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Des Menschen wahres Selbst

Aus der Juli 1926-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Solange das Denken nicht vom Sauerteig der geistigen Wahrheit durchsäuert ist, sind die Sterblichen fast allgemein geneigt, die Persönlichkeit zu überschätzen oder herabzusetzen. Dem überheblichen Wichtigkeitsgefühl, das die Menschen so oft von sich haben, folgt zuweilen genau das Gegenteil: ein ebenso falscher Sinn von Demut, der verkleinern, herabsetzen und entkräften möchte, bis die Fähigkeiten und Leistungen eines Menschen verkümmern und dahinschwinden. Die eine Haltung ist so unwissenschaftlich wie die andere; beide sind falsch.

Das Überheben der Persönlichkeit beruht immer auf einem falschen Sinn vom Selbst, auf dem Glauben, daß ein selbstgemachter, selbstregierter und sich selbst genügender Sterblicher der Mensch sei. Die bekannte Redensart, daß jemand „sich selbst zu etwas gemacht habe und sich rühme, sein eigener Schöpfer zu sein”, entspringt dieser falschen Auffassung vom Menschen. Andererseits ist Selbst-Entwertung, die beständig sich selbst anklagt und verurteilt, nicht empfehlenswerter. Auch diese Haltung entspringt einem irrigen, falschen und durchaus unrichtigen Begriff vom Menschen.

Paulus, der die Unbeständigkeit der Sterblichen seiner Zeit kannte, spricht in seinem Briefe an die Römer von den Denkweisen, „die sich untereinander verklagen oder entschuldigen”. Da die Sterblichen von heute keine gesündere Grundlage des Urteils haben als damals, neigen sie immer noch dazu, in diesen Irrtum zu verfallen; denn das sogenannte sterbliche Gemüt lobt und tadelt, erhöht und erniedrigt gern, und zwar immer aus einem falschen Beweggrund. Wie kann ein unbeständiger sterblicher Glaube eine gesunde Ansicht über etwas bilden? Seine Voraussetzungen, Darlegungen und Schlüsse umfassen keine dauernde Wahrheit.

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