An einem Frühlingsmorgen, einem solch vollkommenen Frühlingsmorgen, wie ihn Browning schilderte, als er schrieb:
Gott ist in seinem Himmel —
Alles geht gut in der Welt!
vergnügten sich auf einem benachbarten Rasenplatze drei Rotkehlchen. Gerade ihre Einmütigkeit verlieh dem Bilde einen unerklärbaren Frieden und eine erweiterte Erkenntnis der Allgegenwart des Guten. Doch plötzlich hüpfte eines der drei Vöglein versehentlich auf den Sims eines Kellerfensters. Als es sich dort sorglos umsah, wurde seine Aufmerksamkeit auf seinen eigenen schwachen Schatten auf der mit Spinngeweben bedeckten, verstaubten Glasscheibe gelenkt. Sofort war es von Neugierde und Staunen erfüllt, und starrend stand es still; dann flatterte es, vom Schatten dicht verfolgt, auf dem Sims hastig hin und her. Dieser Vorgang dauerte mit zunehmender Heftigkeit mehrere Minuten. Das kleine Rotkehlchen schlug Schnabel und Flügel gegen die Glasscheibe und verwandelte sich schnell in einen mit Staub und Sand beschmutzten, tollen Kämpfer. Die Zeit verstrich, es wurde Mittag, und das bestrickte Rotkehlchen, dessen Blick sich nun auf einen für leibhaftig und wirklich gehaltenen Widersacher seiner eigenen Schöpfung heftete, hielt sich hartnäckig in der Fensternische auf und verfolgte mit unablässiger Wut — einen Schatten. Der Kampf dauerte mit wenigen Unterbrechungen den ganzen Tag hindurch; aber beim Sonnenuntergang kam ein erschöpftes, zitterndes und verzagtes Rotkehlchen von dem Sims ins Freie hervor.
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