Im Christian Science Sentinel vom 12. November 1904 stehen folgende Worte der Mrs. Eddy: „Zahlenmäßig zu viel gute Taten oder schlechte Taten werden durch das Lesen des Kirchenhandbuchs berichtigt”. Mindestens einer Forscherin in der Christlichen Wissenschaft kam dieser Ausdruck fast überraschend vor. Daß das Lesen des Kirchenhandbuchs schlechte Taten soll verbessern können, war nicht schwer zu verstehen, wie aber je zu viel gute Taten sollen getan werden können oder solche, die der Berichtigung bedürfen, war nicht so leicht einzusehen.
Das Wort „zahlenmäßig” bedeutet „der Zahl nach”. „Zahlenmäßig zu viel gute Taten” kann also nichts anderes heißen als der Zahl nach zu viel gute Taten, mit anderen Worten, zu viel und übertrieben viel gute Taten, so viele, daß der verwirrte Empfänger anscheinend fast seine Kraft verliert, zu handeln, weil ihm durch den falschen Verantwortlichkeitsbegriff eines andern fast alles aus den Händen genommen wird. Es scheint, daß man zu viel für andere tun kann, zu viel für dieselben Leute, indem man sie mit Güte erdrückt, indem man ihr Wachsen für sie übernimmt, ihre Demonstration für sie macht, damit ihnen die Anstrengung erspart bleibt. Es ist in der Natur eine wohlbekannte Tatsache, daß die Flügel eines Schmetterlings klein, schwach und oft verletzt sind, wenn ihm eine menschliche Hand beim Ausschlüpfen aus der Puppe, der er entwachsen ist, hilft. Wie oft erdrückt und verdummt irregeführte menschliche Liebe den geistigen Fortschritt eines lieben Nahestehenden, indem ihm in der Verblendung gerade die Erfahrung erspart wird, die ihm zum Wachstum verhelfen würde!
Wir hören zuweilen recht traurig sagen: „Mein Problem läßt sich nicht lösen. Ich ringe damit schon so lange; doch ich kann mir Mühe geben, soviel ich will, es scheint damit nicht vorwärts zu gehen”. Dann ist bei uns etwas von Grund aus falsch; denn Gottes Arbeit ist getan, und die Demonstration dieser Tatsache sollte richtig und in göttlich natürlicher Weise vorwärtsgehen. Das Wort der Wahrheit ist heute genau so wirksam und mächtig wie vor zweitausend Jahren, als unser Meister an den Ufern des Galiläischen Meeres wandelte und mit dem ruhigen „Schweig und verstumme!” seines Gottes-Verständnisses alle Formen des Irrtums überwand. Was in manchen Fällen nötig ist, ist wohl die Erkenntnis, daß das Problem, das sich anscheinend nicht ausarbeiten läßt, nie unser Problem war. Mancher freiwillige Märtyrer schleppt sich mit einer für ihn viel zu schweren Last mühsam auf dem Lebensweg dahin und ist so sehr mesmerisiert, daß er gar nicht auf den Gedanken kommt, daß er die Last nicht länger zu tragen brauche, während andererseits derjenige, dem die Last wirklich gehört, leichten Schritts neben ihm einhergeht,—auch so sehr mesmerisiert, daß ihn die eigene Verantwortlichkeit in dem betreffenden Falle gar nicht beunruhigt.
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