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Reinigende Feuer

Aus der Dezember 1928-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Viele Schüler machen die Erfahrung, daß sie bei fortgesetztem Eindringen in die Christliche Wissenschaft anscheinend auf viele Schwierigkeiten stoßen. Manchmal mag es sogar scheinen, als ob ihr Weg schwieriger sei als derjenige anderer, die nicht dieselbe Anstrengung zu machen scheinen und sich nicht einmal um geistige Dinge kümmern. Es mag einem zuweilen verwirrend vorkommen, warum der Christliche Wissenschafter solch schwierige Erfahrungen zu machen hat.

Es ist einleuchtend, daß wir, wenn wir unser Verlangen nach geistigem Wachstum über alles stellen, uns mit unserem gegenwärtigen Verständnis der Wahrheit nicht zufrieden geben können. In Wirklichkeit sind wir jetzt die Kinder Gottes. Damit dies aber in Erscheinung trete,— bekundet werde,— müssen wir alles, was die Kundwerdung der geistigen Idee zu verhindern trachtet, in unserem Denken überwinden.

In der Welt geistigen Vollbringens werden dem eifrigen Trachter nach der Wahrheit immer höhere Ziele des Erreichbaren geoffenbart. Je weiter wir im geistigen Verständnis Gottes und des Menschen vordringen, desto mehr wird das, was Gott unähnlich ist, aufgedeckt, bis sich alle sterblichen Annahmen als unwirklich erwiesen haben. Walt Whitman schreibt: „Es liegt bestimmt im innersten Wesen der Dinge, daß aus jeder Ernte des Erfolgs, ganz gleich welcher Art, etwas hervorgehen wird, was einen größeren Kampf notwendig macht”. Auf den ersten Blick möchte man glauben, eine solche Erklärung stelle einen endlosen Kampf in Aussicht. Sobald man aber vom Standpunkte des Wachstums aus darüber nachdenkt, ist man eingedenk, daß alle Frucht einen Samen oder mehrere Samen enthält, die, wenn gepflanzt und gepflegt, vervielfältigte Frucht hervorbringen. Haben wir bis zu einem gewissen Grade geistige Herrschaft erlangt, so werden wir höhere Ziele des Erreichbaren vor uns sehen, das Verlangen nach edleren geistigen Eigenschaften. In diesem Sinne enthält unser Fortschritt den Samen eines weiteren Wachstums statt desjenigen eines weiteren Kampfes.

Dieser Wachstumsvorgang kann zuweilen einem Leidensvorgang zu gleichen scheinen; aber die Läuterung, die die Schlacken von dem Golde trennt, schadet nie dem Golde, sondern enthüllt es in seiner ganzen ursprünglichen Reinheit. Was auch unsere Schwierigkeit zu sein scheint, sie geht stets aus dem Glauben an ein von Gott getrenntes Dasein hervor. Wenn wir verstehen lernen, daß der einzige Widerstreit zwischen der körperlichen und der geistigen Daseinsauffassung besteht, werden wir solche Erfahrungen willkommen heißen, die uns zwingen, die Unwirklichkeit des Körperlichen und die Wirklichkeit des Geistigen zu beweisen.

Demütiges Prüfen unserer Gedankenvorgänge wird oft die Ursache unseres Leidens enthüllen; und wenn wir ehrlich genug und mutig genug sind, werden wir es bald austreiben. Nur der falsche, körperliche Sinn leidet. Der geistige Sinn ist sich der Einheit des Menschen mit dem Vater stets bewußt. Mit einem Schimmer geistiger Erleuchtung schrieb Emerson: „Nur das Endliche hat gearbeitet und gelitten; das Unendliche breitet sich in lächelnder Ruhe aus”. Dies mag für den mit dem liebreichen Erbarmen der göttlichen Liebe nicht vertrauten Gedanken nur wie kalte Verstandesklügelei klingen; aber die Christliche Wissenschaft offenbart uns, daß der Mensch immer die strahlende Widerspiegelung Gottes ist, und zeigt uns, wie wir von dem leidenden, irrenden endlichen Sinn frei werden können.

Wir brauchen nicht zu kämpfen, das Menschliche in das Göttliche umzuwandeln,— dies wäre ein unmögliches Beginnen; aber wir müssen das Göttliche das Menschliche überwinden lassen, gerade wie das Licht die Finsternis überwindet. Leiden ist nicht unbedingt ein Zeichen des Fortschritts. Zwei Menschen können ähnliche bittere Erfahrungen durchmachen, und der eine kann gereinigt werden, während der andere verbittert zu werden scheint. Die Erfahrung allein reinigt nicht; die Reinigung ist das Ergebnis dessen, wie wir über die Erfahrung denken. Treten wir an jede menschliche Aufgabe mit der Gewißheit heran, daß sie eine Gelegenheit ist, mehr von der Christusidee zu lernen, die wir widerspiegeln sollten, so werden unsere Aufgaben herrliche Schrittsteine zu einem volleren Verständnis der Allheit des Guten.

Nachdem wir unsern Beweis in gewissem Maße erbracht haben, bedürfen wir um so mehr geistiger Wachsamkeit, um unsere Stellung zu behaupten und auf die an jenem Punkte des Wachstums an uns herantretenden Aufgaben vorbereitet zu sein. Mrs. Eddy erklärt in „Christian Healing” (S. 1): „Des Himmels Gnadenerweisungen sind erschütternd. Es sind Rufe zu höheren Pflichten, sie entbinden nicht von Verpflichtung”. Diese „höheren Pflichten” können höhere Aufgaben mit sich bringen; sind wir aber für die höhere Pflicht vorbereitet, so werden wir auch für die Aufgaben vorbereitet sein, die sich bei der Ausführung dieser Pflicht einstellen.

Während das Denken sich vergeistigt und wir uns mit dem geistigen Sinn des Daseins mehr wesenseins erklären, nimmt das Ringen ab und die Freude zu. Während wir geistig fortschreiten, lernen wir mehr im geistig Wirklichen ruhen. Unsere Führerin schreibt in „Nein und Ja” (S. 36): „Der menschliche Jesus hatte eine Zuflucht in seinem höheren Selbst und in seiner Verbindung mit dem Vater. Dort konnte er in der bewußten Wirklichkeit und Hoheit seines Wesens vor den unwirklichen Anfechtungen Ruhe finden,— indem er das Sterbliche für unwirklich und das Göttliche für wirklich hielt. Dieses Sichzurückziehen von der körperlichen zur geistigen Selbstheit stärkte ihn zum Sieg über Sünde, Krankheit und Tod”.

Wir werden diesen Kampf oder Vorgang des Wachstums um so freudiger aufnehmen, je mehr wir die Kraft der geistigen Idee erkennen, die alles, was Gott unähnlich ist, besiegt. Der geistige Sinn zeugt immer für den Sieg der Gerechtigkeit. Der körperliche Sinn flüstert uns Fehlschlag ein und weist auf die Gottlosen hin, die wie ein Lorbeerbaum grünen. Der körperliche Sinn versucht uns, die Kraft des Guten zu bezweifeln,— die Kraft der rechten Idee, sich zu behaupten. Der körperliche Sinn möchte das menschliche Selbst rechtfertigen; aber der geistige Sinn weiß, daß Gerechtigkeit, die in Gott, nicht im Selbst, festbegründet ist, alle Hindernisse überwinden muß. Dieses zuversichtliche Vertrauen auf den Sieg dessen, was Gott für uns beabsichtigt, wird uns von dem Verlangen nach persönlichem Erfolg oder von der Furcht vor persönlichem Mißerfolg freimachen.

Jesus war sich des Sieges der geistigen Idee so sicher, daß er angesichts des Kreuzes zu seinen Jüngern sagen konnte: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch”. Was für eine Entstellung der Lehre des Meisters es doch ist, zu glauben, daß Mißerfolg und enttäuschte Hoffnungen der Lohn des ernsten Arbeiters seien, und daß es des Menschen Los sei, seine Tage mit Leiden, Verfall und Tod zu beschließen!

Das menschliche Selbst schreckt zurück vor Schmerzen, vor der seelischen Anstrengung der Selbstzucht, deren es zur Unterwerfung des körperlichen Sinnes bedarf. „Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden”, ruft der Schreiber an die Hebräer aus; und siegesgewiß erklärt Paulus: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? ... Aber in dem allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebet hat”.

Wir bedürfen der seelischen Zucht der Selbstaufopferung. Unsere bahnbrechenden Vorfahren erduldeten bei ihrem Ringen um die Gründung einer Heimat im neuen Lande unbeschreibliche Mühsale, und sie verbanden mit dem Ringen Mut, Glaubenstreue und Ausdauer. Können wir diese Eigenschaften nicht pflegen in dem Bemühen, die Stadt zu erreichen, die nicht mit Händen gemacht ist, indem wir täglich das Zeugnis des körperlichen Sinnes überwinden, das uns zu hindern sucht, unser geistiges Erbe in Besitz zu nehmen? Sehr oft gibt sich das menschliche Gemüt sowohl bei geistigem Fortschritt als auch bei menschlichem Bemühen mit Mittelmäßigkeit zufrieden. Wenn sich aber der Gesichtskreis unserer geistigen Wünsche erweitert, werden wir nur dann satt werden, wenn wir erwachen an Seinem Bilde.

Statt jeder weltlichen Freude, die wir durch Leiden gezwungen werden mögen, aufzugeben, werden wir unaussprechlichen geistigen Reichtum gewinnen, deren Freude nicht am körperlichen Sinn gemessen werden kann. Laßt uns froh und fröhlich sein, daß wir uns freudig der Züchtigung unterwerfen lernen, auf die sich Jesus bezog, als er sagte: „Eine jegliche Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jegliche, die da Frucht bringt, wird er reinigen, daß sie mehr Frucht bringe”! Freuen wir uns über jede Erfahrung, die uns hilft, sinnliche Wünsche, sinnliche Hoffnungen und Ziele aufzugeben! Dann können wir aufrichtig in das Gebet, das uns unsere geliebte Führerin gegeben hat, mit einstimmen (Gedichte, S. 4):

„O mach’ mich froh, ob herb die Träne floß,
Die um Enttäuschung, Undank, ich vergoß!
Herz, harre aus: für Haß lieb’ um so mehr!
Gott ist ja gut, Verlust oft segenschwer”.

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