Wohl nichts bekräftigte Jesus häufiger, als daß die Menschen in dem Maße, wie sie ihren Glauben verwirklichen, geheilt werden. Immer und immer wieder erklärte er im Hinblick auf solche, die von den schrecklichsten Krankheiten geheilt wurden, daß solches Heilen die Folge des Glaubens sei. Er sagte zu seinen Jüngern: „So ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein”.
Als die Christliche Wissenschaft Mrs. Eddy geoffenbart wurde, fand sie, daß diese Wissenschaft dieselbe unumgängliche Notwendigkeit, Glauben zu üben, wiederholte. Durch alle ihre Schriften hindurch zieht sich derselbe rote Faden der Notwendigkeit des Glaubens, der die Lehren Jesu erleuchtete und anwendbar machte, jene Lehren, die denen, die vertrauensvoll an Gott glauben, die ganze Fülle einer erfolgreichen Ernte verheißen.
Über diese beständige Forderung, Glauben zu haben, gehen die Christlichen Wissenschafter oft allzu leicht hinweg. Allzu leicht glauben wir, wir könnten das geistige Verständnis mit einem Sprung erlangen, ohne die nötigen Schritte zu tun, um die erhabene, geistige Höhe zu erreichen, die jenes göttliche Wissen gewährt, das mit vollem Recht den Namen „Verständnis” verdient. Weil uns ein gewisses verstandesmäßiges Erfassen des Buchstabens der Christlichen Wissenschaft so leicht gelingt, sind wir versucht, dieses Erfassen geistiges Verständnis zu nennen. Selbst wenn wir diesen Buchstaben mit anerkennenswertem Eifer praktisch anwenden, können wir die Erfahrung machen, daß unsere Bestrebungen, die so sehnsüchtig erwartete Heilung zustande zu bringen, erfolglos bleiben. Dann kommt das Fragen und Wundern! Wo ist der Mangel in der Arbeit, von der wir uns so sehr Erfolg wünschten? Würde uns in solchen Zeiten Jesus nicht fragen: Wo ist euer Glaube?
Anstatt nach mehr Glauben zu streben, ist der Christliche Wissenschafter zu sehr geneigt, nach dem zu trachten, was er ein höheres Verständnis nennt. Er bildet sich ein, er könne, wenn ihm nur ein erweiterteres Erfassen der christlich-wissenschaftlichen Lehre gelinge, die Kraft gewinnen, mit Vollmacht zu den Annahmen des Bösen zu sprechen. Es bedarf wohl nicht so sehr einer größeren Kenntnis der Lehre oder des Buchstabens wie eines größeren, vertrauensvolleren Glaubens an die Wahrheit, die er in gewissem Maße schon versteht. Er läßt wohl außer acht, daß Mrs. Eddy in ihrer Erklärung des Gebets, das heilt, als erstes Erfordernis den Glauben erwähnt. Im ersten Abschnitt des ersten Kapitels von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe”.
Dieser „absolute Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind”, von dem unsere geliebte Führerin spricht, ist nun etwas, was sich alle Christen stets ersehnt haben. Sie haben erkannt, daß sie, wenn sie ihn nur erlangen könnten, Jesu Gebote befolgen und sogar wie er und seine Jünger die Kranken heilen könnten. Ihr Mißerfolg bestand darin, daß sie selten mehr als einen blinden Glauben gewinnen konnten, der nicht nur fast machtlos schien, sondern auch nicht mit Gewißheit erfaßt werden konnte. Die Christliche Wissenschaft beseitigt diese beiden Schwierigkeiten; denn da sie das Wesen Gottes als das göttliche, unendliche Gemüt, als das allmächtige Leben, die allgegenwärtige Wahrheit, die allwissende Liebe erklärt, offenbart sie unmittelbar die Vollkommenheit Gottes und zeigt daher die unausbleibliche Erleuchtung des Glaubens und des Vertrauens, wozu Sein Wesen antreibt. Auch zeigt sie klar, daß der Mensch, da er Gottes Bild und Gleichnis ist, nie verfehlen kann, den Glauben, den Gott an sich selbst hat, widerzuspiegeln. Der Christliche Wissenschafter, der dies klar erkennt, wird so geführt, daß er die gesegnete Eigenschaft Glaube, die sowohl Jesus als auch Mrs. Eddy als so wesentlich für eine erfolgreiche Beweisführung erklärten, hegt und anwendet.
Man kann nun die Tatsachen über einen mathematischen Satz ausführlich darlegen und doch keine einzige Aufgabe danach lösen. Man muß den zuversichtlichen Glauben haben, daß diese Tatsachen wahr sind. Man muß einen solchen Glauben an sie haben, daß man sie unerschütterlich, unentwegt anwendet. Man muß sie gebrauchen, bis man weiß, daß jeder Fehler ausgemerzt ist, bis sich jeder Anspruch der Unwissenheit in ihrer Anwendung angesichts ihres richtigen, intelligenten Gebrauchs auflöst. Jeder Schritt des Weges muß von genug festem Glauben an diese wahren Tatsachen begleitet sein, damit man sicher ist, daß das richtige Ergebnis nicht ausbleiben kann, wenn man in ihrer Anwendung beharrt.
Gerade so verhält es sich mit der Arbeit des Christlichen Wissenschafters. Gewiß muß er ein klares Verständnis des Buchstabens der Christlichen Wissenschaft haben. Wir sind jedoch unterwiesen, daß eine sehr geringe Kenntnis des Buchstabens Wunder vollbringt, wenn sie nur von der heiligen Eigenschaft Glaube begleitet ist. Jede einfache Wahrheit ist mächtig genug, Berge des Irrtums eben zu machen; doch wir müssen sicher sein, daß sie jene Macht in unserem Denken durch die Erkenntnis gewinnt, daß sie wirklich wahr ist! Auch an die Unbesiegbarkeit des Wortes Gottes müssen wir jenen festen Glauben haben, der eine solche Liebe zu diesem Wort in sich birgt, daß wir, unter was für scheinbaren Hindernissen oder Scheinschwierigkeiten es auch sei, uns immer fest an die Wahrheit halten, sie erklären, lieben, anwenden, bis wir bewiesen haben, daß sie allgenugsam ist, jeden gegenteiligen Glauben an das Böse zu meistern, jedes widerstreitende Zeugnis zu verscheuchen. Der Glaube muß das Festhalten, Erklären, Lieben, Anwenden begleiten, sonst ist der Buchstabe so kalt und leblos, daß er offensichtlich wenig oder nichts in der rechten Richtung vollbringt.
Manchmal finden wir, daß wir uns sehr ausführlich über die Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft äußern, daß wir sehr gelehrt von den wissenschaftlichen Tatsachen über Gott, den Menschen und das Weltall sprechen, daß wir mit gleicher Emsigkeit unsern Unglauben an das Gegenteil der Geltendmachung eines Daseins in der Materie mit seinen Sünden und Krankheiten erklären. Doch sind die Ergebnisse immer so, wie wir sie uns wünschen? Könnte zu einer solchen Zeit unsere Führerin nicht uns alle sehnsüchtig fragen: Wo sind die vollkommenen Beweise, daß ihr glaubet, was ihr mit solcher Geläufigkeit verkündigt? Wir beten, der Irrtum möge der Wahrheit, Krankheit der Gesundheit, Sünde der Heiligkeit weichen; doch gleichzeitig müssen wir zuversichtlich glauben, daß es sich erweisen werde, daß nur das Gute wirklich ist, daß es allgegenwärtig und allmächtig ist, sonst werden die Beweise unseres Glaubens ausbleiben. Jedesmal, wenn wir beweisen, daß wir auch nur ein Körnchen des Glaubens an die von uns erklärte Wahrheit haben, die immer die Heilung bewirkt, haben wir in jenem Punkte wirklich geistiges Verständnis erlangt, denn dann wissen wir! Und ist göttliches Wissen nicht das wahre geistige Verständnis?
Glücklicherweise sind wir jenem „absoluten Glauben” an Gott heute näher als gestern,— jenem Glauben, von dem Mrs. Eddy sagt, wir müssen ihn haben, wenn wir die Kranken und die Sünder heilen wollen! Jede ehrliche Erklärung der Wahrheit bringt uns dem Ziel näher, wo wir beweisen werden, daß alle Dinge möglich sind dem, der da glaubt. Unser Glaube erweitert sich, vertieft sich und löst sich beständig in geistiges Verständnis auf. Laßt uns als die Kinder Gottes inbrünstig, ehrfurchtsvoll darauf bestehen, daß wir hier und jetzt allen zuversichtlichen Glauben haben! In dem Maße, wie wir dies tun, erfreut sich die Welt unserer von Gott verliehenen Beweise, daß wir bei dem Punkte angelangt sind, auf den sich unsere geliebte Führerin bezieht, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 368): „Wenn wir dahin kommen, daß wir mehr Glauben an die Wahrheit des Seins haben als an den Irrtum, mehr Glauben an Geist als an die Materie, mehr Glauben an Leben als an Sterben, mehr Glauben an Gott als an den Menschen, dann können uns keine materiellen Voraussetzungen daran hindern, die Kranken zu heilen und den Irrtum zu zerstören”.
