„Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Enden”. Diese Bibelstelle weist auf die Gewißheit allumfassender Erlösung durch ungeteilten Glauben an Gott, das allmächtige Gute, hin.
Es ist sofort offenkundig, daß die Forderung: „Wendet euch zu mir” sich nicht auf das körperliche Sehen sondern nur auf den geistigen Ausblick bezieht. In ihrer Erläuterung des ersten Gebots: „Du sollst keine andern Götter neben mir haben” schreibt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 467). „Dieses mir ist Geist”. Es ist also der Geist, an den sich der Leidende, der Sünder, der Leidtragende wenden muß, um Gesundheit, Erlösung, Trost zu erlangen.
Im Gegensatz zu diesem „mir” des Geistes erklärt unsere Führerin das Wort „du” (S. 599 dess. Buchs): „Auf Körperlichkeit angewandt ein Sterblicher; Endlichkeit”. Der Schüler der Christlichen Wissenschaft lernt verstehen, daß er nicht von diesem „mir” des Geistes zu dem „du” der Körperlichkeit hinsehen und versuchen kann, Gegensätze in Einklang zu bringen; auch kann er nicht erwarten, daß der Geist empfindungslosen Stoff heile. Der Geist gießt keine leibliche Gesundheit und keine sogenannten weltlichen Segnungen über die Sterblichen aus, sondern die Kraft des Geistes hebt die Sterblichen empor, so daß sie wahrnehmen und beweisen, daß Gesundheit und Freude ihrem Ursprung und Wesen nach völlig geistig sind. Man kann ruhig behaupten, daß der wachsame Schüler der Christlichen Wissenschaft beständig „verschont” bleibt von irgend einer Mißklangsform: vom Krank, erregt, müde, entmutigt werden, von Groll, vom unweise, lieblos, selbstsüchtig oder träge sein. Dies kommt daher, daß er den beharrlichen und unaufhörlichen Forderungen des Geistes nachkommt,— den Forderungen, daß man den falschen Begriff vom Menschen tunlich schnell aufgeben und das wahre Vorbild, den geistigen Menschen, annehmen und beibehalten soll.
Durch die Anwendung der Christlichen Wissenschaft kann jeder erschreckte, irregeführte Wanderer auf Erden dem Ruf der göttlichen Liebe: „Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig”, folgen. Warum soll dieses Sichwenden zu der göttlichen Liebe heilen und erretten? Weil die Widerspiegelung der göttlichen Liebe sterbliche Befürchtungen und ihre körperlichen Folgen auslöscht. Wird ein kleines Kind nicht von seinen kindischen Schrecken befreit, wenn es im Angesicht seiner Mutter keinen Schrecken, keine Furcht, keinen Zorn sondern nur Frieden, Zuversicht, Geduld, Sanftmut und Liebe sieht? Als Jesus von den Kindern sprach, sagte er: „Ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel”.
Blicken wir unverwandt nach dem Angesicht, dem Bewußtsein, unseres himmlischen Vater-Mutter Gottes? Was ist dort zu finden? Unwandelbare Wohltätigkeit, unsterbliche Wesenheit, geistige Freude, die immerwährende Vollkommenheit des Geistes. Kein Wunder also, daß der Psalmist von Gott als „meines Angesichts Hilfe” spricht. In dem Angesicht oder dem Bewußtsein Gottes gibt es keine Traurigkeit und kein Leiden.
Es kann vorkommen, daß jemand, der den Blick vom Stoff nach dem Geist hinwenden lernt, in diesem Vorgang anscheinend nur den halben Weg gegangen ist. Er mag wohl dem Geist bis hierher, aber nicht den ganzen Weg vertrauen. Vielleicht hegt er z.B. noch Furcht vor etwas, was er vom ärztlichen Standpunkte aus immer noch als körperliches Anzeichen ansieht, oder hegt er immer noch die Überbleibsel eines abergläubischen Vertrauens in gewisse sogenannte körperliche Heilmittel, in körperliche Beihilfe oder in gewisse Gegenden als vermeintliche Hilfsmittel zu seiner geistigen Heilung. In solchem Falle achtet er nicht restlos auf das „Wendet euch zu mir”; denn seine Glaubenstreue ist zwischen dem Geist und dem Stoff geteilt. Ja, man möchte seinen Seelenzustand fast bezeichnen als seelisches Schielen oder Blicken nach entgegengesetzten Richtungen, während er sich bemüht, in der Richtung des Geistes vorwärtszuschreiten.
Die Christliche Wissenschaft verlangt von uns nie, daß wir etwas versuchen, was über unser gegenwärtiges Verständnis hinausgeht. Gewisse körperliche Neigungen können jedoch sofort berichtigt werden. So würde z.B. ungebührliches Sichgehennlassen in der Ernährung oder ein Zuweitgehen bei körperlicher Erfrischung und Erholung nur dazu beitragen, die Fesseln der Körperlichkeit noch fester zu schließen, wogegen die wohlgeordnete und weise Entschlossenheit, sich wegen Genesung, Erneuerung und Erquickung immer mehr auf das göttliche Gemüt zu verlassen, bessere Gesundheit, größere Ausdauer, tiefere Befriedigung und reineren Frieden zur Folge hat. So bewirkt das Nachdenken über das wunderbare „mir” des Geistes, Gottes, das allmähliche Vergehen des Glaubens an das „du” der Körperlichkeit. Dieses Vertauschen der flüchtigen Annahmen des Fleisches gegen die Wesenheit des Geistes wird sich weiter entfalten, „bis daß wir”, wie der Apostel Paulus schreibt, „alle ... ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi”.
Wer sich der Gaben Gottes erfreuen möchte, wird sie in dem Maße wahrnehmen und genießen, wie er fleischliche Nachahmungen aufgibt. Kommt er zur Christlichen Wissenschaft, und greift er aber immer noch mit einer Hand nach dem körperlichen, so wird er nur einen Teil des den Aufrichtigen vorbehaltenen Segens empfangen. Ist er dagegen bestrebt, sich in jeder Hinsicht belehren zu lassen, ernsthaft bereit, seine Gesundheit, sein Glück und seinen Himmel dem „Hohen und Erhabenen, der ewiglich wohnt”, anzuvertrauen, so wird er finden, daß
„Dieweil wir seufzen noch auf Erden,
Weilt unser Herz im Himmel”.
