In der Christlichen Wissenschaft wird das Heilen—d.h. das Heilen durch geistiges Verständnis—als wesentlicher Bestandteil des Christentums angesehen. Die Christliche Wissenschaft anerkennt Christus Jesus in jeder Hinsicht als den Wegweiser christlichen Strebens. Ihre Bekenner fühlen sich daher verpflichtet, die Kranken und die Sünder auf die Art des großen Nazareners zu heilen. Alle Mitglieder der christlich-wissenschaftlichen Kirche haben Heilung—wahrscheinlich viele Heilungen—durch geistige Mittel allein erfahren. Dies spornt sie an und drängt sie, anderen die Wissenschaft des geistigen Heilens zu bringen.
Bibelforscher werden zugeben, daß Jesus alle Arten von Krankheit heilte, genau wie Matthäus zugibt, wenn er berichtet: „Ihm folgte viel Volks nach, und er heilte sie alle”, daß das Heilen daher ein wesentlicher Teil des großen Wirkens Jesu war, daß ferner seine Jünger—diejenigen, die er lehrte,—seinen Unterweisungen gemäß handelnd, ausgingen und das Evangelium vom Reiche Gottes predigten und die Kranken heilten, und daß auch der Meister allen, die ihn als den Messias anerkannten, gebot, durch die Früchte ihrer Arbeit—Heilung der Kranken neben anderem—zu zeigen, daß sie seine Lehre verstehen. Das Werk Jesu hatte eine weit größere als nur eine vorübergehende Bedeutung: es sollte seinen Zeitgenossen und allen künftigen Geschlechtern Gottes Güte und die immerwährende Anwendbarkeit dieser Güte zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen veranschaulichen. Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 494): „Man sollte nicht denken, Jesus habe die göttliche Kraft zu heilen nur für eine auserwählte Anzahl oder für einen begrenzten Zeitabschnitt demonstriert; denn die göttliche Liebe gibt der ganzen Menschheit und zu jeder Stunde alles Gute”.
Diese Worte der Mrs. Eddy enthalten nun den Schlüssel zum christlich-wissenschaftlichen Heilen. Sie legen die große Wahrheit dar, daß Gott, die göttliche Liebe, alle Menschen immer mit Gutem versorgt. Prüfen wir dies etwas näher! Die Christliche Wissenschaft offenbart die Tatsache, daß Gott die göttliche Liebe, das unendlich Gute, ist. Dies bedeutet, daß das Gute die dauernde Erbschaft des Menschen ist—des wirklichen Menschen, der die vollkommene Idee, das Bild oder die Widerspiegelung Gottes ist. Mit andern Worten, es weist darauf hin, daß der wirkliche Mensch nie etwas anderes als das Gute erfährt. Diese vollkommen folgerichtige Lehre weist unmittelbar auf die Art des christlich-wissenschaftlichen Heilens hin.
Was ist die Folge, wenn man zugibt, daß nur das Gute in die Erfahrung des wirklichen Menschen treten kann, da Gott, sein Schöpfer, das unendlich Gute ist? Genau was die Christliche Wissenschaft lehrt, nämlich, daß Widerwärtigkeit nicht von Gott ist, daher trügerisch oder unwirklich ist. Aber Krankheit ist ein unharmonischer Zustand. Daher ist, wie die Christliche Wissenschaft folgert, Krankheit trügerisch, unwirklich. Unsere Führerin drückt sich einfach, doch überzeugend aus, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 417): „Für den christlich-wissenschaftlichen Heiler ist Krankheit ein Traum, aus dem der Patient erweckt werden muß”. Was für eine Form die Krankheit auch immer annehmen mag, sei sie seelisch oder körperlich oder beides, sei sie die Folge von Sünde, Unwissenheit oder Furcht, die Christliche Wissenschaft behauptet, daß sie ein Traum ist, und daß, um sie zu heilen, derjenige, der sich im Traumzustand befindet—der Träumer—aufgeweckt, d.h. aufgerüttelt werden muß zu der Erkenntnis des wahren Standes des Menschen als des Endziels der göttlichen Liebe, dem alles Gute verliehen ist.
Und wie soll das Erwachen vor sich gehen? Ein sehr schöner Vers im 107. Psalm weist den Weg. Er lautet: „Er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, daß sie nicht starben”. Um also Heilung zu vollbringen, muß das „Wort” gehört und verstanden werden. Und das „Wort”—Gottes Idee—kann durch andächtiges Lesen in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit und auch durch christlich-wissenschaftliche Behandlung gehört werden. In der Behandlung hält der Praktiker, der die Wahrheit oder die geistige Idee versteht, an dieser wahren Idee fest und bringt sie in seinem Denken an die Stelle der falschen Annahme, von der er wahrnimmt, daß sie geltend macht, die Krankheit zu verursachen. Immer, wenn der Kranke das „Wort” hört, oder wenn er die wahre Idee versteht, wird der Irrtum in seinem Bewußtsein verdrängt, und er ist geheilt. Dasselbe Ergebnis kann durch ernstes Sichvertiefen in die Bibel und in die Schriften der Mrs. Eddy erlangt werden. Das Streben sollte also sein, die Erkenntnis der heilenden Wahrheit zu gewinnen,—der Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung, den Menschen; dann ist Heilung die Folge.
Jedermann, der weiß, was die Christliche Wissenschaft lehrt, weiß auch, daß ihre Heilungen nicht aufs Geratewohl stattfinden. Jede christlich-wissenschaftliche Heilung ist das Ergebnis des Wirkens des geistigen Gesetzes, das so feststeht und so bestimmt ist wie Gott selbst. Um sich diese göttliche Tätigkeit zu sichern, weiß der Christliche Wissenschafter, daß er sein Denken mit der Wahrheit in Übereinstimmung halten muß, daß er ein Leben führen muß, in dem das Gute vorherrscht, und aus dem Furcht und Sünde und Unkenntnis der Wahrheit soviel wie möglich verdrängt sind. Andernfalls kann er als Praktiker im Sinne der Christlichen Wissenschaft keinen Erfolg haben. Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit (S. 419): „Um im Heilen Erfolg haben zu können, mußt du deine eigne Furcht, wie die deiner Patienten besiegen und dich zu einem höheren und heiligeren Bewußtsein erheben”. Jeder echte Christliche Wissenschafter ist ernstlich bestrebt, dies zu tun.
