Jeder Erforscher der Christlichen Wissenschaft wird reichen Lohn in der sorgfältigen Untersuchung finden, wie Mrs. Eddy das Wort „Gnade” in ihren verschiedenen Schriften anwendet. Sie gebraucht es in einigen ihrer schönsten Stellen, und sie hebt es immer über die rein kirchliche Bedeutung von unverdienter Gunst oder freier Gabe zu seiner höheren Bedeutung der ungezwungenen, natürlichen Wirkung der göttlichen Liebe empor. Diese Bedeutung schließt nicht allein alles in sich, was das Wort früher bedeutete, sondern geht sogar darüber hinaus, gerade wie Jesu Lehre, die mit „Gnade und Wahrheit” kam, über alles, was Mose im Gesetz gelehrt hatte, hinausging und dennoch alles einschloß.
Gottes Gnade ist der zärtliche Ausdruck Seiner Liebe, die sich sogar auf die Unwürdigen und Schuldigen erstreckt. Der Zöllner, der seine Sünden erkannte und bereute, mochten sie noch so schwer gewesen sein, mußte Gottes Gnade erfahren haben. Diese Gnade blieb dem selbstgerechten Pharisäer verborgen; doch früher oder später dürfte wohl auch er eine Erfahrung gemacht haben, die ihn aus dem Traum des Selbst aufweckte. Dann kam mit der Zerstörung der Sünde die Freude, die die Gnade Gottes allen bringt. Diejenigen unter uns, die die errettende Kraft der Christlichen Wissenschaft erfahren haben, die von ihren Krankheiten geheilt, und denen ihre Missetaten vergeben worden sind, erkennen, wie überreich Gottes Liebe ist, wie sehr Seine Gnade alles, was wir als Sterbliche verdienen, übersteigt. Das Denken ist voller Anbetung, wenn wir uns in dieser Weise die Überfülle der Segnungen der Liebe vergegenwärtigen.
Die göttliche Gnade wurde in höchstem Grade bekundet durch Christus Jesus, durch den die Wahrheit über Gott und den Menschen in ihrer Vollständigkeit, sogar bis zur Zerstörung nicht nur der Sünde und der Krankheit sondern auch des letzten Feindes — des Todes — zum Ausdruck kam. In seiner Auferstehung und Himmelfahrt vollendete Jesus seine Mission als Wegweiser für alle Menschen und für alle Zeiten. In Worten, wie sie sonst nie so erhaben geäußert wurden, spiegelte er für die sündige Menschheit Gottes Gnade wider, als er am Kreuze betete: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!” Christus Jesus löste die ganze Frage des Seins. Doch er sagte zu seinen Nachfolgern, daß er ihnen vieles zu sagen hätte, was sie noch nicht verstehen könnten, daß aber der Tröster gesandt würde, um zu erklären, was er bewiesen hätte. Diese Verheißung ist erfüllt. Mrs. Eddy wurde wegen ihres reinen Wesens Gottes Botin, durch die Seine Gnade in einer endgültigen Offenbarung der heilenden und errettenden Wahrheit zum Ausdruck kam, einer Offenbarung, die allen Menschen zu Gebote steht, gleicherweise auf Heilige und Sünder ausgedehnt ist, gerade wie die Sonne scheint, und wie es „über Gerechte und Ungerechte” regnet.
In der umfassenden Bedeutung des Wortes „Gnade” ist „jede freiwillig erwiesene oder geleistete Freundlichkeit, Gunst oder Gefälligkeit” einbegriffen. Dies bietet Raum für das ungehinderte Widerspiegeln der Liebe in allen Lebensbeziehungen. Hiernach heißt uns unsere Führerin trachten, wenn sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 4) sagt: „Am meisten bedürfen wir des Gebetes inbrünstigen Verlangens nach Wachstum in der Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt”. Wer in seiner Haltung gegenüber seinem Nächsten wahre Gnade zum Ausdruck bringt, erkennt die Ansprüche des Bösen, sieht, was sie beanspruchen,— was sie beabsichtigen; aber er vernichtet sie sofort dadurch, daß er weiß, daß sie machtlos, unwirklich und unbedingt daseinslos sind, weil Gott, das Gute, alles ist. Er gibt sich nicht Gedanken des Grolls, des Kummers oder der Verurteilung hin, wenn ihm das Böse entgegentritt, sondern fest und treu spiegelt er die tätige Idee der Liebe wider, beseitigt in dieser Weise Reibung und veranschaulicht Gottes Sanftmut,— die Sanftmut, von der der Psalmist sagt, sie hätte ihn groß gemacht.
Nur wenn Gottes Gnade von den Menschen widergespiegelt wird, können die Fragen der Welt gelöst werden. In einem ihrer Gedichte spricht Mrs. Eddy von den zwei „durch der Völker Gnade verbündeten” großen englisch sprechenden Völkern (Gedichte, S. 10). In dem Maße, wie „freiwillig erwiesene oder geleistete Freundlichkeit, Gunst oder Gefälligkeit” die Männer und Frauen aller Völker durch den Einfluß der Christlichen Wissenschaft beseelt, werden die Vaterschaft Gottes und die Brüderschaft des Menschen auf Erden wie im Himmel aufgerichtet. Was für eine erfreuliche und reiche Gelegenheit, alle Menschen zu segnen, ist jedem Christlichen Wissenschafter geboten, wenn er lernt, „in der Gnade und Erkenntnis unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi” zu wachsen!
