Die Welt erwacht zu der Macht des Gemüts. Vielleicht langsam, doch sicher, erkennt sie die Kraft des Geistes, und im Verhältnis dazu überwindet sie den Glauben an materielle Gewalt. Um die Kraft des Geistes oder die Macht des Gemüts zu erkennen, muß man zuerst ein Verständnis von Gott erlangen; und dieses Verständnis fördern ist stets der Zweck der erleuchteten Religion gewesen. Die Christen wenden sich an Christus Jesus um Aufklärung, und viele finden heute in der Christlichen Wissenschaft die Erklärung seiner tiefen Erkenntnis Gottes und des Menschen.
Um also die Macht des Gemüts kennen zu lernen, bedarf es in erster Linie einer bestimmten, genauen Erkenntnis Gottes. Dies ist die Aufgabe der Christlichen Wissenschaft. Das geistige Erkennen Christi Jesu war tief; und die Christliche Wissenschaft nimmt die Offenbarung des nazarenischen Propheten in ihrer Vollständigkeit an und bestätigt sie von neuem in Ausdrücken, die heute verstanden werden können, indem sie das klarste Licht auf seine Worte wirft und die vielen huldvollen Heilungswerke, die sein Wirken kennzeichneten, wissenschaftlich erklärt. In dieser Weise ergänzt sie die Offenbarung des Meisters, und ist selbst die endgültige Offenbarung Gottes den Menschen gegenüber.
Gott ist in der Christlichen Wissenschaft als Geist, Gemüt, Liebe, Wahrheit bekannt; daher hieße Gott in Seiner Vollständigkeit kennen, alle verschiedenen Tätigkeiten von Geist, Gemüt, Liebe, Wahrheit verstehen,—was offenbar das Werk der Ewigkeit ist. Obwohl dies wahr ist, so ist es der Menschheit dennoch möglich, sehr viel über Gott und Seine Kundwerdung, den Menschen, zu lernen, und—was von größter Wichtigkeit ist—zu lernen, wie die erlangte Kenntnis auf die Fragen des menschlichen Daseins anzuwenden ist. So wird zum Beispiel Gott durch die Christliche Wissenschaft als das unendlich Gute, als das allgegenwärtige und allmächtige Gemüt, geoffenbart; er wird geoffenbart als Alles-in-allem, als der unendliche Eine, der ohne ein Gegenteil besteht. Daraus folgt, daß das, was die Menschen die Materie oder das Böse nennen, nur ein scheinbares Dasein hat, da das unendliche Gemüt kein Gegenteil und das unendlich Gute keinen Widerstand haben kann. Dies sind grundlegende Voraussetzungen in der Christlichen Wissenschaft; von ihrer Verwirklichung hängt die Befreiung der Welt vom Bösen jeder Art ab. Im Lichte der Christlichen Wissenschaft wird die Bedeutung und die Wahrhaftigkeit der Worte Jesajas verständlich: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott; ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit”.
In dem Maße wie man sich die Wahrheit von der Allheit und der Allmacht Gottes vor Augen hält und sie verwirklicht, ist man imstande, den körperlichen Sinn im Zaum zu halten oder Herrschaft über ihn zu haben. Der körperliche Sinn schließt alles sogenannte materielle Empfinden, sei es angenehm oder schmerzhaft, in sich. Der körperliche Sinn betrügt die Menschen und macht sie zu Sklaven der Leidenschaft und des materiellen Begehrens. Solange der körperliche oder materielle Sinn als wirklich angesehen wird, wird er die Menschheit weiter bedrücken und Sünde, Krankheit und Tod hervorbringen; sobald aber Gemüt als unendlich und der geistige Sinn als der einzig wirkliche Sinn erkannt wird, beginnt man die Herrschaft zu gewinnen. Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 393): „Gemüt ist Herr über die körperlichen Sinne und kann Krankheit, Sünde und Tod besiegen”. Dann fordert sie auf: „Mache von dieser gottgegebenen Vollmacht Gebrauch. Nimm Besitz von deinem Körper, und regiere sein Empfinden und Tun. Erhebe dich in der Stärke des Geistes, um allem zu widerstehen, was dem Guten unähnlich ist”.
Was für eine Macht hat die Christliche Wissenschaft den Menschen erreichbar gemacht! Sie ist nichts Geringeres als die unendliche Macht des Gemüts, die durch rechtes Denken erreichbar gemacht wird! Und dieses Gemüt ist immer zur Hand,—allgegenwärtig, um in jeder Not angewandt zu werden. Bereitet Krankheit die Schwierigkeit? Dann wird die Wahrheit über die Vollkommenheit des Menschen, wenn verstanden und vergegenwärtigt, frei machen. Ist sie die Gefahr, die man fürchtet? Das Erfassen der Tatsache, daß Gemüt, als göttliche Liebe, die einzige wirkliche Gegenwart ist, wird alle Furcht beseitigen, Erhebt die Sünde den Anspruch, unsere nützliche Tätigkeit und unser Glück zu zerstören? Die falsche Annahme kann durch das Verständnis der Allheit des Guten und der Unwirklichkeit des Bösen zerstört werden. Die Wahrheit über die Allgegenwart und Allmacht des Gemüts kann jeder irrigen Annahme entgegentreten und sie meistern. Die Macht des Gemüts ist also durch die Widerspiegelung des Gemüts, durch rechtes Denken, erreichbar.
Die Wahrheiten über Gott müssen von den Christlichen Wissenschaftern andächtig und beständig im Bewußtsein behalten werden. Das Himmelreich kann nicht erstürmt werden; man kann nur in dem Maße hineinkommen, wie man den körperlichen Sinn durch das geistige Verständnis verdrängt. Über die Wahrheit, daß Gott, das göttliche Gemüt, allein Macht hat, sollte nachgedacht werden, bis sie das Bewußtsein ganz durchdringt. Unsere verehrte Führerin sagt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 228): „Es gibt keine von Gott getrennte Macht. Allmacht besitzt Allgewalt, und irgendeine andre Macht anerkennen heißt Gott die Ehre versagen”. Die Tatsache, daß Gott allmächtig ist, muß in der menschlichen Erfahrung demonstriert werden. In dem Verhältnis, wie dies geschieht, gewinnt die Menschheit den Sieg über den Irrtum.
