Wie man sich vom Bösen in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen freimachen kann, ist eine Frage, mit der sich die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt haben. Denn der Glaube an das Böse als eine Wirklichkeit ist die Grundlage alles Leids, das die Sterblichen so sehr zu bedrängen scheint. Er ist die Grundursache aller Not, die einen so großen Teil der menschlichen Erfahrung ausmacht. Von diesem Glauben frei sein, ist bei weitem das größte Bedürfnis der Menschen. Wie man diese Befreiung verwirklichen kann, damit haben sich die Großen und Guten aller Zeiten meist vergeblich abgemüht. Daß der Übeltäter seine Lebensweise ändern, seinen Weg verlassen und demütigen und reuigen Herzens nach Gottes Vergebung trachten muß, war die oft wiederholte Behauptung der frommen Männer und Propheten, die im Alten Testament so mächtig hervortreten. Wie aber dieses notwendigste Ergebnis zu erreichen ist, wurde nicht klar dargelegt. Durch Wort und Beispiel befreite Christus Jesus die Sterblichen von der Knechtschaft der Sünde und der Krankheit. Er überließ jedoch die Entdeckung der Mittel und Wege seiner göttlichen Betätigung der Offenbarung einer späteren Zeit. Daß Mrs. Eddy durch die Christliche Wissenschaft das genaue Verfahren entfaltet hat, wodurch die Ansprüche des Bösen überwunden und vernichtet und die Sterblichen von ihrer Knechtschaft befreit werden können, wird immer mehr anerkannt.
In seinem einzigartigen Briefe an die Christen in der Kirche zu Rom ermahnte Paulus zur Überwindung des Bösen und deutete das Verfahren an, wie dies zu vollbringen sei, ohne es jedoch genauer als mit allgemeinen Redensarten zu erklären. „Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem” sind seine Worte. Es ist außer Zweifel, daß der große Apostel sehr gut wußte, wie die verderblichen Ansprüche des Bösen zu vernichten sind; denn im Neuen Testament finden wir viele Beweise seines Verständnisses der Allmacht Gottes. Überdies haben wir reichlichen Beweis, daß er dieses Verständnis erfolgreich anwandte, indem er die Kundgebungen des Bösen in vielen Formen zerstörte. Immerhin gab er uns hinsichtlich des Vorgangs keine genauen Anleitungen. Er trat zwar oft dafür ein, daß die Sterblichen böse Annahmen leugnen und zerstören müssen; dennoch ist es Tatsache, daß er keine ausdrücklichen und bestimmten Anweisungen gab.
Mrs. Eddy dagegen behandelt diese Frage mit Bestimmtheit bis in die kleinste Einzelheit und legt das Verfahren der Zerstörung des Bösen durch Zurückführung auf seine ursprüngliche Nichtigkeit so klar dar, daß es jeder, der es einer ernstlichen Betrachtung unterzieht, verstehen muß. Auf Seite 216 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Das Verständnis, daß das Ego Gemüt ist, und daß es nur ein Gemüt oder eine Intelligenz gibt, beginnt sofort die Irrtümer des materiellen Sinnes zu zerstören und uns mit der Wahrheit des unsterblichen Sinnes auszurüsten”. Treffender und klarer könnte es nicht dargelegt werden. Das Verständnis, daß Gott, das Gemüt, der einzige Verstand ist, und daß dieser göttliche Verstand sich nur des Geistigen und Vollkommenen, der ewigen Ideen des Gemüts, bewußt ist, bringt die Unwirklichkeit des Bösen ans Licht und beweist, daß es im Reiche der unendlichen Wahrheit keinen Raum hat. Und dieses Aufdecken seiner Art zerstört das Böse.
Überdies schließt die Tatsache der Allheit Gottes, des Guten, die Möglichkeit aus, daß das Böse in irgend einer Form wirklich sein könne. Ist das Gute alles, so ist das Böse nichts. Das Böse ist dann auf bloße Annahme zurückgeführt; und als Annahme wird es dadurch zerstört, daß man Wahrheit an seine Stelle setzt. Eine falsche Zahlenrechnung wird nicht mehr beachtet, wenn die richtige Berechnung vorliegt. So verschwinden die falschen Ansprüche der Widerwärtigkeit, der Krankheit, des Mangels jeder Art, wenn das Verständnis die Tatsache entfaltet, daß Gott die einzige Gegenwart ist, und daß der Mensch Seine vollkommene Idee, Sein geliebter Sohn, ist, an dem Er immerdar „Wohlgefallen” hat, weil der Sohn stets den Willen des Vaters tut.
Als der Prophet Jesaja sein Volk ermahnte, daß „der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken”, deutete er den Vorgang der Erlösung von Sünde und von allem Bösestun an. Denn wenn man ungerechte und gottlose Gedanken aufgibt, bessern sich unsere Wege, und unsere Pfade gestalten sich zu Friedenspfaden. Der Vorgang besteht darin, daß man alle gottlosen Gedanken, alle selbstsüchtigen und falschen Annahmen aufgibt. Aber das genügt nicht. Noch ein Schritt ist notwendig. Mrs. Eddy beschreibt ihn genau: das Denken so mit der Wahrheit und der Liebe — mit Wirklichkeit — erfüllt halten, daß die Unwirklichkeit, das Böse in jeder Form, keinen Eingang finden kann. Dieser Vorgang ist einfach und durchaus folgerichtig. Wenn wir nur an Gutes, an Gott und Seine unendlichen Ideen, denken, treten harmonische Zustände äußerlich in Erscheinung.
Im Gleichnis Jesu irrte der unsaubere Geist, der aus einem Menschen ausgetrieben worden war, unstet umher. Als er in das Haus zurückkehrte, woher er gekommen war, fand er es geschmückt und gekehrt; nichts hatte seinen Platz eingenommen. Das Gute war nicht an Stelle des Bösen getreten. Als er mit sieben anderen Geistern, die noch schlimmer waren als er, zurückkam, traten sie ein und wohnten dort, so daß „es mit demselben Menschen hernach ärger wird, denn es zuvor war”. Wie konnte das Böse ferngehalten werden, wenn keine guten Gedanken das Bewußtsein ausgefüllt hatten? Welche Warnung für die Sterblichen! Das Denken, das, wenngleich vom Falschen gereinigt, jedoch nicht im Bewußtsein des Guten wohnt, bietet bösen Annahmen aller Art eine günstige Wohnstätte. Mrs. Eddy bietet hierfür das vollkommene Heilmittel. „Halte den Gedanken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet”, ermahnt sie auf Seite 261 in Wissenschaft und Gesundheit, „dann wirst du das Dauernde, das Gute und das Wahre in dem Verhältnis erleben, wie es deine Gedanken beschäftigt”. So wird das Böse verlassen, aufgegeben, und das Gute wird uns jetzt zum Erlebnis.
