Das Verständnis der wahren Selbstheit, die Gott dem zu Seinem Bilde geschaffenen Menschen verleiht, ist das Heilmittel für alles, was die Gesundheit, die Freudigkeit und das Gedeihen der Menschen hindern möchte; und dieses Verständnis ist durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft allen Menschen zugänglich gemacht. Eindringlich fordert Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, ihre Nachfolger beständig auf, die falsche Selbstheit in allen ihren verschiedenen Formen zu verleugnen; und auf Seite 568 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Selbstverleugnung, durch die wir alles für Wahrheit oder Christus in unserm Kampf gegen den Irrtum hingeben, ist eine Regel in der Christlichen Wissenschaft”. Diese fleischliche, sterbliche Selbstheit, die zu verleugnen ist, ist nur eine falsche Auffassung des Selbst, die sich in vielen ungeistigen, unwahren und mißfälligen Eigenschaften, darunter Selbstbedauern, bekunden will.
Die verneinende Eingenschaft Selbstbedauern kann mit einem Nebel verglichen werden. Nehmen wir an, jemand, der an Furchtsamkeit leidet, befinde sich bei feuchtem, undurchdringlichem Nebel auf freiem Felde. Kleine und unscheinbare Gegenstände können durch den entstellenden Nebel gesehen gewaltige Maße und eine drohende Erscheinung annehmen, so daß der der wahren Lage unkundige Furchtsame sich veranlaßt fühlen kann, vor einer Gefahr zu fliehen, die nur in seiner Vorstellung besteht.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft kann hieraus ersehen, daß er sich mit Selbstbedauern nicht abgeben darf, wenn er sich an dem „Kampf gegen den Irrtum”, dem Kampf, in dem zu fechten es seine Pflicht und sein Vorrecht ist, erfolgreich beteiligen will. Treibt er das Selbstbedauern nicht aus, so unterwirft er sich einem fleischlichen Ichbegriff, der geltend macht, getrennt von Gott zu bestehen. Dieses lügnerische Selbst möchte ihn verleiten zu glauben, er sei unglücklich, furchtsam, krank oder sündhaft; aber er muß sich standhaft weigern, ihm auch nur einen Mitleidsgedanken zuzuerkennen. Er muß erkennen, daß der Irrtum, der geltend macht zu wirken, nicht bemitleidet werden darf, sondern zu überwinden ist.
Er möge sich selber fragen, ob sein Unbefriedigtsein nicht davon herrührt, daß er hinter dem vom Meister für alle seine Nachfolger aufgestellten Maßstab guter Lebensführung sehr weit zurückbleibt. Ist es die Folge des Bedauerns, daß er seine Pflicht gegen Gott und seine Führerin so sehr versäumt hat, daß er sein Bewußtsein eine Wohnstätte für Gedanken der Verzagtheit, der Krankheit oder der Sünde hat werden lassen? Oder ist es bloßes Selbstbedauern, das davon herrührt, daß menschliches Planen versagt hat, Behaglichkeit im Weltlichen zustande zu bringen, oder daß die an ihn herantretenden Aufgaben sich nicht in der vom menschlichen Willen geplanten Weise lösen lassen? Die Antwort auf diese Fragen wird zeigen, wie ernst es ihm mit seinem Trachten nach der Wahrheit ist.
Für alle, die wirklich das Verlangen haben, zu verstehen, was wahre Selbstheit ist, liegt der Weg klar zutage. Haben wir es abgelehnt, uns mit dem Unwahren abzugeben, so müssen wir uns entschlossen der Betrachtung alles dessen zuwenden, woraus das wahre und vollkommene Selbst besteht. Dieses von Gott, dem Geist, geschaffene Selbst kann nur aus guten und geistigen Eigenschaften bestehen. Auf Seite 26 in „Nein und Ja” schreibt Mrs. Eddy: „Des Menschen wirkliches Ich oder wirkliche Selbstheit ist Güte”. Wenig Worte, doch wie inhaltsvoll! Denn Güte muß jede göttliche Eigenschaft in sich schließen.
Der verlorene Sohn hat zweifellos viel kostbare Zeit damit vergeudet, daß er sich mit einem unwahren Ichbegriff abgegeben, darüber nachgedacht und durch den entstellenden Nebel des Selbstbedauerns Hunger, Mangel und Verlassenheit als erschreckende Wirklichkeiten gesehen hat. Wir finden indessen, daß der falsche Ichbegriff, der ihn ins Verderben gebracht hatte, dem Bewußtsein seiner wahren Selbstheit wich; denn als „er in sich schlug”, entdeckte er, daß dieses wirkliche Selbst nur Güte in sich schließt. Demut war eine der ersten Eigenschaften, die er als zu ihm gehörig erkannte, und er setzte sie unverzüglich in die Tat um. In kindlicher Demut machte er sich auf und ging zu seinem Vater, bereit, sich seiner Leitung zu fügen. Auch Glauben brachte er zum Ausdruck; denn er hegte keinen Zweifel, daß er aufgenommen würde. Als sein Vater ihm entgegenlief, wußte er, daß er auf Liebe rechnen durfte. Er fand sein wahres Selbst in Heil und Gerechtigkeit gekleidet, auf Ruhe und Mut fußend und mit Kraft und Herrschaft angetan. In dem Verständnis dieser wirklichen Selbstheit, der einzigen, die der Vater je gekannt und anerkannt hatte, fand er Befriedigung und völlige Freude.
Diese wahre Selbstheit ist das „selbstlose bessere Selbst”, worüber Mrs. Eddy auf Seite 6 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” schreibt. Diesem Selbst treu bleiben beseitigt alles, was unsern Fortschritt und unser Gedeihen hindern möchte. Das Treubleiben wird jedoch nicht dadurch erreicht, daß man die geistigen Eigenschaften, woraus unser besseres Selbst besteht, nur betrachtet und darüber nachdenkt. Zwar muß dies beständig und beharrlich geschehen; aber wie der verlorene Sohn müssen wir auch Gebrauch davon machen, sie in die Tat umsetzen. Wie er wollen auch wir mit Demut und Glauben anfangen. Wenn wir uns in kindlicher Demut an unsern Vater, Gott, wenden, bereit, Seinen Willen zu tun und uns von Ihm leiten zu lassen, und wenn wir unser ganzes Vertrauen auf Seine Verheißungen setzen, werden wir bestimmten Schrittes dem Verständnis unserer wahren Selbstheit und den darin enthaltenen herrlichen Möglichkeiten entgegengehen.
