Ein siebenjähriger Knabe brachte einst in seine Klasse in einer christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule ein Zeugnis, das die ganzen Jahre hindurch für die Verfasserin dieser Betrachtung von großer Bedeutung war. An einem kalten Märztage fiel er von einer Landungsbrücke in einen großen, reißenden Fluß. Als er diesen Vorfall erzählte, sagte er: „Ich konnte nicht schwimmen; doch ich wußte, daß Gott im Wasser ebensogut bei mir ist und mir helfen kann wie auf dem Lande; und irgendwie konnte ich die Landungsbrücke erreichen, an einem Pfahl emporklettern und mich retten”. Diese in so einfacher Weise gegebene Erklärung, die von einer so bedeutungsvollen Begebenheit handelt, bringt mehrere Eigenschaften des kindlichen Denkens, die Jesus lobte und seinen Nachfolgern anempfahl, zum Vorschein.
In erster Linie bewiesen die Worte des Knaben, daß er etwas Wahres über Gott gewußt, Sein Wesen verstanden, Seine Gegenwart und Kraft erfahren und sich Seine nie versagende Liebe vergegenwärtigt hatte. Der geistige Sinn des kindlichen Denkens liebt um der Liebe willen, nicht materieller Vorteile wegen, liebt Gott, weil Gott die Liebe ist, und er bleibt so natürlich im Bewußtsein des Guten, wie die Blume ihr Antlitz der Sonne zuwendet. Dieser Knabe hatte Gott erkennen gelernt als den nie versagenden Vater, der bereit ist, Sein Kind immer zu schützen, sonst hätte er sich nicht in äußerster Not mit solch furchtlosem Vertrauen auf Ihn verlassen können. „Der geistige Sinn ist”, wie Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 209) sagt, „eine bewußte, beständige Fähigkeit, Gott zu verstehen”. Dieses Vorkommnis erinnert uns daran, daß derjenige, der „unter dem Schirm des Höchsten sitzt”, „unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt”, daß derjenige, dessen Bewußtsein bei schönem Wetter und an den angenehmen Orten des menschlichen Lebens in der Wahrheit und der Liebe bleibt, Gott so vertrauensvoll kennt, daß die Furcht ihn nicht versuchen kann, selbst wenn er sich in reißenden Wellen befinden sollte.
Die zweite kindliche Eigenschaft des Denkens, die sich in der Not als Schutzengel erwies, war die Demut des Knaben,— die Fähigkeit, Gott zu gehorchen. Die Erklärung des Knaben enthielt kein eitles Sichrühmen der Stärke, der Geistesgegenwart oder einer eigenen übermenschlichen Fähigkeit. Er war bewußt bei Gott, schnell bereit und fähig, den Willen Gottes zu erkennen. Dieser schnellbereite Gehorsam nahm die Stärke und die Intelligenz an, die ihn aus einer Lage herausführten, der seine kindliche Unerfahrenheit und schwache Körperkraft nicht gewachsen gewesen wären. Die kindliche Eigenschaft Demut, die nicht an das Selbst denkt und stets schnell bereit ist, Gott zu kennen und Ihm zu gehorchen, öffnet dem Mut, der Stärke, der Kraft und der Intelligenz die Tür,— Eigenschaften, die einen befähigen, Umständen, für die menschliche Stärke und Erfahrung keine Lösung bieten, entgegenzutreten und sie zu überwinden.
Die dritte in diesem Beweis besonders hervortretende Eigenschaft des Denkens ist die kindliche Bereitwilligkeit, Gott zu verherrlichen. Für den Knaben waren die Mittel und Wege seiner Errettung nicht bedeutungsvoll. „Irgendwie” kam die Errettung zustande. Für ihn war das Wichtigste die Errettung; und er zögerte nicht, Gott mit seinem Zeugnis zu preisen, und Gott den ganzen Ruhm und die ganze Ehre zu geben. Das von Dankbarkeit überströmende Herz kennt die Freude, die es einem bereitet, Gottes Werk zu sehen. Freude und Dankbarkeit sind unzertrennlich. Man empfindet keine wahre Freude, solange das Herz nicht von Dankbarkeit überfließt.
Seither haben die Worte des Kindes oft das Denken der Verfasserin dieser Betrachtung, wenn sie sich scheinbar hilfund führerlos, ohne materielles Weg-zeichen, in tiefen mentalen Wassern befand, auf den einen immer gegenwärtigen allmächtigen Helfer hingelenkt, und sie erlangte das Verständnis, das sie befähigte, sich gegen die Ströme menschlichen Irrtums zu stemmen und die Sicherheit und die Freude der Errettung zu erlangen. Solche Erfahrungen erproben unser Verständnis von Gott und unsere Liebe zu Ihm; sie beweisen, wessen Dienst wir Treue geschworen haben, und dienen als Führer aus den falschen Tiefen des menschlichen Glaubens heraus zu dem unerschütterlichen Felsen geistigen Verständnisses, von dem uns die Stürme des sterblichen Daseins nicht trennen können.
Es ist bedeutungslos, was für eine Form die tiefen Wasser annehmen können. Vielleicht haben die gewohnten Arten von Versorgung, Lebensunterhalt, Stellung, Gesundheit, Heimat, Verwandtschaft, Freundschaft, Können. Wissen oder Erziehung versagt. Vielleicht hat der ganze Lebensplan den Anker verloren, so daß wir, menschlich gesprochen, nicht wissen, wohin wir uns wenden sollen. Dann können wir wissen, daß ein falsches materielles Vertrauen uns versagt und uns ins Wasser gestürzt hat. Suchen wir in solchen Zeiten die Führung der göttlichen Liebe, so finden wir, daß sie nie versagt. „Wenn sich die Strahlen der unendlichen Wahrheit im Brennpunkt der Ideen sammeln, dann bringen sie” nach den Worten der Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 504) „augenblicklich Licht”.
Der Weg der Wahrheit führt immer in der Richtung nach dem Geiste. Der Lohn, den er bringt, ist das wirkliche Verständnis von Substanz, Vollkommenheit, Harmonie, Weisheit, Intelligenz, deren Früchte Friede und Freude sind. Ein solches Verständnis versagt nie, sondern führt zur Verwirklichung alles Guten. Hier kann der müde Wanderer, vielleicht nach fruchtlosem Umherziehen durch die Wirrnis menschlicher Annahmen, Meinungen und Trugvorstellungen, schließlich zur Harmonie, Ruhe und Zufriedenheit heimkehren. Er erkennt, daß die Wasser nur das Zerfallen falschen materiellen Vertrauens sind, und es wird ihm klar, daß er sein Vertrauen auf Gott setzen lernen muß. Derjenige, dessen Bewußtsein nach Beschaffenheit und Wesen kindlich ist, versteht, was Jesus mit den Worten meinte: „Solcher ist das Himmelreich”; denn er findet, daß der Himmel immer gegenwärtig ist, er erkennt ihn als „die Herrschaft der Harmonie in der göttlichen Wissenschaft; das Reich des unfehlbaren, ewigen und allmächtigen Gemüts; die Atmosphäre des Geistes, in welcher Seele allerhaben ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 590). Von denen, die das unerschütterliche Vertrauen, die Demut und die Dankbarkeit eines kleinen Kindes erlangt haben, sprachen Jesaja und der Psalmist die wahren Worte: „So du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen”. „Die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig; der Herr aber ist noch größer in der Höhe”.
