Die Christliche Wissenschaft erweckt die Welt zu der Erkenntnis des engen Zusammenhangs, der zwischen den Wörtern „geben” und „nehmen” besteht. Auf zahllose Arten beweist sie sowohl den Völkern als auch den Einzelpersonen, daß die Gedanken des Gebens dem Wunsch zu nehmen wie die Saat der Ernte vorausgehen sollten.
Ist es daher ein Wunder, daß die Christlichen Wissenschafter ein höheres, besseres und brauchbareres Verständnis der Worte unseres Meisters erlangen: „Geben ist seliger denn Nehmen”? Sie entdecken nicht nur, daß sie lernen müssen, großmütig, liebevoll und weise zu geben, wenn sie in derselben Weise empfangen wollen, sondern sie finden auch, daß sie, je mehr sie sich mit Gedanken des Gebens befassen, desto weniger um das Nehmen sich zu kümmern brauchen. Sie finden, daß Gott alles, was sie je brauchen, ihnen zukommen läßt, wenn sie alle Talente, die sie besitzen, den Mitmenschen selbstlos zugute kommen lassen. Sie lernen einsehen, daß es des Menschen Pflicht ist, zu geben, und daß durch Gottes Fürsorge diejenigen, die verständnisvoll geben, in Überfülle empfangen.
Viele Jahre lang hat der Verfasser dieser Betrachtung geglaubt, daß die Worte: „Geben ist seliger denn Nehmen”, die nach Paulus von Jesus stammen, sich nur auf Geld und materiellen Besitz beziehen. Er brachte diese Schriftstelle in seinem Denken fast immer mit der allgemein üblichen Auffassung von einem Menschenfreund in Zusammenhang,—einem Menschen, der denen gibt, die arm an Geld sind. Er sehnte sich oft nach der Zeit, wo sein Anteil an weltlichen Gütern es ihm erlauben würde, allen sogenannten Wohltätigkeitseinrichtungen und würdigen Personen, die sein menschliches Mitleidsgefühl erregten, großmütige Schenkungen zu machen.
Als er dann auf jene Jahre zurückblickte, wo er glaubte, der oben erwähnte Spruch beziehe sich nur auf das Geldgeben, erkannte er mit Staunen, was für ein beschränkter Begriff gerade von dieser Art des Gebens eine solche Auffassung der Worte unseres Meisters begleitete. Er sah ein, daß ihn der Gedanke des Nehmens so beherrscht hatte, daß er oft an günstigen Gelegenheiten, selbst wenn es sich darum handelte, nur kleine Beträge seines Einkommens für sehr würdige Sachen zu geben, blind vorüberging. Es war daher nicht zu verwundern, daß der weltliche Reichtum, der in jenen Jahren der Bemühung zu nehmen angesammelt wurde, fast ganz verloren ging, ehe es ernstlich unternommen wurde, ein Verständnis der Lehre vom Geben zu erlangen.
Es könnten viele Erfahrungen angeführt werden, um an ihnen zu zeigen, wie der Auffassung vom Geben, die nur durch die Christliche Wissenschaft entfaltet wird, Schritt für Schritt die empfangenen Belohnungen gefolgt sind. Neulich bot eine Erfahrung in einer großen amerikanischen Stadt, in der drei Zweig-Kirchen Christi, Wissenschafter, in einem Jahr eingeweiht wurden, sehr wertvolle Lehren im Geben und brachte allen, die bereit waren, sie zu empfangen, wahrhaft wunderbare Belohnungen. Das liebevolle Beispiel, mit dem die anderen Kirchen der Christlichen Wissenschaft in derselben Stadt vorangingen, indem sie unaufgefordert allen drei Kirchen in sehr großmütiger und ganz unparteiischer Weise ihre Unterstützung zuteil werden ließen, war nicht die geringste der vielen aus der Erfahrung gewonnenen wertvollen Lehren. Die Großmut dieser Handlung wird noch mehr geschätzt, wenn man weiß, daß mehrere der Zweig-Kirchen, die bei jenen Demonstrationen mithalfen, Geldbeträge beisteuerten, die für den Bau ihrer eigenen Kirchen anscheinend sehr nötig gewesen wären, und so ihren Schwester-Kirchen halfen, ihre mehr der Vollendung nahe gebrachte Demonstration zu machen.
Die Geschäftsversammlungen, die immer häufiger abgehalten wurden, je mehr sich der Baufonds dieser drei Kirchen der erforderlichen Summe näherte, boten Veranlassung zum Austausch von vielen interessanten und wertvollen Gedanken, die seither sowohl vielen einzelnen Kirchenmitgliedern als auch der ganzen Kirchenorganisation zu großem Segen gereichten. Auf diese Weise entdeckten viele Mitglieder bei ihren Bemühungen, das Argument der Beschränkung, das die Einweihung dieser Zweig-Kirchen verzögerte, zu überwinden, daß die Fesseln der Beschränkung, die ihre eigenen Angelegenheiten beeinträchtigt hatten, gelöst wurden.
In einer Geschäftsversammlung erklärte ein Mitglied, daß der zweimaligen Erhöhung seines wöchentlichen Kirchenbeitrags eine zweimalige Lohnaufbesserung durch die Gesellschaft, bei der er arbeitete, folgte. Wer kann daran zweifeln, daß die Erkenntnis Gottes als der wahren Quelle der ersten vermehrten Versorgung, wie sie auch in der zweiten Erhöhung seines Beitrags zum Ausdruck kam, der zweiten Lohnaufbesserung den Weg bahnte? Auf diese Weise bewahrheitete sich heute wie vor alters die Verheißung Jesu: „Gebt, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen”.
Gleichsam um jede Möglichkeit des Zweifels zu beseitigen, daß das göttliche Versorgungsgesetz stets wirksam ist, und daß man im geraden Verhältnis zu seinem wahren Geben empfängt, hatte derselbe Christliche Wissenschafter neulich eine dritte herrliche Erfahrung. Diesmal bot sich die Gelegenheit zu geben in etwas anderer Form dar, gleichsam als ob der Glaube des Wissenschafters an die neue und bessere Auffassung vom Geben, die aus seinen früheren Erfahrungen hervorgegangen war, geprüft werden sollte. Die Zweig-Kirche, von der er Mitglied war, hatte die Mitteilung ausgesandt, daß größere Beiträge zur Deckung eines Fehlbetrags in den jährlichen Ausgaben notwendig seien. Das sterbliche Gemüt meinte zuerst, diese Aufforderung zu vermehrtem Beisteuern sei sicher nicht für ihn bestimmt. Gab er nicht schon mehr als er je zuvor gegeben hatte? Und hatte er nicht regelmäßig die erhöhten Beiträge bezahlt? Sicher beruhte die Geldschwierigkeit der Kirche auf einer falschen Auffassung vom Geben seitens der anderen, redete er sich ein, und die Aufforderung, mehr beizusteuern, würde die Irrenden zu der Erfüllung ihrer Pflicht erwecken; das Problem würde dann gelöst sein. Doch eine zweite Mitteilung zeigte bald, daß das Problem nicht gelöst war. Dann wurde die List des Irrtums, der wenigstens dieses eine Mitglied als Werkzeug benützt hatte, aufgedeckt. Würde er sich geweigert haben, eine besondere Anstrengung zu machen, um einem Freund in schrecklicher leiblicher Not zu helfen, nur weil ein reichliches Maß von Arbeit, die für jenen Freund schon getan worden war, sich nicht als ausreichend erwiesen hatte? Nein, durchaus nicht! War nicht das Problem der Kirche auch sein Problem? Verdankte er nicht seine gegenwärtige Gesundheit, sein Glück und Gedeihen unmittelbar der Hilfe, die ihm durch die Christliche Wissenschaft und in großem Maße durch die Tätigkeiten gerade der Zweig-Kirche, die jetzt in besonderer Not zu sein schien, zuteil geworden war?
Es bestand kein Zweifel mehr darüber, wie er handeln mußte. Indem er daher seinen Beitrag wiederum erhöhte, zerstörte er, vielleicht unbewußt, gleichzeitig den Irrtum, die anderen Mitglieder wegen ihrer Nachlässigkeit zu tadeln. Wenn er, der so oft an sich selbst erfahren hatte, daß Gott „einen fröhlichen Geber” lieb hat, die Pflicht, einem besonderen Hilferuf zu folgen, versäumt hätte, konnten dann die anderen Kirchenmitglieder, besonders diejenigen, die vielleicht noch nicht so große Segnungen empfangen hatten, wegen ihrer Mitschuld daran, daß dieser besondere Aufruf notwendig wurde, getadelt werden?
Der Betrag, um den jenes Mitglied seinen wöchentlichen Beitrag zur Abhilfe der Not erhöhte, war im Verhältnis zu seinem Einkommen anscheinend zu hoch; aber bald folgte diesem Schritt ein größerer Segen, wenn überhaupt ein solcher möglich war, als in den beiden ersten Fällen. Vor Schluß des Kirchenjahrs fand eine ganz unerwartete und nicht beantragte Änderung des Lohnsystems in seinem Geschäft statt, durch die sein Einkommen so sehr erhöht wurde, daß der kürzlich erhöhte Kirchenbeitrag weiterbezahlt werden konnte, ohne den ursprünglichen Prozentsatz seines Gesamteinkommens, auf Grund dessen er seine früheren Beiträge berechnet hatte, zu überschreiten.
„Heißt dies aber nicht für die Zukunft vorausbestimmen”, könnte man fragen, „wenn man beschließt, der Kirche jede Woche oder jeden Monat einen gewissen Betrag zu geben? Begrenzt nicht gerade diese Entscheidung unsere Beiträge?” Regelmäßig geben begrenzt keineswegs die Möglichkeit, den gegebenen Betrag jederzeit zu erhöhen. Zweifellos sind diese Fragen zu dieser oder jener Zeit an jeden von uns schon herangetreten. Doch für diejenigen, deren Kirchenpflichten so waren, daß sie sie befähigt haben, die Ergebnisse eines großmütigen, planmäßigen Gebens sowohl hinsichtlich des Segens der Kirche als auch des einzelnen Spenders zu sehen, kann nicht im geringsten ein Zweifel über die Weisheit einer solchen Handlung bestehen. Unsere teure Führerin, deren Ansichten wir nie in Frage stellen würden, sagt in Retrospection and Introspection (S. 87): „Des Dichters Worte, ‚Ordnung ist des Himmels erst’ Gesetz‘, sind so ewig wahr, so unumstößlich, daß sie zur Selbstverständlichkeit geworden sind; ihre Weisheit ist in der Religion und in der Gelehrtenwelt ebenso unverkennbar wie in der Astronomie oder in der Mathematik. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß die Regeln der Christlichen Wissenschaft weit gründlicher und schneller von regelrecht beauftragten und planmäßig tätigen Arbeitern als durch regellose und krampfhafte Anstrengungen erworben werden.”
Ist es daher weniger wissenschaftlich, unsere Zahlungen an die Kirche auf einer geregelten, planmäßigen Grundlage zu machen, als nach einem vernünftigen Plan unsere Wohnung zu kaufen oder zu mieten und unsern Haushalt zu führen? Würden wir unsere Miete, unsere Rechnungen für Waren und Kleider in unregelmäßigen Zeiträumen und in Beträgen, die uns gerade die Laune des Augenblicks eingibt, begleichen? Wir würden dadurch den ganzen Geschäfts-zusammenhang und die Buchführung, wonach heute unser Handel arbeitet, umgestalten.
Wenn Zahlungen an Geschäftshäuser planmäßig gemacht werden müssen, ist dann eine geregelte Zahlung unserer Kirchenbeiträge als weniger wichtig anzusehen? Im ersten Buch der Bibel ist über das gute Beispiel für planmäßiges Geben berichtet, das uns Jakob gibt, wenn er sagt: „Von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben”. Und in verschiedenen anderen Teilen der Bibel finden wir den unverkennbaren Beweis dafür, daß diejenigen, die vor Gott Gnade fanden, Freude und Gewinn davon hatten, daß sie für die Sache Gottes, des Guten, planmäßig gaben. Das planmäßige Geben macht den Beitrag des armen Mannes zu einem ebenso großen Segen für ihn selbst und für die Kirche wie den größeren Beitrag des reichen Mannes, wenn beide Beiträge der Ausdruck eines freudigen Herzens sind.
Hört aber unsere Pflicht zu geben auf, wenn wir unsern Geldbeitrag bezahlt haben? Maleachi sagt: „Bringet aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf daß in meinem Hause Speise sei, und prüfet mich hierin, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle”. Und auf Seite 595 des Lehrbuchs, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, erklärt Mrs. Eddy den Begriff „der Zehnte” zum Teil wie folgt: „Beitrag; der zehnte Teil; Huldigung; Dankbarkeit”. Schließen also nicht die Zehnten, die wir „ganz” in das geistige Kornhaus bringen sollen, einen großmütigen Beitrag unserer Zeit und unserer Gedanken, die wir auf die uns übertragenen Kirchentätigkeiten anwenden, in sich? Gewiß darf dabei die tägliche beschützende Arbeit, die von allen treu ergebenen Mitgliedern Der Mutter-Kirche und ihren Zweig-Kirchen erwartet wird, nicht vernachlässigt werden. Und gerade wie wir finden, daß eine höhere Auffassung vom Geldgeben zur Folge hat, daß wir mehr Geld empfangen, so werden wir finden, daß wir mehr und immer mehr von unserer Zeit und unseren Gedanken den Kirchentätigkeiten und unserer täglichen Gemeinschaft mit Gott widmen und in demselben Verhältnis die vermehrten Früchte eines mehr erweiterten Vollbringens in unseren sogenannten gewohnheitsmäßigen Tätigkeiten empfangen können.
Die ermutigenden Worte unserer Führerin auf Seite 79 des Lehrbuchs: „Geben im Dienst unsres Schöpfers macht uns nicht arm, ebensowenig bereichert uns Zurückhalten” können sowohl in ihrer Anwendung auf das Geben von Zeit, Gedanken, Heilungszeugnissen u.s.w. als auch hinsichtlich des Spendens von Geldbeiträgen als wahr bewiesen werden. Wie das Geben von Heilungszeugnissen und das Erfüllen der Kirchenpflichten eine Sache der Demonstration des einzelnen ist, so finden wir, daß auch die Frage des Beitraggebens nur von dem einzelnen gelöst werden kann. Ein Familienmitglied kann ebensowenig die Beitrags-verpflichtungen der ganzen Familie übernehmen, wie dasselbe Mitglied die anderen Kirchenpflichten für seine sämtlichen Angehörigen erfüllen könnte. Jedes Familienmitglied hat, insbesondere wenn es ein Kirchenmitglied ist, das Vorrecht der Freude und des Gewinns davon, daß es seine eigene Demonstration des Gebens macht.
Wenn wir ferner erkennen, daß die Kirchenorganisationen dieselben Gelegenheiten haben, zu geben und dadurch gesegnet zu werden, wie die einzelnen Kirchenmitglieder, so werden wir finden, daß der Vermögensbestand einer Kirche der Christlichen Wissenschaft sich nie in einem solchen Zustand befindet, daß ihre Mitglieder berechtigt wären, ihre Beiträge zu verringern, weil sie glauben, das Geld sei nicht nötig. Die christlich-wissenschaftliche Wohltätigkeits-Vereinigung und verschiedene andere Arbeitszweige Der Mutter-Kirche können alle Beiträge, die die Zweig-Kirchen spenden, immer gut verwenden. Andere Zwecke, wie z. B der Baufonds anderer Zweig-Kirchen, die Unterstützungsarbeit in Ländern, die infolge des Kriegs leiden, und verschiedene andere der Unterstützung bedürftige Dinge, bieten unseren Zweig-Kirchen noch weitere Gelegenheiten, weise und liebevoll von den beständig wachsenden Sammlungen zu geben, die die immer größer werdende Dankbarkeit ihrer Mitglieder und Vereinigungen für die mannigfachen Segnungen der Christlichen Wissenschaft bezeugen sollten.
