahme der Voraussetzung her, daß Sünde, Krankheit und Tod die Ergebnisse furchtsamen, sündigen und unwissenden Denkens sind. Als Folge davon beginnt er, seine Gedanken zu bewachen und sie dem Christus-Gemüt unterzuordnen, wie es ihn das Lesen des Lehrbuchs, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy, mit seiner Auslegung der Bibel lehrt.
Das menschliche Bewußtsein begreift dies leicht. Es erkennt, daß, solange die göttliche Absicht nicht verdunkelt ist, und der Erforscher der Christlichen Wissenschaft seine Anstrengung dieser Absicht weiht, sein Fortschritt sicher und die Reinigung seines Denkens gewiß ist. Aber er kann nicht fortfahren, Säuglingskleider zu tragen. Jeder in der Richtung des Fortschritts unternommene Schritt bereitet auf einen höheren vor und verlangt beständiges Klären des Denkens sowohl über das, was beansprucht, das sogenannte sterbliche Gemüt mit seinem Traum-Dasein auszumachen als auch über das, was das göttliche Gemüt und seine ewigen Wirklichkeiten einschließt.
Solange die Materie in irgend einer Voraussetzung eingeschlossen ist, gibt es einen Fortschritt nur mit Hilfe der verbesserten Annahme. Um das Verständnis des göttlichen Gemüts zu erreichen, muß man zu dem Verständnis der Widerspiegelung des einen göttlichen Gemüts gelangen, das heißt, man muß tatsächlich die Gedanken denken, die Gott gibt. Das ist dasselbe, als ob man sagen würde, wir müßten anfangen, die unendliche göttliche Liebe zu verstehen, damit sie sich in unserem sündlosen Leben kundtut.
Während das menschliche Bemühen, sich durch das Denken guter Gedanken zu bessern, eine verstandesmäßige Anstrengung sein kann und ihre Vorgänge in der menschlichen Vernunft wurzeln, ist das geistige Denken in Wirklichkeit göttliches Gemüt, das seine Ideen durch das geistige Gesetz entfaltet. Dies kann durch die Sonne, als dem Mittelpunkt des Sonnensystems, bildlich dargestellt werden. Wie von der Sonne einzelne, selbständige Strahlen ausgehen, so kann man vom göttlichen Gemüt sagen, daß es seine Ideen aussendet, von denen jede einzelne ihre eigene intelligente Wesenheit zum Ausdruck bringt. Diese Ideen erkennen heißt göttliches Gemüt widerspiegeln und auf diese Weise der tatsächliche Vertreter von Leben, Wahrheit und Liebe sein. Solche Ideen sind auf ewig „in des Vaters Schoß” und können nie aus einer geringeren sogenannten Intelligenz hervorgehen. Sie können nicht von dem Eltern-Gemüt getrennt werden, da sie seine Ausstrahlung selbst sind; deshalb bleiben sie auf ewig vollkommen und rein. Dem menschlichen Sinn erscheint es oft schwierig, seine Gedanken in Berührung mit Wahrheit und Liebe zu halten. In der Tat kann man dies nur auf der Grundlage des geistigen Verständnisses von dem einen Gemüt und von dem Menschen, der Gottes Gedanken widerspiegelt, erfolgreich tun.
Die Anstrengung, sich gut zu machen, sogar in Übereinstimmung mit einem teilweisen Verständnis der Christlichen Wissenschaft, artet leicht in unabsichtliche Selbstgerechtigkeit aus. Wie sehr der Erforscher der Christlichen Wissenschaft versucht, sich besser zu machen, kommt ihm vielleicht sehr klar vor. Es nimmt seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und bildet den Maßstab für seinen ganzen Fortschrittsbegriff. Doch ein solches Bemühen geht nur von sich als Mittelpunkt aus. Unbewußt vergrößert es seine Anstrengungen in den eigenen Augen und setzt die Anstrengungen, die sein Bruder vielleicht macht, herunter. Folglich fühlt ein Christlicher Wissenschafter in dem Verhältnis, in dem seine Gebete erhört worden sind, daß seine Auffassung richtig gewesen ist. Aber da er nicht weiß, in welchem Umfang auch seines Bruders Gebete erhört worden sind, so ist er geneigt, die Demonstration seines Bruders falsch zu beurteilen und irrig zu schließen, daß er recht und sein Bruder unrecht hat. Seine Gebete um Licht und Führung sind zu seiner Befriedigung erhört worden; daher muß das Verfahren und die Demonstration seines Bruders falsch sein, weil sie von den seinigen abweichen! Das ist sein Gedankengang. Eine solch falsche Auffassung von dem, was wahres Denken ist, sollte unbedingt vermieden werden. Wer die Christliche Wissenschaft erforscht und erkennt, daß rechtem Denken ein geistiges Gesetz zugrunde liegt, das allumfassend ist und sich durch geistige Werke enthüllt und demonstriert, hat eine reiche Erfahrung gemacht. Auf diese Weise beginnt er, die Versuchung zu erkennen, das eigene Denken beständig zu bewachen, ohne seine Arbeit genügend auf die Tatsächlichkeit des geistigen Gesetzes zu gründen, das seine göttliche Absicht und Macht erfüllt.
Man hört zuweilen sagen: Mein Denken ist hetzt viel klarer, ich weiß, die Heilung wird folgen. Das ist insofern richtig, als es ein Zugeständnis zu dem Schritt-für-Schritt-Fortschritt von verbesserter Annahme sein kann; aber es neigt dazu, aufschiebend zu wirken und ist eher eine Politik „vorsichtigen Abwartens” und künftigen Erhoffens als das Ausschauen nach augenblicklicher Heilung, wie Jesus das christliche Heilen demonstrierte. Ein eingehendes Zergliedern ist geeignet, die Grundlage eines solchen Denkens aufzudecken und zeigt, daß es ein unbewußtes Warten ist, bis mehr erkannt wird. Vielleicht ist es auch ein Glaube an die Vorgänge des sogenannten menschlichen Gemüts, der Glaube, daß das sterbliche Gemüt den Körper in den Himmel hineindenken kann; wogegen die Annahmen des sterblichen Gemüts und ein materieller Körper in Wirklichkeit ein und dasselbe sind und beide als Grundlage des Denkens und der Betätigung aufgegeben werden müssen.
Geistiges Heilen heißt, daß Gott Sein Wort und Seine Verheißungen als wahr beweist. Es ist die Antwort von Gottes Macht und Gesetz auf das Gebet. Gott ist allmächtig, allgegenwärtig und all-liebend. Durch das geistige Gesetz behaupten sich diese Eigenschaften Gottes und treten durch das geistige Heilen in die Erscheinung. Das heißt, Gottes Gesetz ist stets wirksam, wenn die Menschheit sich rückhaltlos darauf verläßt, gerade weil es Gesetz ist und nicht anders als beständig wirksam sein kann. Unsere geliebte Führerin, Mary Baker Eddy, legte Zeugnis für diese Wahrheit ab, als sie in No and Yes (S. 17) schrieb: „Gott ist nicht ohne einen immer gegenwärtigen Zeugen, der von Ihm zeugt”.
Während man also seine Gedanken streng und sorgfältig bewachen und erziehen muß, darf man nicht dabei stehen bleiben oder träge und unbestimmt auf gute Gedanken warten, die unsern kranken Leib beeinflussen sollen. Kein Denken, das von einer materiellen Voraussetzung ausgeht, wird je gut genug sein, die göttliche Verzeihung zu erlangen. Auch würden wir auf dieser Grundlage nie Heilung verdienen, weil Gott uns nie als materiell gut kennen kann. Statt dessen müssen wir uns bemühen, die Gedanken zu denken, die Gott gibt. Ein Gedanke, der von Gott ist, ist der „eigene Same bei sich selbst”, der nun in Übereinstimmung mit der stets wiedererzeugenden Eigenschaft der Seele seine geistigen Heilungserscheinungen bekundet, gerade weil dieser Same dem ewigen Gesetz gemäß „nach seiner Art Frucht” hervorbringen muß.
Jesus erklärte: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich”; wir sollten daher die Erfahrungen einer schnellen und augenblicklichen Heilung als göttlich natürlich erwarten. Stets wenn wir uns von den Wegen und Voraussetzungen des sogenannten sterblichen Gemüts abwenden und das geistige Gesetz in unserem Denken walten lassen, folgen diese Werke als der Beweis vom Walten der Allmacht und Gegenwart Gottes. Sie sind Gottes eigener Beweis Seiner selbst, Seine Verheißungen erfüllend und Seine Allgegenwart aufrichtend.
Diese Wahrheit wurde einmal in der Erfahrung von jemand erläutert, der von der Arzneiheilkunde als unheilbar erklärt worden war. Wie Asa hatte er bei den Ärzten Hilfe gesucht; aber nachher wandte er sich an die Christliche Wissenschaft um Heilung. Er wurde jahrelang von Vertretern der Christliche Wissenschaft mehr oder weniger beständig behandelt, während er selbst fleißig forschte; er wurde aber nur getröstet,—nicht geheilt. Sein Denken erschien außergewöhnlich liebevoll und geheiligt, und zuerst kam es einem sonderbar vor, daß er keine Heilung erfahren hatte. Aber der Vertreter, den er zuletzt um Rat gefragt hatte, erkannte die Annahme, daß er sich durch eigenes Denken gut machen könnte, und als Antwort auf das Gebet um Licht und Führung fand er die Wahrheit, die sich durch diese Worte zum Ausdruck brachte: Höre auf, dich gut zu machen, und sei der Mensch, den Gott schon gut gemacht hat. So groß war die Tatkraft des göttlichen Gesetzes, die hinter dieser Erklärung stand, daß die wahre Auffassung von Gott in seinem Bewußtsein geboren wurde. Er sah, daß er versucht hatte, mit Hilfe von verbesserten Annahmen sich aus der Sterblichkeit herauszuarbeiten, und daß er gehofft hatte, schließlich Gott zu erreichen und einst genug von Geist zu verstehen, um seine geistige Heilung zu erlangen. Augenblicklich ließ er das falsche Verfahren fallen und lehnte die Annahme von unheilbarer Krankheit ab, weil er sah, daß sie kein Teil von ihm war. Dann fiel sie von ihm ab wie ein Gewand. Er hatte keine Behandlung mehr und brauchte keine mehr; denn er war geheilt. Es gab keine Verzögerung, keinen Vorgang einer allmählichen Besserung. Die Macht des geistigen Gesetzes konnte sein Bewußtsein erreichen und „es geschah” (engl. Bibel). Dies ist die Macht des wahren Denkens, das vom geistigen Gesetz gestützt und gestärkt wird.
Das geistige Gesetz ist ein zum Wesen jenes Gemüts, das in Christus Jesus war, gehörender Teil. Wir können daher ohne das geistige Gesetz die Gedanken, die Gott gibt, nicht denken. Es lenkt jede Handlung und richtet für immer die Tatsache auf: „Gesundheit ist nicht ein Zustand der Materie, sondern des Gemüts” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 120). Alle wahre Intelligenz ist im göttlichen Gemüt, das sich durch seine eigenen geistigen Eigenschaften kund tut. Wie dies demonstriert wird, lehrt uns die Christliche Wissenschaft. Ganz von aller Annahme in der Materie getrennt, besteht die Wahrheit auf ewig und gibt sich der Menschheit durch ihre Macht über das sogenannte sterbliche Gemüt oder die Materie und über alle sogenannten materiellen Erscheinungen kund, indem sie immer das Böse durch das Gute ersetzt. Solcher Art war das Denken und Demonstrieren Jesu. Er bewies, was Mrs. Eddy weiter auf Seite 120 schreibt: „Die Wissenschaft des Gemüts-Heilens zeigt, daß es nur dem Gemüt und nichts anderm möglich ist, den wirklichen Zustand des Menschen der Wahrheit gemäß zu bezeugen oder an den Tag zu legen. Daher kehrt das göttliche Prinzip der Wissenschaft das Zeugnis der physischen Sinne um und enthüllt, daß der Mensch in der Wahrheit, welche die einzige Basis der Gesundheit ist, harmonisch besteht; und so leugnet die Wissenschaft alle Krankheit, heilt die Kranken, stößt den falschen Augenschein um und widerlegt die materialistische Logik”.
