Die Christlichen Wissenschafter sind sich der Notwendigkeit bewußt, daß sie sich vor den versuchten Übergriffen des Bösen beständig schützen müssen. Sie wissen, wie notwendig es ist, die Tore ihres Denkens gegen den allgemeinen Feind verschlossen zu halten. Die böse Annahme, der kein Wert beigemessen und kein Grad von Glaubwürdigkeit zugestanden wird, veranlaßt uns nie, sie für sich selbst zu zerstören, obgleich man aufgefordert werden kann, sie für jemand anders zu vernichten. Hat man dem Bösen einmal Eintritt ins Bewußtsein gewährt, so nimmt es einen gewissen Schein von Wirklichkeit an, und seine Verbannung kann beharrliches Wissen der Wahrheit erfordern. Indem der Apostel Jakobus dies erkannte, erklärte er: „Widerstehet dem Teufel [dem Bösen], so flieht er von euch”.
Das Überwinden des Glaubens an das Böse ist die größte Aufgabe der Menschheit, und nur die Christliche Wissenschaft bietet das wirksame Mittel ihrer Lösung. Freiheit vom Bösen wird nur durch die wissenschaftliche Zerstörung des Bösen erlangt. Überdies ist Erlösung zwingend und unumgänglich und muß von jedem einzelnen für sich selbst gewonnen werden. Des Menschen Vollkommenheit muß enthüllt und dadurch in Erscheinung gebracht werden. Verzögerung im Vorgang vermehrt nur die scheinbaren Schwierigkeiten der Lage. Weiterschlafen im materiellen Sinn vom Selbst wird uns nie zum Ziel geistiger Freiheit führen; denn die Sinnenfreuden, an die wir uns gern klammern, sind bestenfalls zeitlich und wertlos. Wachen wir auf aus dem Mesmerismus der materiellen Annahmen, die für alle Erkenntnis der geistigen Wahrheit tot sind, und empfangen wir die Christusbotschaft des Lebens und der Liebe, die jeden Sterblichen erwartet! Wie tragisch scheint es doch, daß Gottes wunderbare Herrlichkeit alle Menschen erwartet, für ein gutes Wort zu haben ist, und daß dennoch so wenige daran teilnehmen! Der Dichter Lowell sagte:
Nur der Himmel steht frei uns offen;
Nur Gott hilft, wenn man nach ihm verlangt.
Die von den Sterblichen für ihre Pflichtvergessenheit in ihrem Trachten nach Gott vorgebrachten Gründe sind zahlreich und mannigfaltig; doch alle sind unzulänglich. Ein Grund, der gewöhnlich vorgebracht wird, ist, daß man eine günstigere Zeit abwarte, um sich geistigen Dingen zuzuwenden, als ob man den Schutz und den Trost des Christus je nötiger brauchen könnte als gegenwärtig! Da Gott allgegenwärtig ist, gibt es sicherlich keinen Ort, wo Er nicht augenblicklich erreichbar ist, und die Zeit ist jetzt. Und mit gleicher Gewißheit kann man behaupten, daß Freisein von den Beschränkungen und Widerwärtigkeiten des Daseins nur in dem Maße gewonnen werden kann, wie wir unsere Lasten auf Gott werfen, und sie im vollen Umfang unseres Verständnisses, daß das Böse nicht den geringsten Grad von Wirklichkeit hat, verlieren, mag die Trugvorstellung des Bösen unseren getäuschten Sinnen auch noch so wirklich scheinen, da Er doch das unendlich Gute ist.
Eine oft vorgebrachte Entschuldigung für den Aufschub des Beweises, daß das Gute die Kraft hat, das Böse zu zerstören, ist: „Ich muß so vielem entgegentreten, ich kann mich unmöglich mit dem Beweis befassen”, womit angedeutet werden soll, daß die Gedanken eines andern im Wege stehen, oder wenn der Beweis unternommen worden ist: „Es konnte nicht erwartet werden, daß mir der Beweis gelinge; ich muß so vielem entgegentreten”. Dieser trügerische Vorwand wird in großem Maße mißbraucht. Laßt uns eingedenk sein, daß die einzigen falschen Annahmen, denen wir je entgegentreten müssen, diejenigen sind, die wir im eigenen Denken hegen. Wenn wir noch an der Annahme festhalten, das Böse sei wirklich, es habe Wesenheit und Kraft, dann allerdings werden wir ihm alle Augenblicke begegnen; denn die Ansprüche des Bösen sind zahllos und beharrlich. Mrs. Eddy beschreibt diese Lage mit folgenden erhebenden Worten in „Miscellaneous Writings” (S. 115): „Wer recht lebt, dem wird jede Bemühung, ihm zu schaden, nur helfen; denn Gott verleiht uns die Fähigkeit, alles zu überwinden, was unsern Fortschritt hindern könnte”.
Ferner möchten wir, wie es scheint, manchmal dem Luxus des Selbstbedauerns frönen, weil wir glauben, wir hätten mehr irriges Denken zu überwinden — mehr durchzumachen — als andere Menschen; und infolgedessen trösten wir uns damit, daß wir eine sehr gute Entschuldigung für den Mißerfolg unseres Beweises haben. Ist dies nicht gerade die Falle, die der Irrtum uns gestellt hat? Natürlich möchte dieser haben, daß wir seine Ansprüche auf Wesenheit und Kraft, alle diese Ansprüche, annehmen und seinem Willen vollen Gehorsam leisten. Der Kampfplatz ist in unserem eigenen Denken. Es gibt keinen andern.
Wir können in unserem Denken bei dem Standpunkte, den wir gerade jetzt einnehmen, beginnen, solche neuen Höhen des Beweises zu suchen, die uns über die mögliche Reichweite der Scheinkraft des Bösen erheben. Am wirksamsten wird der Irrtum zerstört, wenn man sich durch das Gewinnen des Gemüts Christi über seinen Einfluß erhebt, indem man sogar die Ansprüche des Bösen vergißt. Wie klar doch dies Mrs. Eddy war, als sie schrieb (desgl. S. 355): „Nach allen Seiten gegen den Nebel schlagen, wird nie den Ausblick klären; doch das Haupt darüber erheben, ist das unumschränkte Allheilmittel”! Gegen die Nebel der bösen Annahmen unter ihren Bedingungen, d. h. auf ihrer Erkenntnisstufe, fechten heißt, ihnen einen gewissen Grad von Wirklichkeit zugestehen; uns aber über sie erheben, indem wir sie durch Erweiterung unserer geistigen Erkenntnis Gottes und Seines Weltalls aus unserem Denken ausschließen, beraubt sie vollständig ihrer Ansprüche auf Wesenheit und Macht.
Die Versuchung zu glauben, unsere gegenwärtige Stellung oder Umgebung sei einem erfolgreichen Beweis des Christus, der Wahrheit, nicht förderlich, lullt uns oft in einen Zustand geistiger Untätigkeit ein. Können wir nicht vollkommen versichert sein, daß wir an jedem Ort und unter allen Umständen recht denken können? Die Worte unserer Führerin sind klar. „Wisset also, daß ihr unumschränkte Macht habt, recht zu denken und zu handeln”, erklärt sie ohne Vorbehalt auf Seite 3 in „Pulpit and Preß”. Kann diese von Gott verliehene „unumschränkte Macht” nicht zu allen Zeiten und unter allen Umständen angewandt werden?
Die Belohnungen rechten Denkens werden gewiß nicht ausbleiben. Das Aufdecken alles dessen, was im Denken gehegt wird und dem Guten unähnlich ist, und seine Zerstörung bereiten uns für neue und größere Siege vor. Laßt uns bei allen unseren Bemühungen, das Böse zu überwinden, eingedenk sein, daß die göttliche Weisheit am Steuer ist und Gottes vollkommenes Weltall in den Wegen des ewigen Friedens leitet und hegt!
