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Geistigkeit

Aus der März 1927-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Keinem von denen, die mit der besten Literatur unserer Zeit vertraut sind, kann es entgehen, daß die Denker der ganzen Welt wie nie zuvor danach trachten, geistige Dinge zu begreifen. Die Christliche Wissenschaft erklärt dieses tiefste Sehnen des Menschenherzens durch ihre oft wiederholten Erklärungen, daß der wirkliche Mensch nicht materiell sondern geistig ist, wie er sein muß, wenn wir die biblische Erklärung, daß der Mensch das Bild und Gleichnis Gottes ist, annehmen sollen. Es ist noch gar nicht so lange her, daß fromme Leute es für anmaßend hielten, auf diese Art zu beanspruchen, der Mensch sei das Gleichnis Gottes; denn viele glaubten, Gott sei ein auf einem Throne sitzendes körperliches Wesen, und von einem irrigen Sinn von Ursächlichkeit aus folgerten sie, Gott müsse, da der Mensch körperlich zu sein scheine, notwendigerweise auch körperlich sein. Doch langsam aber sicher führte die große Wahrheit über Gottes und den Menschen zu der Überzeugung, daß der Mensch als Gleichnis Gottes geistig sein muß, geistig ist und im Wesen so ausgedrückt ist. Gott hat „sich selbst nie unbezeugt gelassen”, und in der gegenwärtigen Zeit sprechen viele Denker zu Gunsten der Vergeistigung des Denkens und Lebens. Viele weisen sogar auf die Widersinnigkeiten einer Religion, die von Materialität beherrscht wird, und infolgedessen auf die Tatsache hin, daß das menschliche Leben im Denken, Reden und Handeln ein trostloses Bild des Aufgehens in der Materialität zu bieten scheine.

Die Christlichen Wissenschafter tun gut, oft innezuhalten und über das göttliche Gebot nachzudenken, das an Abraham erging, als er neunundneunzig Jahre alt war, und das lautet: „Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei vollkommen” (engl. Bibel). Wenn wir dies lesen, erinnern wir uns, daß in der Bergpredigt dieselbe Forderung wiederholt wird. Doch viele, die sich zum Christentum bekennen, stellen, so seltsam es auch klingt, die Ausführbarkeit dieser göttlichen Forderung in Frage, wenn sie sie nicht gar leugnen. Zweifellos ist ein solcher Bewußtseinszustand die Folge des Versunkenseins des menschlichen Denkens in materiellen Glauben; aber auf keine andere Art ist es möglich, dieser Forderung des göttlichen Gesetzes zu gehorchen als durch Vergeistigung des Denkens. Auf Seite 355 und 356 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, sagt Mrs. Eddy: „Es ist befremdend genug, daß wir verlangen, materielle Theorien sollen geistige und ewige Wahrheiten stützen, wo doch beide sich so widerstreiten, daß der materielle Gedanke erst vergeistigt werden muß, ehe die geistige Tatsache erlangt wird. Das sogenannte materielle Dasein bietet keinen Augenschein von dem geistigen Dasein und von der Unsterblichkeit”.

Vertiefen wir uns im Lichte der Christlichen Wissenschaft in die Bibel, so finden wir, daß die Menschen immer, wenn sie materieller Knechtschaft, gleichviel welcher Art, zu entrinnen suchten, durch Strahlen geistigen Lichtes hiezu veranlaßt wurden, die alles neu machten und in stets zunehmendem Maße die unendlichen geistigen Möglichkeiten des Menschen als des Kindes Gottes offenbarten. In unserer Zeit scheint die große Gefahr darin zu liegen, daß die Menschen in dem Maße, wie die mehr materiellen Gottesbegriffe verschwinden, glauben, alles Denken über Gott aufgeben und statt dessen die menschlichen Begriffe vom Menschen verherrlichen zu dürfen in der Annahme, daß sie ohne Anerkennung der göttlichen Gegenwart und Kraft sich selbst von allem Übel erlösen können. Zwar lesen wir in der Bibel: „Schaffet, daß ihr selig werdet”; doch diese Forderung beruht auf der Zusicherung: „Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen”.

Von diesem Gesichtspunkte aus birgt jedes rechte Unternehmen nicht die geringste Ungewißheit in sich, wenn wir die Bedeutung der an Mose gerichteten göttlichen Mahnung erfassen und festhalten. Diese lautet: „Schaue zu, ... daß du machest alles nach dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeigt ist”. Niemand wird leugnen, daß dieses Bild geistig war. Wir lesen von den Männern und Weibern jener alten Zeit, denen „die Weisheit ins Herz gegeben” war, und die während ihres Zuges durch die Wüste mit eigener Hand allerlei Werk für die Stiftshütte verrichteten. Auch lesen wir im 31. Kapitel des 2. Buchs Mose von einem Manne, der auf die göttliche Stimme hörte und ihr gehorchte, einem aus dem Stamme Juda, von dem es heißt, er war „erfüllt mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit allerlei Geschicklichkeit”. Mose war bestrebt, das Denken der Israeliten über den materiellen Sinn von Gott und dem Menschen zu erheben, daher konnte er ihnen jenes herrliche erste Gebot geben: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben”. Dieses blieb durch alle Jahrhunderte der menschlichen Erfahrung hindurch bestehen und wird bestehen bleiben, bis die Seligkeit der Erkenntnis des einen Gottes, des einen Gemüts, ganz verwirklicht ist.

Hier könnte man fragen, ob es denn geistigen Verständnisses und geistiger Weisheit auf seiten der Weiber bedurfte, um das Gespinst für die Vorhänge der Stiftshütte anzufertigen und zu färben, und auf seiten der Männer, die Handwerker waren, um die Bundeslade aus Holz, das mit feinem Golde überzogen war, und alle Dinge herzustellen, die dem Volke jener alten Zeit die geistigen Wirklichkeiten versinnbildlichten, die es ebenso langsam begriff, wie viele es sogar heute noch tun. Es ist klar, daß diese Männer und Weiber durch das geistige Vorbild der Vollkommenheit göttlich so erleuchtet waren, daß sie ihre Arbeit in der Erkenntnis verrichteten, daß nichts Geringeres als diese Vollkommenheit den Dienst leisten konnte, der dem Gott, der sie durch die Wüste führte, angenehm ist, der unsichtbaren Gegenwart, dem göttlichen Gemüt, dessen Forderung ihr Denken über die Dinge, die sie sehen und greifen konnten, zu den unsichtbaren Wirklichkeiten erhob, die durch ein gottähnliches Wesen am besten widergespiegelt werden. Ein Dichter des vorigen Jahrhunderts sagte von Mose:

„Nie schrieb ein Weiser mit gold’ner Feder
Auf unsterbliche Seiten
Wahrheiten nur halb so weise
Wie er für die Menschen”.

Viele Menschen mögen vielleicht einwenden, es sei leicht gewesen, während der Zubereitung der Dinge für die Stiftshütte und später derjenigen für den Tempel geistige Wirklichkeit zu erblicken und zu wissen, daß Hingebung des Denkens, Redens und Handelns zur Zubereitung dieser Dinge erforderlich waren; doch wie viele Menschen erkennen, daß sich die göttliche Forderung an jeden von uns richtet und nie etwas Geringeres als Vollkommenheit zum Ziele hat, ganz gleich, was auch die Aufgaben jedes Tages seien?

Allzulang ist der Idealist als bloßer Träumer angesehen worden; aber durch die einfachen, doch erhabenen Lehren der Christlichen Wissenschaft lernt die Welt sicher verstehen, daß die Verwirklichung alles Guten mögliche ist. Ihre Verheißung der Gesundheit durch das Verständnis des geistigen Gesetzes ruft den Wanderer vom festgetretenen Pfade materieller Lehren und Annahmen weg, und in dieser Weise wird ein großes Maß von Freiheit des Denkens gewonnen. Das Trachten nach dem Verständnis und Sichzueigenmachen der wirklichen Dinge des Lebens bringt neue Hoffnungen und Freuden, neue Kraft und neuen Mut, womit wir die Aufgaben jedes Tages ausarbeiten können. Allzu viele Menschen denken, Freude sei etwas von der Arbeit Getrenntes, während sie doch von der Arbeit unzertrennlich ist. Sehr vielen Menschen scheint Arbeit so eng mit materiellen Dingen verwandt zu sein, daß sie infolge langer Knechtschaft eines falschen Glaubens Freude als den Lohn ansehen, der, wenn er überhaupt geerntet wird, erst nach vollendeter Arbeit kommt. Wäre dies wahr — was jedoch nicht der Fall ist —,so wäre man beim Eintreffen des Segens nicht bereit, ihn anzuerkennen und zu empfangen. Können wir uns einen großen Künstler denken, der sich Tag für Tag abmüht, aus dem Marmorblock das ihm vorschwebende Bild der Stärke, der Schönheit und der Freiheit herauszumeißeln, ohne zu wissen, daß er die ganze Zeit an der Freude teilnimmt, die bei jedem Schritt des Weges neue Kraft verleiht?

Wer bestrebt ist, nach bestem Können das geistige Vorbild des Menschen auszudrücken, gleichviel wie schwierig oder alltäglich seine Aufgabe auf menschlicher Seite scheinen mag, findet den ganzen Weg entlang Freude, weil diese vom geistigen Vorbild selbst unzertrennlich ist. Manche Menschen erklären, die Forderung nach Sittlichkeit sei kalt und streng; doch wer dies sagt oder denkt, ist im Irrtum. Vollständige geistige Anstrengung wird mit Freude gekrönt; denn die göttlichen Gesetze des Seins, die von einem allweisen und allliebenden Schöpfer — dem das Weltall und den Menschen regierenden vollkommenen Gemüt — erzählen, flößen Hoffnung und Freude ein. Es ist schade, daß die Jahre alle vergeudet werden sollen in dem Glauben, es könne irgend etwas, was der Mühe wert ist, gewonnen werden, solange man den Trugbildern materiellen Glaubens nachjagt. Schade ist es auch, daß so viele Mensen den von Wordsworth in seinem großen Gedichte zum Ausdruck gebrachten Gedanken, daß

... nichts die Stunde wiederbringt
Der Herrlichkeit des Grases und des Grases Blume,

betrübt hinnehmen, wenn doch gleichzeitig der Dichter nach bestem Wissen für das geistige Sehnen, das alle sterblichen Freuden weit übersteigt, selbst eintritt.

Laßt uns frohlocken, daß die Menschen beginnen zu erkennen, daß die Welt am meisten der Geistigkeit bedarf; haben wir doch in den Schriften der Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 494) folgende eindringliche Zusicherung: „Die göttliche Liebe hat immer jede menschliche Notdurft gestillt und wird sie immer stillen”. Allzulang hat die Welt geglaubt, daß der Mensch das geistige Sein wohl erhoffen, doch es erst nach dem Tode verwirklichen könne. Die Christliche Wissenschaft lehrt unzählige Tausende, daß der Mensch Gottes hier und jetzt geistig ist. Diese große Wahrheit befähigte Christus Jesus, nicht nur die Kranken zu heilen, die Sünder zu reinigen und sogar die Toten aufzuerwecken, sondern alles, was er tat und lehrte, wies auf nichts Geringeres als reine Geistigkeit hin. Paulus sagt: „Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit”.

Wir sollten oft innehalten und über die Worte des Meisters an die Samariterin am Jakobsbrunnen nachdenken: „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will haben, die ihn also anbeten”. Ein Denker des vorigen Jahrhunderts forderte, wir sollen Gott „in dem Sakrament unserer täglichen Arbeit” nähertreten. Dies würde tiefe Geistigkeit, geistige Reinheit, mit erneuter Stärke für jede Aufgabe und Freude in jedem wahren Bemühen bedeuten.


Sorget nichts! sondern in allen Dingen lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!— Philipper 4:6, 7

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