Im biblischen Altertum war es oft Sitte, Lob und Dank gegen Gott durch Musik auszudrücken, und das Volk, daß seine Freude bekunden wollte, versammelte sich mit Liebe und Demut im Herzen zu einem gemeinsamen göttlichen Zweck. Paulus schreibt an die Kolosser: „Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern und singet dem Herrn in eurem Herzen”. Geradeso nehmen wir heutzutage dasselbe Vorrecht an, Gott mit Gesang im Herzen unser Lob darzubringen.
Wir oft werden wir durch eine einfache Botschaft aus dem Einzelgesang während des Sonntagsgottesdienstes oder durch die in unseren Liedern geoffenbarten Trostund Zusicherungsworte angespornt und mit Dankbarkeit erfüllt! Wie dankbar sind wir doch für die auf diese Art stattfindenden vielen Heilungen von Krankheit, Furcht und Entmutigung! Kein heilender Balsam ist so wirksam wie geistig erhobenes Denken. Die Worte des Einzelgesangs während des Sonntagmorgengottesdienstes erfüllten einst eine Zuhörerin so mit einem Gefühl erbarmungsvoller brüderlicher Liebe, daß ihr monatelang danach der Antrieb, ihrem Nächsten mehr vom wirklich Guten zu geben, beim Überwinden zahlreicher Schwierigkeiten behilflich war.
Als sie einst versucht wurde, die Arbeit an einer anscheinend langsam weichenden Schwierigkeit aufzugeben, half ihr ein Gedanke aus dem Einzelgesang eines Gottesdienstes, eine böse Einflüsterung des Zweifels zu vertreiben, die, wenn ihr damals nachgegeben worden wäre, viele der Beteiligten unglücklich gemacht hätte. Ein andermal warf die in einigen Worten eines Gesangs enthaltene Wahrheit so viel Licht auf eine gewisse Lage, daß dadurch bitterer Widerstand gegen den Fortschritt des Guten auf liebliche Art zerstreut wurde. Auf viele menschliche Züge wie Ungeduld, Selbstsucht und Verurteilung ist die Aufmerksamkeit durch die Erinnerung an den Einzelgesang unseres Gottesdienstes mit so starkem Nachdruck gelenkt worden, daß das dauernde Verlangen, von diesen unheilsamen Eigenschaften frei zu sein, erweckt wurde. Zuweilen hat nur ein Widerhall des Liedes im Bewußtsein eine treuere Liebe und Dankbarkeit angeregt. Auf Seite 107 in „Miscellaneous Writings” sagt Mrs. Eddy: „Das große Bedürfnis der Menschen ist mehr Liebe. Eine angestrengte, selbstvergessende, Unrecht vergebende und diesem zuvorkommende reine Zuneigung sollte die Leier der menschlichen Liebe anschwellen lassen”.
Versinnbildlicht diese „Leier der menschlichen Liebe” nicht das Denken, das mit einem all-liebenden Gott übereinstimmt, das befriedigt und zufrieden ist, das die drückende Last wegnimmt, den Müden anspornt und führt, die Furcht beruhigt, den Mut belebt, das Leid lindert und die Freude erneuert? Musik drückt Einklang, Übereinstimmung aus. Durch die Christliche Wissenschaft lernen wir verstehen, daß Übereinstimmung eine Eigenschaft Gottes—des Lebens, der Wahrheit, der Liebe—ist. In ihrer Botschaft an Die Mutter-Kirche für 1900 (S. 11) schreibt Mrs. Eddy: „Bewahret in euch den wahren Sinn von Übereinstimmung, und dieser Sinn wird euch in Übereinstimmung bringen, wird Euch einigen und selbstlos machen”; und weiter unten fügt sie hinzu: „Die Musik ist göttlich. Das Gemüt, nicht die Materie, macht die Musik; und wenn der göttliche Ton fehlt, ist der menschliche Ton für mich klanglos”.
Wie sollte also die Musik beschaffen sein? Sollte sie, um mit dem Göttlichen übereinzustimmen, im wesentlichen nicht Gedanken der Übereinstimmung, der Reinheit, des Friedens, der Freude, des Mitgefühls und der Dankbarkeit in sich schließen? Wenn die göttliche Eingebung des Guten das menschliche Bewußtsein erreicht, ist sie unumgänglich von dem Verlangen nach Austreibung des Bösen begleitet. Es wäre ganz unmöglich, sich ein mit Gesundheit und Zuversicht erfülltes Denken vorzustellen, das in demselben Augenblick Annahmen der Krankheit und der Furcht widerspiegelt. Laßt uns also die Musik unserer Gedanken ehrfurchtsvoll behüten und nur solche Eigenschaften hegen, die der Ausdruck des Guten sind!
Indem wir nach den Mitteln forschen, um von diesen erhabenen Bestrebungen, die ihre heilende Kraft an alle Menschen ausströmen, beseelt zu werden, laßt uns folgende Fragen an uns richten: Sind wir gegen einen Bruder, der schwach ist, geduldig und sanft? Haben wir darüber nachgedacht, wie wir ihm sein Joch erleichtern helfen können? Haben wir uns danach gesehnt, alle Menschen frei und gleich zu sehen, oder nehmen unsere persönlichen Aufgaben und Angelegenheiten unsere ganze Zeit und unser ganzes Denken in Anspruch? Die Bibel enthält zahlreiche Beispiele der zärtlichen, mitfühlenden Liebe, die unser Wegweiser Christus Jesus immer bekundete. Sein beständiges Verlangen war, die einträchtige Brüderschaft des Menschen durch Selbstlosigkeit, durch Festhalten am Guten und durch die Erkenntnis des göttlichen Geburtsrechts des wirklichen Menschen aufzurichten. Er hatte ein reines Bewußtsein, das, da es Gott, dem göttlichen Gemüt, unbedingt treu war, nie einen Gedanken annahm, der nicht von diesem einen Gemüt ausging.
Jesu Einssein mit dem göttlichen Gemüt wurde durch die Auferweckung der Tochter des Jairus bewiesen. Er sagte: „Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft”, und wiederum, als seine Freunde ihm erzählten, Lazarus, den er nachher vom Tode auferweckte, sei krank, erwiderte er ihnen ruhig, die Krankheit sei nicht zum Tode, sondern es werde ihnen die Herrlichkeit Gottes geoffenbart werden. In diesen beiden Fällen bewies Jesus, daß die Wahrheit über Gott und über des Menschen Beziehung zu Ihm die irrigen Annahmen von Krankheit und Tod zerstreut. Der ganze Zweck des Meisters war, die Menschen zu lehren, daß Gedanken, die von Gott, dem Guten, ausgehen, Freiheit von der Knechtschaft jedes Übels in sich schließen. Werden daher die Wahrheit, das Leben und die Liebe in Glück, Lob und Dankbarkeit widergespiegelt, so kann ihnen das göttliche Vollbringen nicht versagt bleiben. Ein solch einträchtiger Gesinnungszustand wird von menschlichen Ansichten und Voraussetzungen nicht beunruhigt; er fürchtet sich nicht vor menschlichen Verfahren und Absichten; er wundert sich nicht, er zweifelt nicht; er weiß, daß, weil das Gute die einzige Wirklichkeit ist, alles, was nicht gut ist, unwirklich ist.
Mit dieser erhabenen göttlichen Eingebung beständig vor Augen sollten wir jede Gelegenheit wahrnehmen, in unserem täglichen Leben und Denken mehr vom Guten zu beweisen, um für jeden melodischen Klang der Wahrheit und der Liebe empfänglich zu sein, damit wir auf diese Art ein Lied im Herzen anstimmen. Auf Seite 204 in „Miscellaneous Writings” schreibt Mrs. Eddy: „Die Taufe des Heiligen Geistes ist der von allen Sünden reinigende Geist der Wahrheit, der den Sterblichen neue Beweggründe, neue Ziele, neue Neigungen gibt, die alle aufwärts weisen”; und auf derselben Seite sagt sie auch: „Wenn der gute Kampf ausgefochten ist, legt der Irrtum seine Waffen nieder und küßt die Füße der Liebe, während der weißbeschwingte Friede dem Herzen ein Lied der Engel singt”.
