Von Kind auf suchte ich ein beweisbares Verständnis Gottes, und nachdem ich erfolglos versucht hatte, Ihn in den Kirchen zu finden, wurde ich Gottesleugnerin und Anhängerin Robert Ingersolls und anderer Freidenker. Vor über 18 Jahren wurde ich zu einer christlich-wissenschaftlichen Mittwochabendzeugnisversammlung eingeladen. Der Friede und die Harmonie, die dort herrschten, und die Einfachheit des Gottesdienstes machten einen sehr tiefen Eindruck auf mich. Die Zeugnisse erschienen mir jedoch geradezu als Beleidigung gegen meinen Verstand, und beim Weggehen von der Kirche beschloß ich, nie wieder einen christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst zu besuchen.
Einige Monate später, nach schwerem Leiden an einer Backenknochenerkrankung, die durch Röntgenbestrahlung festgestellt wurde und von einer Zahnansteckung herrührte, bat ich eine christlich-wissenschaftliche Ausüberin durch Fernsprecher um Hilfe, und die Schwierigkeit wurde augenblicklich überwunden. Viele Jahre lang danach besuchte ich regelmäßig die Gottesdienste, erbrachte aber selber keinen Beweis. Gerade wie man sich an einen Arzt wendet, wandte ich mich an eine Ausüberin. Bauchfellentzündung, Grippe, Kinnbackenkrampf und viele andere Leiden wurden überwunden; aber eine Schwierigkeit, woran ich von Kind auf gelitten hatte,— Verstopfung — wurde nicht dauernd geheilt. Ich bat mehrere Ausüber und Lehrer der Christlichen Wissenschaft um Hilfe. Von jedem empfing ich liebevolle Gedanken, wofür ich tief dankbar bin; aber die Schwierigkeit stellte sich immer wieder ein, zuweilen in heftigerer Form. Um diese Zeit wurde uns ein Geschäftsvorschlag gemacht, wodurch mein Mann ein großes Vermögen gewinnen sollte. Ich verkaufte meine angesehene Musikschule in Chicago und zog nach Texas zu meinem Mann. Als ich einige Monate später nach Chicago zurückkehrte, mußte ich feststellen, daß wir mittellos waren.
Dann begann meine Heilung. Ich wurde von Stellungsund Verstandesstolz geheilt. Von einem vornehmen Gasthof zog ich in ein Hinterzimmer bei einer Familie und nahm eine Stellung als Kassiererin in einem öffentlichen Speisehause an. Ich blieb dort mehrere Wochen, dann bekleidete ich eine Stellung als christlich-wissenschaftliche Pflegerin. Einige Monate später eröffnete ich eine Musikschule und begann wie vor vielen Jahren Anfänger zu unterrichten. Nach vier oder fünf Monaten konnte ich zu meinem Mann gehen, der inzwischen nach einem andern Staate gezogen war, um von unten anzufangen und auf gediegener Grundlage aufzubauen.
Dies schien eine sehr trübe Erfahrung zu sein, und an manchem Tage mußte ich die Kraft, den Verstand und die Gegenwart Gottes erklären — um mich vor Selbstmord zu bewahren. Ich fing an, mehr zu lieben, soweit ich die Erleuchtung hatte. Ich tadelte weniger, verurteilte weniger und fürchtete in mancher Hinsicht weniger. Ich begann Gott und des Menschen Beziehung zu Ihm zu verstehen. Eines Tages kam mir die Erkenntnis: Du bist Gottes Kind; alles, was Gott hat, ist durch Widerspiegelung dein. Du bist vollkommen, harmonisch und unzerstörbar. Gott ist die Quelle aller Bewegung und aller Tätigkeit, und kein sterblicher Gedanke kann sich in Gottes Regierung einmischen. Ich wurde von Verstopfung dauernd geheilt. Bin ich dankbar? Ja, mehr als mit Worten sich ausdrücken läßt! Nicht nur für die durchgemachte Wüstenerfahrung, die mich zwang, den Glauben aufzugeben, daß der Mensch körperlich sei, bin ich dankbar, sondern auch für die geistige Erhebung und Entfaltung, die nur dann kommt, wenn wir hier und jetzt unser wirkliches geistiges Selbst als Gotteskind sehen.
Für diesen Weg vom Sinn zur Seele bin ich dankbar. Verfolgung hat mir geholfen, meine Mitmenschen zu lieben. Ich bin höher emporgehoben und in großem Maße veranlaßt worden zu erkennen, daß Irrtum oder falscher, menschlicher Glaube unpersönlich ist und weder Gegenwart noch Macht hat. Ich habe vergeben gelernt, weil ich erkannt habe, daß Gott die Liebe ist, und daß nur liebevolle Gedanken wirklich sind. Dankbar bin ich für das Vorrechts des Klassenunterrichts, für das Lehren in der Sonntagsschule, für Kirchenmitgliedschaft und für die wunderbare Neuengländerin Mary Baker Eddy, die ein solch reines Leben führte, daß ihr diese neu-alte Wahrheit, die Christus Jesus gebracht hatte, geoffenbart wurde, wodurch wir alle befähigt werden, unsere Aufgaben zu lösen, wenn wir nur wollen.
Miami, Florida, V.S.A.
