In „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” schreibt Mrs. Eddy (S. 131, 132): „Die Erfüllung der göttlichen Liebe in unserem Leben ist die Forderung dieser Stunde — die ausdrückliche Forderung”. Das ungeteilte Trachten nach der Erfüllung des Zwecks der Liebe läßt keine Tür für den Zutritt krankhafter Annahmen offen. Man glaubt dann nicht mehr, man sei beiseitegeschoben, unfähig, unerwünscht und entweder durch Krankheit oder durch Veranlagung unfähig, freudig, hingebungsvoll und seinen Mitmenschen nützlich zu sein.
Vielleicht läßt man sich durch die sterbliche Einflüsterung täuschen, man sei von Natur oder durch Erziehung lieblos, und man habe überdies kein besonderes Verlangen, Liebe und Freundlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Oder man kann sich für unfähig halten, auch nur ein Zehntel der Liebe in seinem Herzen zum Ausdruck zu bringen. Ein solcher Sterblicher hält sich für schüchtern, befangen, zurückhaltend und glaubt, er rufe beständig einen falschen Eindruck hervor und werde mißverstanden. Das Bewußtsein der wahren Selbstheit des Menschen ist das einzig wahre Selbstbewußtsein, das aufs herrlichste frei ist von allen einschränkenden, hemmenden körperlichen Annahmen, die in den Sterblichen verkörpert zu sein scheinen.
Unsere geliebte Führerin schreibt (in dems. Buch, S. 275): „Anderen tun, was wir wollen, daß sie uns tun sollen, ist das Selbst der Unsterblichkeit. Unverzagte, selbstvergessende Liebe erfüllt das Gesetz und ist selbsterhaltend und ewig”. Gehorsam gegen die goldene Regel schließt allen Glauben an Gefühllosigkeit, Kälte und Einsamkeit aus; denn diese Verneinungen des göttlichen Wesens sind unverkennbar dem „Selbst der Unsterblichkeit” fremd. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Widerspiegelung der göttlichen Liebe die wahre, reiche, allen zustehende Erbschaft des Menschen ist; und in dem Verhältnis, wie man dies weiß und beweist, wird einem das alltägliche Leben reichlich „blühen”, und man wird lernen, „fröhlich zu stehen in aller Lust und Freude”. Niemand braucht sehnsüchtig und von weitem auf Güte und Glückseligkeit zu blicken. Die göttliche Liebe gibt beständig und unparteiisch alle gute und alle vollkommene Gabe. Daher ist scheinbarer Mangel an Gesundheit, Freude, Verstand und Herzensgüte ein Leugnen der Allgegenwart Gottes, des Guten; und der wachsame Christliche Wissenschafter weiß, daß er sittliche und körperliche Widerwärtigkeiten nicht zugeben, sondern ihnen widerstehen soll, da sie unwirklich sind.
Sucht man geistige Gaben im Stoff und durch den persönlichen Sinn anstatt durch den Geist und den geistigen Sinn, so kann es scheinen, als ob sie nicht vorhanden seien. Die Christliche Wissenschaft befähigt einen, jede Nachahmung gegen die Wirklichkeit einzutauschen, und durch ihren alles durchdringenden Einfluß löscht sie Neid, Unzufriedenheit, Krankheit und Furcht aus. Weil diese fleischlichen Annahmen im Bewußtsein Gottes und des Menschen keinen Raum haben, stehen sie in vollständigem Gegensatz zu der „Erfüllung der göttlichen Liebe in unserem Leben”.
Wenn der Schüler der Christlichen Wissenschaft in seinem Herzen noch unerfüllte zeitliche Wünsche hegt, so bedeutet dies, daß er sich nicht von ganzem Herzen als den Zeugen Gottes ansieht. Er muß bestimmter und ausschließlicher erkennen, daß wahres Streben aus der Wahrheit hervorgeht, und daß wahre Wünsche in ihrem Ursprung und in ihren Zielen geistig sind. Gehorsam gegen das Gesetz der Liebe macht nicht nur die Erfüllung heiliger Wünsche und Bestrebungen gewiß, sondern erweckt sie geradezu. Das Bild und Gleichnis der Liebe ist von sterblichem Streben und Furcht vor Mißerfolg immerdar frei; daher ist alles, was den Schüler der Christlichen Wissenschaft beunruhigt, ein unwirklicher Begriff, der an sich machtlos und unfähig ist, den anzuziehen oder abzulenken, der danach trachtet, dem göttlichen Maßstab zu entsprechen.
Paulus erblickte den Weg wahrer Erfüllung, als er an die Philipper schrieb: „Erfüllet meine Freude, daß ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einhellig seid”. In dem Verhältnis, wie die Menschen das göttliche Gemüt widerspiegeln lernen, werden sie eines Sinnes; denn es gibt nur ein Gemüt, und diese Einheit des Gemüts ist die einzige Grundlage der Einheit, des Friedens und des Zusammenarbeitens unter Menschen und Völkern. In wahrer geistiger Einheit kann es unmöglich Meinungsverschiedenheit oder Entzweiung geben; denn das Gemüt und alle seine Ideen sind unzertrennlich.
Reichliche, immerwährend sich entfaltende Erfüllung des göttlichen Zwecks in jedem Einzelleben ist das Gesetz der Schöpfung. Nichts hat das ewige Wirken des geistigen Gesetzes je aufgehalten. In dem Verhältnis, wie ein Sterblicher jeden schwachen, selbstsüchtigen und körperlichen Begriff von sich selber demütig aufgibt und aufrichtig trachtet, das göttliche Wesen widerzuspiegeln, schreitet er aus der Finsternis der Weltlichkeit heraus und tritt in das geistige Licht und den ungehinderten Ausdruck der Absicht Gottes für Sein geliebtes Bild. Mit andern Warten, in dem Verhältnis, wie geistige Widerspiegelung in Erscheinung tritt, verschwindet die Sterblichkeit. So finden wir, daß die Wiedergeburt, das Begraben alter Begriffe, die geistige Auferstehung und Erhöhung Tag für Tag langsam aber sicher vor sich gehen.
In ihrer Botschaft an Die Mutter-Kirche für 1902 (S. 9) schreibt Mrs. Eddy: „Jede von dem großen Meister angedeutete Bedingung, jede erfüllte Verheißung, war liebevoll und geistig und forderte dringend einen Bewußtseinszustand, der die unbedeutenden Klänge des sogenannten körperlichen Lebens verläßt und in Christusähnlichkeit weilt”.
