Gottes wachsame und liebevolle Sorgfalt gegen Seine Kinder ist in der Bibel durch den Hirten, der seine Schafe hütet, dargestellt. Der 23. und der 91. Psalm, beide so sehr beliebte Psalmen sprechen uns als Schilderungen der Sorgfalt und des Schutzes der Liebe besonders an. Die an Jakob gerichteten wohlbekannten Worte Labans: „Der Herr sehe darein zwischen mir und dir, wenn wir voneinander kommen”, können als Zeichen dafür gelten, daß diese Männer das Verlangen hatten, daß Gott ihnen helfe, einträchtige Beziehungen zueinander aufrecht zu erhalten. Ähnliche Gebete sind seit der Zeit Jakobs immer in den Herzen der Menschen emporgestiegen und werden heutzutage um Frieden zwischen Menschen und Völkern verrichtet. Die Christlichen Wissenschafter wissen, daß Gott treu über Seine ganze Schöpfung wacht, und daß auf der ganzen Erde Frieden herrschen wird, wenn die Sterblichen die Regierung Gottes, des einen Gemüts, annehmen.
Gott fordert von den Menschen, daß sie Wachsamkeit zum Ausdruck bringen, und die Bibel zeigt ihnen klar, wie sie wachen können und sollten. Zuweilen ist man wachsam, um sich, seine Familie oder sein Eigentum vor Beschädigung oder Zerstörung durch Feindeshand zu schützen. Zu anderen Zeiten wendet man das Wort an, um zu zeigen, daß man geistig wach ist oder über sein Denken wacht. Wirkliches Wachen schließt immer Wachsamkeit gegen das Denken in sich, sei es als Wachtposten, als Türhüter oder als Wärter an einer Bahnkreuzung. Und wenn wir die allgemeine Redensart: „Vorsicht, achtgeben!” hören, können wir im stillen die Worte der Mrs. Eddy (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 129) hinzufügen: „Vertraue auf Gott, daß Er deine Schritte lenkt”.
Wachen schließt warten in sich; aber weder wachen noch warten schließt Trägheit in sich. Warten muß mit Geduld und Gebet geschehen, indem man nur an der Allgegenwart der Liebe und der Wahrheit festhält. Um wissenschaftlich zu wachen, muß man behutsam, sorgfältig, wachsam, geduldig und andächtig sein. Dies ist gerade das Gegenteil von Trägheit; es ist Arbeit — die Arbeit, von der die Christlichen Wissenschafter beständig in Anspruch genommen sind.
Mrs. Eddy hat uns in ihren verschiedenen Schriften klar gemacht, daß wachen eine der täglichen und stündlichen Pflichten aller Christlichen Wissenschafter ist. Folgende unsterblichen Worte verleibte sie den Glaubenssätzen unserer Kirche ein: „Wir geloben feierlich, zu wachen und zu beten, daß das Gemüt in uns sei, das auch in Christus Jesus war” (Kirchenhandbuch, S. 16). Das Handbuch enthält auf Seite 40 auch folgende Ermahnung: „Die Mitglieder dieser Kirche sollen täglich wachen und beten, um von allem Übel erlöst zu werden, vom irrigen Prophezeien, Richten, Verurteilen, Ratgeben, Beeinflussen oder Beeinflußtwerden”. Dem Handbuch gemäß leben, gibt uns genug zu tun; aber das Gemüt Christi kann nur dadurch erlangt werden, daß wir beständig über unser Denken und Handeln wachen. Wachen kann einen doppelten Zweck haben, nämlich sich gegen Angriffe durch feindliches Denken zu verteidigen und die Türen des eigenen Denkens offen zu halten für das geistig Gute, das hereinkommen sollte. Wir warten indessen nicht mit Furcht, das Böse erwartend, sondern mit Zuversicht, nur das Gute erwartend.
Als das Ende der irdischen Laufbahn Jesu herannahte und seine Feinde ihn gefangen zu nehmen trachteten, gebot er Petrus, Jakobus und Johannes zu wachen, während er im Garten Gethsemane betete; doch sie schliefen ein. Wie es doch den gleichgültigen Sterblichen ähnlich sieht, im entscheidenden Augenblick einzuschlafen! Und Jesus wies sie liebevoll zurecht, indem er zu Petrus sagte: „Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach”. Wie oft haben wir diese Schwachheit des Fleisches gefühlt und geglaubt, sie sagen zu hören: „Es wäre besser, du ruhtest dich jetzt aus anstatt zu viel zu arbeiten”. „Es ist so stürmisch! Du solltest heute nicht in die Kirche gehen”. „Morgen früh hast du mehr Zeit, dich mit diesem Irrtum abzugeben”. Aber eine andere Stimme ruft unserem Bewußtsein beständig zu: „Wache! Laß dich von diesen Einflüsterungen des trägen, stumpfen sterblichen Gemüts nicht beeinflussen!”
Von unserem Wachen, Beten und Arbeiten im geistigen Sinne hängt unser Vorwärtskommen in der Richtung nach dem Ziele aller Christlichen Wissenschafter — der Überwindung jeder Erscheinungsform des Irrtums — ab. Obgleich die Notwendigkeit des Wachens in der Bibel und in den Schriften der Mrs. Eddy wiederholt hervorgehoben ist, kann ein Neuling vielleicht doch nicht verstehen, daß es die verborgenen, tückischen Einflüsterungen des sterblichen Gemüts sind, gegen die wir auf der Hut sein müssen, die wir nicht in unser Bewußtsein aufnehmen oder zeitweilig dadurch mit Macht ausstatten dürfen, daß wir mit anderen Menschen darüber sprechen. Unser eigenes Denken muß immer bewacht werden, daß nur gute, reine, gesunde und freudige Gedanken aufgenommen oder ausgesandt werden.
Als Jesus mit einigen seiner Jünger auf dem Ölberge saß, redete er mit ihnen, wie wir im 13. Kapitel des Evangeliums des Markus lesen, von der fortgesetzten Herrschaft des Irrtums auf Erden, von kommenden Kriegen und Verwüstungen, von Erdbeben und Hungersnot, von Irrlehrern und falschen Christen — lauter Folgen des Ungehorsams. Dies alles wird aufhören, wenn der Christus, die Wahrheit, ins Bewußtsein kommt; denn die Wahrheit und der Irrtum können nicht beieinander wohnen. Von der Stunde aber „weiß niemand”; und Jesus ermahnte wiederholt, auf der Hut zu sein und zu wachen. Erleuchtung kann sicher nicht zu denen kommen, die im Selbst und in der Sünde untätig aufgehen. Jesu endgültige und nachdrückliche Erklärung hierüber lautet: „Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!” Mrs. Eddy hielt diese Worte für die Christlichen Wissenschafter und für die christliche Welt überhaupt für so wichtig, daß sie sie auf die Vorderseite des Christian Science Sentinels setzte: sie sind ein Posaunenruf an alle Christen.
Beständig wachen und dem Irrtum keinen Einlaß in unser Denken gewähren, wird das geistige Bewußtsein, ja, das Himmelreich in uns, stärken. Und so wird jeder einzelne sein wahres Selbst, seine wahre Eigenart, finden und Herrschaft über die ganze Erde haben.
