Als Christus Jesus in der Bergpredigt seine Zuhörer ermahnte: „Sei willfährig deinem Widersacher bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist”, gab er den Menschen ein Gebot, das aufmerksamste Beachtung verdient. Besonders wertvoll ist es für christliche Metaphysiker, wenn es im Lichte geistigen Verständnisses sorgfältig zergliedert wird. Folgern, Jesus habe seine Zuhörer ermahnt, die Einsprüche des Bösen — des Widersachers, den Petrus mit einem „brüllenden Löwen” verglich,— anzunehmen, seinen Ansprüchen auf Wirklichkeit und Macht zuzustimmen, heißt die Lehren des Meisters als Ganzes ablehnen. Sowohl seine Gebote als auch sein Beispiel standen in vollem Widerspruch mit dieser Annahme: sie widerlegten vollständig die Ansprüche des Bösen auf Wirklichkeit, als etwas, womit man übereinstimmen solle.
Jesus vernichtete die Scheinmacht des körperlichen Gesetzes nicht dadurch, daß er es als mit Macht ausgerüstet annahm, sondern dadurch, daß er es als machtlos erkannte, d.h. er nahm seine Einsprüche nicht an, er stimmte seinen Ansprüchen, daß es ein Gesetz sei, nicht zu; er zerstörte es. Die Tatsache, daß Jesus den Bestrebungen des Bösen, ihn zu versuchen und zu beherrschen, nicht zustimmte, ist für alle eine ungeheuer wichtige Lehre. Er weigerte sich bis zum äußersten, diese Bestrebungen als wirklich anzunehmen oder auch nur etwas anderes als ihre Nichtigkeit anzuerkennen.
Was bedeutet dies, wenn es auf unser tägliches Leben angewandt wird? Daß auch wir uns weigern müssen, der Herrschaft des Irrtums zuzustimmen, wenn wir in des Meisters Fußtapfen wandeln und Werke wie die seinigen vollbringen wollen. Ohne unsere Zustimmung kann uns der Irrtum nie schaden. Er kann uns nur in dem Verhältnis, wie wir mit ihm übereinstimmen, in dem Maße, wie wir ihm Wirklichkeit zuschreiben, also entsprechend dem Grade unserer Zustimmung, erreichen und beherrschen.
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