Das Christentum ist vernünftig, weil es der Ausdruck des Gemüts ist, das in „Jesus Christus auch war”. Es ist im Gleichgewicht, weil es auf einer festen Grundlage—auf Gottes Gesetz—ruht. Das Christentum ist heute von einer Welt umgeben, die sich ihm widersetzt; es wird nach weltlichen Maßstäben beurteilt, und zwar trotz der Irrtümlichkeit dieser Maßstäbe. Daher müssen sich die Christlichen Wissenschafter hüten, daß sie nicht etwa versuchen, ihr Leben so zu gestalten, daß es der Welt gefalle. Um treue Nachfolger des Christus zu sein, müssen wir gegen die zehn Gebote gehorsam sein und diesen Gehorsam lieben; die beiden vom Meister gegebenen großen Gebote müssen uns als Führer dienen.
Das Christentum ist göttlich natürlich. Es ist wahr, daß es das Gegenteil des sinnlichen Lebens ist; denn es fordert ein Sicherheben über alle Begierden des Fleisches und ein Eingehen in das vergeistigte Bewußtsein. Das Christentum ist das Annehmen und Leben des Christus, der Wahrheit, hier auf Erden. Hierin ist nichts Widernatürliches; denn es ist das Trachten, die Güte Gottes gegen die Menschen auszudrücken. Wenn es in unser Leben kommt, erlangen wir die rechte Vernunft und unser wahres Gleichgewicht in der Weisheit.
Das Christentum hat seine Wissenschaft, d.h. das genaue Wissen über den Christus. Mary Baker Eddy entdeckte diese Wissenschaft, die die Möglichkeit entfaltet, das Verständnis von dem göttlichen Prinzip zu erlangen, das das Christentum regiert. Sie nannte diese Wissenschaft richtig Christliche Wissenschaft. Natürlich hat diese göttliche Wissenschaft ihre Ausübung, durch die wir aus dem materiellen in das geistige Leben gelangen. Dies geschieht Schritt für Schritt, ob wir schnell oder langsam fortschreiten. Während der Übergangszeit muß der Christliche Wissenschafter beständig Weisheit ausdrücken; und dem Gesetz Gottes gemäß handeln ist Weisheit.
Es ist ganz natürlich, daß die Welt die Christliche Wissenschaft nach denen beurteilt, die ihre Lehre angenommen haben,—nach den Christlichen Wissenschaftern. Daß dieser Maßstab ungerecht sein kann, ändert nichts an der Tatsache. Daher geziemt es sich für den Christlichen Wissenschafter, über sein Leben und seine Worte zu wachen. Er muß vernünftig handeln. Über Geistigkeit reden und auf der niederen Stufe der Materialität leben hat keinen Teil an wahrer Jüngerschaft. Zwar mögen wir weit voraus und bis hinauf zu den Höhen sehen, die unsere Füße noch nicht erklommen haben; aber so handeln, als wären unsere Füße dort, wo unser Blick ruht, kann unangenehme Folgen haben.
Man handelt recht, wenn man in der Wissenschaft so weit geht, wie man kann,—soweit man die Wahrheit, die zur Zerstörung jedes Übels erforderlich ist, klar erkennen kann. Doch unser tägliches Leben spielt sich offenbar noch immer in einer materiellen Umgebung ab, der wir nur allmählich in dem Maße entwachsen, wie wir das göttliche Prinzip dartun lernen. Nur durch Beweisung und rechtes Leben rücken wir zu dem Ort vor, den wir in der Wahrheit von ferne sehen; und von dort aus können wir wieder zu den Marksteinen vordringen, die immer vor uns auftauchen. Mrs. Eddy erkannte diese Notwendigkeit und schrieb in ihrem Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 254): „Gott verlangt Vollkommenheit, aber nicht eher, als bis die Schlacht zwischen Geist und Fleisch ausgefochten, und der Sieg gewonnen ist. Es ist nicht gesetzmäßig mit Essen und Trinken oder materieller Bekleidung aufzuhören, ehe die geistigen Tatsachen des Daseins Schritt für Schritt gewonnen sind”.
Versuchen, mit Essen und Schlafen aufzuhören, solange wir nicht das wahre geistige Leben dargetan haben, würde uns zu seltsamen Zugeständnissen zwingen, die mit vernünftigem, ordnungsmäßigem Fortschritt unvereinbar wären. Die Forderungen menschlichen Erbarmens müssen erfüllt werden, während man die absolute Christliche Wissenschaft dartut. Sich weigern, menschliche Verwandtschaften anzuerkennen, würde die zarten, sich entfaltenden rechten Gedanken anderer erdrücken. Jesus sagte, es werde „nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe”. Bestrebt sein, so zu leben, als hätte man den Anforderungen der Beweisung genügt, solange man es nicht wirklich getan hat, würde der Vernichtung jedes Versuchs, recht zu leben, gleichkommen.
Hiermit soll nicht dafür eingetreten werden, daß mit dem Irrtum ein Vergleich geschlossen oder das Bemühen, die Wissenschaft des Seins zu verwirklichen, gelähmt werden dürfe. Vielmehr soll dadurch ein sich erweiterndes Verständnis von Gott und Seinem Menschen erlangt und dieses Verständnis zu einer geeigneten Berichtigung und Zerstörung von angenommenen Irrtümern angewandt werden. Es gibt keine abgekürzten Wege bei der Ausübung der Christlichen Wissenschaft. Wir müssen unser Leben auf Erden harmonisch gestalten, um uns für das Himmelreich auf Erden geschickt zu machen.
Wer weise ist, spricht wenig, bringt aber in immer höherem Grade die Forderungen der göttlichen Liebe zum Ausdruck. Jesus sah dies klar, als er sagte: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel”. Unsere Worte müssen recht gewählt sein. Worte gebrauchen, die den Hörer bloß reizen und vielleicht den, der sie spricht, selbstzufrieden machen, ist nicht gütig und ist kein Ergebnis der Beweisung. Sagen: „Ich habe eine schreckliche Annahme von Kopfschmerzen” ist nicht die Art, den Zustand zu überwinden. Das Heilmittel liegt in dem Verständnis des Christus, der Wahrheit, die die Kranken heilt. Mit billigen Worten kauft man wenig auf dem Markte des Vollbringens.
Wir sollten uns einer Sprache bedienen, die die Welt verstehen kann. Das wird uns nicht weniger wissenschaftlich machen und unsere Heilarbeit nicht im geringsten hindern. Die praktische Christliche Wissenschaft läßt uns die Übertriebenheiten vermeiden, denen wir manchmal begegnen. Wenn man nicht wachsam ist, wird man vom Mesmerismus des Wetters, sei es gut oder schlecht bestrickt. Aber auf den Gruß: „Ein herrlicher Tag” erwidern: „Im Himmel sind alle Tage herrlich”, ist lächerlich. Die Bibel sagt uns allerdings, im Himmel wird „keine Nacht sein”; doch auf Erden haben wir der Annahme nach immer noch warmes und kaltes, nasses und trockenes Wetter; und dem sollte Rechnung getragen werden, indem man für geeignete Kleidung und Wohnung sorgt. Solche Zugeständnisse hindern die Zerstörung jeder falschen Wirkung, die das Wetter anscheinend hervorbringt, nicht.
In der Christlichen Wissenschaft sind Steckenpferde gefährlich. Es ist weder vernünftig noch christlich-wissenschaftlich zu glauben, das Böse habe in irgend einer besonderen Form große Macht und sei imstande, die Unbedachtsamen in Gefahr zu bringen. Wir sollten das Böse als das erkennen, was es ist, wir sollten seine Nichtsheit aufdecken und nicht mit angehaltenem Atem darüber sprechen. In Wirklichkeit gibt es nirgends eine böse Macht, vor der man sich zu fürchten braucht; denn Gott ist allgegenwärtig. Die Christliche Wissenschaft bringt uns nicht aus dem Gleichgewicht, sondern festigt vielmehr unser Denken und Leben. Wir müssen mit ruhigen, furchtlosen Augen in die Welt hinausblicken und sollten nicht in Worten und Taten zu Übertriebenheiten neigen.
Man denke an das seelische Gleichgewicht, an die Ruhe, die Christus Jesus bekundete, als er predigte und heilte. Seine Worte waren schlicht, sein Leben gerade. Er setzte sich nicht über die Hoffnungen, Freuden und Leiden seiner Zuhörer hinweg, obwohl er die Nichtsheit dessen, was falsch daran war, kannte. Sein Mitfühlen versagte nie, ja, er weinte mit ihnen und für sie. Kälte, Gleichgültigkeit, Überlegenheit waren seinem Leben fremd. Er verkündigte die Macht des Guten und übte sie in vernünftiger Weise aus; und während er schnell bereit war, das Böse aufzudecken, so zerstörte er es doch unverzüglich, wenn der Wunsch nach seiner Zerstörung vorhanden war. Er deckte böse Absichten nicht auf, um sie hervorzuheben, ihre Schliche zu erklären, sich selbst davor zu fürchten und seinen Nachfolgern Furcht einzuflößen. Vielmehr war seine Entdeckung des Bösen dessen Zerstörung.
Als Christliche Wissenschafter haben wir herrliche Gelegenheit, die Macht des Guten in normaler, natürlicher Weise darzutun. Jeder Tag muß ein neuer Tag der geistigen Geburt sein; wir müssen einen neuen Ausblick gewinnen, um zu beweisen, daß Gott auf Erden wie im Himmel regiert. Dann werden wir rechte Schritte tun, nie eine Stellung beanspruchen, die wir nicht verdient haben, sondern freudig unser Kreuz tragen, bis wir es rechtmäßig gegen die Krone eintauschen können. Ein solches Leben wird nicht Anstoß erregen, sondern wird vernünftig und ehrbar sein und wird übereinstimmen mit der Ermahnung unserer Führerin in Wissenschaft und Gesundheit (S. 367): „Ein freundliches Wort an den Kranken und die christliche Ermutigung desselben, die mitleidsvolle Geduld mit seiner Furcht und deren Beseitigung sind besser als Hekatomben überschwenglicher Theorien, besser als stereotype entlehnte Redensarten und das Austeilen von Argumenten, welche lauter Parodien auf die echte Christliche Wissenschaft sind, die von göttlicher. Liebe erglüht”.