Die Fülle und Einstimmigkeit der biblischen Lehren samt den menschlichen Erfahrungen unserer Zeit sind derart, daß es ebenso selbstverständlich wie wahr ist, zu erklären, daß bei der ganzen christlich-wissenschaftlichen Arbeit Gehorsam eine Vorbedingung des Lohnes sei. Doch der Widerspruch im menschlichen Wesen macht das beständige Wiederholen der Erklärung selbstverständlicher Wahrheiten notwendig. Im Lichte der Christlichen Wissenschaft nehmen die biblischen Geschichten von den Mißgeschicken oder Belohnungen, die den Kindern Israel als Einzelpersonen und als Gesamtheit infolge ihres Ungehorsams oder Gehorsams gegen die göttlichen Gebote widerfuhren, für Christlichen Wissenschafter im Zusammenhang mit ihren alltäglichen Aufgaben noch mehr ermutigende und zweckdienliche Bedeutungen an.
Es ist beachtenswert, daß Christus Jesus diejenigen, die ihn um Heilung baten, häufig etwas tun hieß oder sie veranlaßte, durch eine besondere Handlung zu zeigen, daß sie mitzuarbeiten wünschten oder bereit dazu waren. Und wenn sie gehorsam waren, wurden sie geheilt. Ein solch bemerkenswertes Beispiel war das von den zehn Aussätzigen, denen, als sie „von ferne standen” und den Meisterchristen um Heilung baten, Christus Jesus gebot, hinzugehen und sich den Priestern zu zeigen. „Und es geschah”, wie wir lesen, „da sie hingingen, wurden sie rein”. Es ist weder berichtet noch angedeutet, daß diese zehn Männer zögerten und wegen einer sofortigen Heilung mit Jesus haderten, weil er früher einen Wassersüchtigen augenblicklich geheilt hatte, oder weil er einer Frau, die seit achtzehn Jahren krumm war, so daß sie „nicht wohl aufsehen konnte”, durch das Wort schnelle Befreiung brachte. Nein, ohne Zaudern befolgten sie die durch Jesus an sie ergangene Weisung des Christus. Zwar schrieb das mosaische Gesetz vor, daß die vom Aussatz Geheilten zum Priester gehen sollten, um gewisse Opferbräuche verrichten zu lassen, worauf sie ihre früheren regelmäßigen Tätigkeiten und Geschäfte wiederaufnehmen konnten. Aber diese zehn Männer traten, obgleich sie noch nicht geheilt waren, dennoch unverzüglich den verordneten Weg an. Und „da sie hingingen, wurden sie rein”. Sie horchten nicht schon nach einer kurzen Strecke Weges auf das Flüstern des Versuchers, daß sie schon weit genug gegangen seien, um ihren guten Glauben zu zeigen, daß sie also ihren Teil getan hätten und sich jetzt niedersetzen und ihren Körper betrachten sollten, um zu sehen, ob sie wirklich geheilt werden würden, ehe sie weitergingen. Sie nahmen Christus Jesus beim Wort, erfüllten ohne geäußerte oder nur gedachte Ausflüchte die ihnen auferlegte Pflicht, und noch ehe sie den ganzen Weg zurückgelegt hatten, waren sie rein.
Einige der treffenden Lehren, die aus diesem Berichte zu ziehen sind, liegen klar auf der Hand. Wenn wir um christlich-wissenschaftliche Behandlung bitten, dürfen wir nicht hinsichtlich der Zeit oder der zur Heilung notwendigen Erfordernisse Pläne machen. Der Seelenund vielleicht auch der Sittenzustand ist bei jedem Menschen verschieden, mögen auch die körperlichen Kundgebungen, Krankheit genannt, dieselben oder ähnlich zu sein scheinen. Der Anspruch des menschlichen Willens kann von jemand so bestimmt und hartnäckig angenommen und zum Ausdruck gebracht werden, daß eine Handlung demütigen Gehorsams auf seiten des um Heilung Bittenden erforderlich wird, um die Wurzel des Leidens zu erreichen. Denn wie Christus Jesus, so erklärt und beweist auch die Christliche Wissenschaft, daß Krankheit sowohl im Ursprung als auch im Wesen seelisch ist. Daher ist Krankheit nur durch die wirksame Anwendung berichtigender geistiger Ideen wissenschaftlich und befriedigend zu behandeln.
Überdies wird dieser Anspruch menschlichen Willens, der sich immer dem göttlichen entgegenstellt und die Sterblichen beständig zum Ungehorsam gegen die göttlichen Gesetze der Harmonie und der Gesundheit antreibt,— dieser menschliche Wille wird, im Lichte der Christlichen Wissenschaft betrachtet, als so verwandt und in der Tat als so wesenseins mit dem Stoff oder Fleisch enthüllt und erkannt, daß jeder Schüler der Christlichen Wissenschaft gezwungen wird, ihm besondere Beachtung zu schenken. In einer ihrer klaren und anwendbaren Bibellektionen in „Miscellaneous Writings” (S. 201), worin sie einen Teil einer der Botschaften des Paulus an die Korinther erklärt, geht Mrs. Eddy der bösen Annahme auf den Grund und enthüllt ihre scheinbaren Verschlingungen mit folgenden bestimmten Worten: „Die der Erklärung des Paulus zu Grunde liegende Wissenschaft löse die mit dem falschen Namen Stoff bezeichnete Scheinkraft in ihre ursprüngliche Sünde oder den menschlichen Willen auf,— jenen Willen, der sich der Unterordnung der Eigenschaften des Geistes unter den Geist widersetzen möchte. Die Sünde brachte den Tod, und der Tod ist ein Bestandteil des Fleisches oder der fleischlichen Falschheit, aber nie des Geistes”. Wiederum erklärt Mrs. Eddy das Fleisch oder fleischliche Annahmen wesenseins mit menschlichem Willen, wenn sie über die Erfahrung Christi Jesu in Gethsemane in der Nacht vor seiner Kreuzigung schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 33): „Als das menschliche Element in ihm mit dem göttlichen rang, sagte unser großer Lehrer: ‚Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!‘— das bedeutet, laß nicht das Fleisch, sondern den Geist in mir zum Ausdruck kommen”. Obgleich nur ein Fall berichtet ist, wo Christus Jesus dieses Gebet sprach, so zeigt doch seine vollständige Herrschaft über fleischliche Annahmen durch geistige Ideen und durch den geistigen Sinn,— mit andern Worten, sein Aufdecken und Vernichten des menschlichen Willens durch den göttlichen Willen,— daß dies sein tägliches, ja stündliches Gebet oder vorherrschendes Verlangen gewesen sein muß.
In diesen beiden aufklärenden Darlegungen weist Mrs. Eddy darauf hin, daß alle Menschen mit dem Anspruch des menschlichen Willens rechnen, ihn erkennen und aufgeben müssen. Indem der aufrichtige Schüler der Christlichen Wissenschaft dies tut, entdeckt er häufig, daß er wie die Aussätzigen vor alters eine besondere Aufgabe ausführen, durch demütigen Gehorsam gegen das göttliche Gesetz eine verborgene Sünde oder einen verborgenen Irrtum aufdecken und ausmerzen muß, ehe er seine Heilung verwirklichen kann.
Die göttlich eingegebenen Worte in Wissenschaft und Gesundheit erschließen noch eine anwendbare geistige Lehre im Zusammenhang mit dem Berichte der Heilung der zehn Aussätzigen, die geheißen wurden, hinzugehen und sich den Priestern zu zeigen. Bei einer ihrer oft wiederholten Bemühungen, das Denken der Christlichen Wissenschafter von der Persönlichkeit wegund auf das Prinzip hin-, vom Fleisch wegund auf das Gemüt hinzulenken, schreibt Mrs. Eddy (S. 141): „Durch Heilen der Kranken und Sündigen arbeitete Jesus bis ins Kleinste die Tatsache aus, daß die heilende Wirkung dem Verständnis des göttlichen Prinzips und des Christusgeistes folgt, welche den körperlichen Jesus regierten. Für dieses Prinzip gibt es keine Dynastie, kein kirchliches Monopol. Sein einziges gekröntes Haupt ist die unsterbliche Oberhoheit. Sein einziger Priester ist der vergeistigte Mensch”. Die Ursache aller Prüfungen und Leiden der Menschen ist der falsche, fleischliche Sinn vom Menschen. Und das Reinigen, das allen Menschen not tut und von allen gefordert wird, ist das Reinigen von diesem betrogenen und betrügenden Sinne, der alle Menschen von dem Christus, der Wahrheit, „fern” zu halten beansprucht. Das Christusgebot an die Menschen ist heute: Gehet hin und zeiget euch „dem vergeistigten Menschen”! d.h. erhebet euch von dem niederdrückenden, erniedrigenden und widerwärtigen Sinn vom Menschen als einem körperlichen und sterblichen Menschen und suchet und findet euer wahres Selbst als die geistige, vollkommene und unsterbliche Widerspiegelung des vollkommenen Gemüts! Und, siehe, indem die Christlichen Wissenschafter diesen vergeistigten Sinn vom Menschen als Endziel vor sich haben und demütig, aufrichtig und gehorsam wachen, arbeiten und beten, werden sie von falschen Zielen und Gewohnheiten gereinigt; sie werden von peinigender Furcht und von dem Alpdruck der Krankheit und Not befreit! In der Tat wiederholt sich bei ihnen die Erfahrung jener zehn gehorsamen Männer, von denen wir lesen: „da sie hingingen, wurden sie rein”.
