Mrs. Eddy schrieb keine umwälzenderen Worte als die „wissenschaftliche Erklärung des Seins” auf Seite 468 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”. Dieser kurze Abschnitt fordert, da er den Anspruch des materiellen Weltalls auf Wesenheit und Kraft leugnet, die Philosophien aller Zeiten heraus. Von ungeheurer Bedeutung sind diese kurzen Sätze, die die Gottheit und die wahre Schöpfung als die Wesenheit aller Wirklichkeit bezeichnen. „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung” läßt keine Möglichkeit einer von Gott und Seinem unendlichen geistigen Weltall getrennten Wirklichkeit oder eines von ihnen getrennten Daseins zu.
Nachdenkende Personen waren ganz bereit, die schöpferische Kraft als vernünftig anzuerkennen, doch niemand vor unserer Führerin erklärte Gott als das unendliche und allumfassende Gemüt, als den Schöpfer des vollkommenen Weltalls göttlicher Ideen. Die Erklärung der Mrs. Eddy leugnet bestimmt die Möglichkeit, daß den Gegenständen des persönlichen Sinnes, die sich hinsichtlich ihrer wesentlichsten Seiten auf Grund genauer Untersuchung nur als gegenständliche Formen eines materiellen Glaubens erweisen, Wesenheit oder Substanz innewohne.
Auf Seite 27 in „Miscellaneous Writings” legt Mrs. Eddy dies in der metaphysischen Besprechung eines Steins dar. Nach Feststellung, daß Materie in allen Formen und Böses in jeder Erscheinung kein Dasein, kein Wesen haben und Verneinungen sind, fragt sie, ob ein Stein geistig sei, und erwidert: „Für den irrenden materiellen Sinn nicht!, doch für den nicht-irrenden geistigen Sinn ist er eine kleine Kundwerdung des Gemüts, eine bildliche Darstellung geistiger Substanz”. Und nach der weiteren Erklärung, daß er die Eigenschaften habe, die gewöhnlich der Substanz zugeschrieben werden, d.h. daß er substanziell sei, schreibt sie folgenden überaus lehrreichen Satz: „Beseitige den sterblichen Sinn von Substanz, und der Stein selbst verschwindet, um nur im geistigen Sinne von Substanz wiederzuerscheinen”.
Offenbar können wir nur in dem Maße geistig erkennen, wie wir aufhören, materiell zu erkennen, und infolgedessen wird in dem Maße, wie wir aufhören, materiell zu erkennen, die wahre Substanz erkannt. Wenn wir durch den geistigen Sinn an Stelle eines materiellen Steins die geistigen Eigenschaften erkennen, die der wahren Substanz angehören, beweisen wir die Allheit des Gemüts und seiner Kundwerdung. Der sogenannte materielle Sinn bietet bei seinen Anstrengungen, die Substanz und die Eigenschaften des göttlichen Gemüts nachzuahmen, seine falschen Augenscheinlichkeiten und Zeugnisse dar, die wir als christliche Metaphysiker verpflichtet sind, zurückzuweisen, nicht durch blindes Leugnen ihrer Ansprüche auf Wirklichkeit — obgleich ein solches Leugnen bei weitem besser ist als das Billigen ihrer Vorwände —, sondern durch Bekräftigen ihrer Unwirklichkeit auf Grund unserer sicheren Erkenntnis. Als Christliche Wissenschafter können wir bekräftigen, daß der Geist allein Substanz ist, und daß nur dem Geist und seinem unendlichen Weltall vollkommener Ideen Wesenheit und Wirklichkeit innewohnen.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft ist sich der Notwendigkeit des beständigen Leugnens des materiellen Sinnenzeugnisses bewußt, damit das Wirkliche in seinem Bewußtsein gegenwärtig sei. Beständiges Bewachen unserer Gedanken ist der Preis, den wir für geistiges Wachstum bezahlen. Doch im Hinblick auf die durch das Erwerben des geistigen Sinnes des Weltalls gewonnenen unberechenbaren Wohltaten ist der Preis nicht zu hoch. Das sogenannte sterbliche Gemüt mag dieser beständigen Forderungen überdrüssig und ihretwegen mutlos zu werden scheinen; doch der Fortschritt in der Richtung des Geistes ist von Belohnungen begleitet, die nicht in materiellen Ausdrücken bewertet werden können.
Zuweilen beklagt sich der Sterbliche, dem es nicht gelingt, die unendliche Gegenwart zu erkennen, er müsse „so vielem entgegentreten”, der Irrtum scheine seine menschliche Erfahrung vollständig zu umgeben. Aber solche Schlußfolgerungen sind nur die Folge des Mißlingens des Erkennens der unendlichen Gegenwart des Guten, des Gemüts und seiner Kundwerdung. Wo göttliche Güte ist — und sie ist überall — kann das Böse nicht sein. Daher entspringt der Glaube an die Gegenwart des Bösen nur unserem irrenden Sinn, unserem ganz und gar irrenden Sinn der Abwesenheit des Guten.
Wie vollständig doch unsere Führerin die Ansprüche der Materie, Substanz und Wesenheit zu sein, d.h. für die Qualen und Trübsale der Sterblichen verantwortlich zu sein, ablehnt! „Wenn Gemüt innerhalb und außerhalb aller Dinge ist, dann ist alles Gemüt”, schreibt sie auf Seite 257 in Wissenschaft und Gesundheit, und überzeugend fügt sie hinzu: „und diese Definition ist wissenschaftlich”. Was innerhalb und außerhalb aller Wirklichkeit ist, umfaßt alles und schließt alles in sich. Die Sterblichen müssen also dem falschen Sinn entgegentreten, der, im Bewußtsein beherbergt, sich den Schein der Wirklichkeit anmaßt, der aber, im Lichte wissenschaftlichen Verständnisses zurückgewiesen und geleugnet — auf sein natürliches Nichts zurückgeführt —, verschwindet.
Als Antwort auf die forschende Frage: „Wer wird wohnen in deiner Hütte? Wer wird bleiben auf deinem heiligen Berge?” erwidert der Psalmist: „Wer ohne Tadel einhergeht und recht tut und redet die Wahrheit von Herzen”. Die Wahrheit von Herzen reden, d.h. im Denken nur das Wirkliche und Wahre festhalten, ist das unumschränkte Mittel zur Überwindung der Ansprüche des Bösen oder der Materialität in allen ihren Formen. Diejenigen, die überwinden, gehen ohne Tadel einher und tun recht; denn für sie hat das Böse seine Scheinkraft verloren. Sie haben ihr Denken so vergeistigt, daß sie keine irrigen Annahmen mehr beherbergen, sondern ihnen den Eintritt in den Haushalt des Denkens verweigern. Zurückgewiesener Irrtum verliert seine Scheinkraft.
In dieser Weise beweisen wir für uns die Worte unserer Führerin, und in dem Maße, wie die Christliche Wissenschaft einen nützlichen Einfluß auf unser Leben ausübt, hegen wir nicht mehr den Glauben, daß wir mehr Widerwärtigem entgegentreten müssen als andere Menschen; denn wir haben über die Möglichkeit einer Widerlegung hinaus erkennen gelernt, daß wir wegen der Allheit des Gemüts und seiner Kundwerdung nur dem Gemüt „entgegentreten” müssen. Der Himmel wird gerade in dieser Weise erlangt.