Durch nachhaltiges und andächtiges Sichbefassen mit den sieben sinnverwandten Ausdrücken für Gott, die Mrs. Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 465) darbietet, machen die Schüler der Christlichen Wissenschaft großen geistigen Fortschritt. Ihr Verständnis der Eigenschaften, der Merkmale und der Unendlichkeit der Gottheit erweitert sich dadurch im Verhältnis zu der Treue, mit der sie sich dieser Aufgabe hingeben. Der Schüler findet gewöhnlich, daß einer der sieben Ausdrücke ihn mehr anspricht als alle anderen, und dieser eine wird für ihn derjenige sinnverwandte Ausdruck für Gott, den er allen anderen vorzieht. Wenn sich jedoch sein Begriff erweitert, wird er wohl vom einen zum andern übergehen, bis er sich in seinem nachhaltigen Studium mit der ganzen Gruppe befaßt hat.
Ein Schüler der Christlichen Wissenschaft pflegte kurze Abhandlungen über jeden der sieben Ausdrücke zu schreiben, und in dieser Weise versuchte er beständig eine größere Entfaltung der Bedeutung jedes dieser Ausdrücke zu gewinnen. Dann schrieb er Abhandlungen über das Gegenteil jedes dieser bedeutsamen Worte, über den entgegengesetzten Begriff, so weit ein solcher festgestellt werden konnte. Daß durch diesen Vorgang sein Begriff von der Gottheit in beträchtlichem Maße erweitert wurde, unterliegt keinem Zweifel.
Von den im Neuen Testament vorkommenden sinnverwandten Ausdrücken für Gott sind Geist und Liebe die auffallendsten. Johannes legt in seinen Briefen Nachdruck auf Gott als die Liebe, und allen seinen Schriften entströmt der liebliche Duft dieser göttlichen Eigenschaft. Kein anderer Ausdruck bezeichnet das Wesen der Gottheit so vollkommen wie das Wort „Liebe”. Mrs. Eddy gebraucht dieses Wort als dasjenige, das die klarste Vorstellung von Gott gibt, und auf Seite 6 in Wissenschaft und Gesundheit legt sie die Bedeutung des Gottesbegriffs als Liebe folgendermaßen dar: „,Gott ist Liebe‘. Mehr können wir nicht erbitten, höher können wir nicht schauen, weiter können wir nicht gehen”. Unsere verehrte Führerin erblickte in diesem sinnverwandten Wort für die Gottheit den allumfassenden Ausdruck für die göttliche Güte. Viel, viel mehr als das Menschenherz hinsichtlich des göttlichen Wesens je wünschen oder ersehnen könnte, schließt dieses Wort in sich. Es ist das höchste Gut des göttlichen Wesens. Die Sterblichen haben nur den leichtesten Schatten, einen unendlich kleinen Teil der Bedeutung erfassen können, die die von unserer Führerin wiederholten Worte des Johannes: „Gott ist Liebe” in sich schließen. Doch dieses Wort steckt uns ein Ziel, nach dem alle Menschen mit der Gewißheit unbegrenzbarer Segnungen in dem Maße trachten können, wie sie seine höheren Bedeutungen erfassen. Die Worte des Paulus: „Glaube, Hoffnung, Liebe ... aber die Liebe ist die größte unter ihnen”, wie sie von Übersetzern unserer Zeit wiedergegeben werden, stimmen genau mit diesem Gottheitsbegriff überein.
Wir sind anscheinend gewohnt, unsere Gottheitsbegriffe nach unserer menschlichen Erfahrung zu bilden, und infolgedessen bringen wir Gott als die Liebe mit der höchsten Menschenliebe in Verbindung. Wir denken uns die göttliche Liebe in der Mutterliebe oder in einer solch erhabenen Freundschaft wie derjenigen zwischen David und Jonathan oder zwischen Damon und Pythias zum Ausdruck gebracht. Wir sind weniger geneigt, Stärke und Kraft als Sanftmut, Barmherzigkeit und Gnade mit Liebe in Verbindung zu bringen. Doch wenn wir großzügig denken, wie wir es in der Christlichen Wissenschaft gelehrt werden, kommen wir zu der Erkenntnis, daß die Liebe die Allmacht ist. Da der allmächtige Eine, Gott, die Liebe ist, ist die Liebe die Besiegerin, die Zerstörerin alles dessen im menschlichen Denken, was ihr unähnlich ist, und da die Liebe die unendliche Allmacht ist, ist die Ausübung der göttlichen Kraft immer die Tätigkeit der unendlichen Liebe. Wie vollständig doch dies den Jehovabegriff von Gott beseitigt,—einem Gott, der Seine Gnade in dem Maße walten ließ, wie Sein Zorn beschwichtigt und Seine Gunst durch materielle Opfer gewonnen wurde!
Der Fortschritt der Gesittung hat gleichen Schritt mit der Änderung des Denkens über Gott gehalten. Mrs. Eddy erklärt rückhaltlos, daß die Länder und Völker des Ostens ihre falschen Regierungen der dort vorherrschenden falschen Vorstellung von der Gottheit verdanken, und sie macht klar, daß die Kriege und die Unduldsamkeit, die in so großem Maße die Weltgeschichte ausfüllen, aus falschen Vorstellungen von der Gottheit hervorgehen. Der Begriff von einem Gott mit menschlichen Leidenschaften und Eigenschaften hat die Menschen sehr irregeführt. Mit was für einer Erwartung wunderbarer Segnungen können wir dann beginnen, Ihn als den liebenden Vater-Mutter, als die vollkommene, alles durchdringende Liebe, als den Urheber und Erhalter des Weltalls anzusehen! Selbst nur ein vorübergehender Lichtblick dieser bedeutsamen Wahrheit ändert vollständig die Richtung unseres Denkens und unsere Lebensaussichten. Was wird angesichts dieser unvergleichlichen Tatsache aus dem Haß, der Bosheit, der Gier, aus allen Formen der Selbstsucht?
Sicher kann im Reiche der unendlichen Liebe etwas Liebloses weder Wesenheit noch Ort haben. Was auch immer in der menschlichen Erfahrung der Liebe, die göttlich ist, ungleich ist, kann daher keine Wirklichkeitsform, keinen Ort im geistigen Weltall haben. Überdies werden die göttlichen Eigenschaften und Merkmale durch göttliche Ideen widergespiegelt. Da die göttlichen Ideen alle Eigenschaften und Merkmale Gottes widerspiegeln, sind dem Menschen die Kraft und die Vorrechte der göttlichen Liebe durch Widerspiegelung eigen. Mrs. Eddy macht dies auf Seite 518 in Wissenschaft und Gesundheit überaus klar mit den Worten: „Liebe verleiht der geringsten geistigen Idee Macht, Unsterblichkeit und Güte, die durch alles hindurchscheinen, der Blüte gleich, die durch die Knospe hindurchscheint”. Die alles besiegende Macht der Liebe findet ihren Ausdruck in ihren vollkommenen Ideen, und aus diesen Ideen besteht der Mensch.
Wie unermeßlich des Menschen Möglichkeiten doch sind, wenn man sie im Lichte dieser Überlegung betrachtet! Dieses Verständnis hebt die Sterblichen hoch empor über die Niedrigkeit und Begrenzung, die dem menschlichen Leben so allgemein anhaften und erhebt sie in jenen erhabenen Zustand, wo die Liebe allein regiert. In dem Maße, wie man einen entsprechenden Begriff von des Menschen wahrem Zustand gewinnt, verlieren die materiellen Annahmen etwas von ihrer Wirklichkeit, und des Menschen geistiger Stand als der Sproß der Liebe tritt in Erscheinung, „der Blüte gleich, die durch die Knospe hindurchscheint”. Welch wunderbare Aussicht! Wie verlockend die Möglichkeit von des Menschen Einheit mit der ewig sich entfaltenden Liebe für die Sterblichen doch wird! Ein solcher Lichtblick der Wahrheit ist in der Tat ein Vorschmack des Himmels. Die Liebe, die Besiegerin alles dessen, was ihr ungleich ist! Haß, Feindschaft, alles, was dem Göttlichen ungleich ist, verschwindet vor dem allmächtigen Guten. Die Liebe ist die Siegerin.
