Nach dem denkwürdigen Schiffbruch, den Paulus auf seiner Reise nach Rom erlitt, nahmen ihn die Bewohner der Insel Melite freundlich auf und „zündeten ein Feuer an ... um des Regens ... und um der Kälte willen. Da aber Paulus einen Haufen Reiser zusammenraffte, und legte sie aufs Feuer, kam eine Otter von der Hitze hervor und fuhr Paulus an seine Hand... Er aber schlenkerte das Tier ins Feuer” und zeigte sich um seine Geborgenheit nicht besorgt. Die Zuschauer erwarteten, daß „er schwellen würde oder tot niederfallen. Da sie aber lange warteten und sahen, daß ihm nichts Ungeheures widerfuhr, wurden sie anderes Sinnes und sprachen, er wäre ein Gott”.
Paulus verfuhr mit dem Irrtum in der Weise, daß er das Tier abschüttelte. Dies bedeutete mehr als nur eine körperliche Handlung. Erklärungen und Berichte in der Bibel haben oft eine über die buchstäbliche Tatsache hinausgehende übersinnliche Bedeutung. Es ist bedeutungslos, daß der Irrtum „Otter” genannt wurde; er hätte ebenso gut „Haß” oder „Mord” heißen können. Paulus, der praktische Christ, hatte das, was er „den Harnisch Gottes” nannte, angezogen, und er trat dem Irrtum mit der wirksamen Anwendung geistiger Waffen entgegen.
Es ist beachtenswert, daß die Otter Paulus angriff, als er gute und nützliche Arbeit verrichtete. Er war soeben aus einer furchterregenden Erfahrung durch Kälte und Obdachlosigkeit, Hunger und Schiffbruch unversehrt hervorgegangen, einer Erfahrung, die seine Gefährten mit Verzweiflung erfüllte, da sie nicht von dem Vertrauen beseelt waren, das den Apostel stützte. Als alle um ihn her in Not geraten waren, schritt dieser Mann der Tat mutig vorwärts und meisterte die Lage dadurch, daß er einer anwendbaren gesunden Vernunft gemäß handelte. In diesem Augenblick des Erfolges griff der Irrtum ihn an. Die Zeitgenossen des Paulus scheinen den Menschen unserer Zeit sehr ähnlich gewesen zu sein; denn sie erwarteten, daß er „tot niederfalle”. Da er dem Irrtum nicht erlag, sondern Macht über ihn bewies, indem er ohne schlimme Folgen das Tier abschüttelte, hielten sie ihn, nachdem „sie ... lange” gewartet hatten, „und sahen, daß ihm nichts Ungeheures widerfuhr”, für „einen Gott”.
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