Die Heilige Schrift berichtet eine Reihe von Fällen, in denen Leute durch das Singen geistiger Lieder aus schwierigen, ja sogar gefährlichen Lagen befreit wurden. Wer unter uns das Glück hatte, in einer Familie aufzuwachsen, wo täglich aus der Bibel vorgelesen wurde, wird sich erinnern, mit welch reger Anteilnahme er als Kind zuhörte, wenn die Geschichte vom Einsturz der Mauer Jerichos unter dem Feldgeschrei und dem Posaunenschall der Kinder Israel und von dem ungehinderten Einzug der Israeliten in die Stadt gemäß der Verheißung des Herrn gelesen wurde. Gefängnistüren öffneten sich und Bande lösten sich, als Paulus und Silas beteten und Gott lobten. Weiter haben wir den Bericht von dem König Josaphat, der seine Schar mit Loben und Danken gegen den Herrn hinausführte und fand, daß er sich nicht zu verteidigen brauchte, da seine Feinde sich gegenseitig vernichtet hatten.
Solche Fälle müssen dem Psalmisten vorgeschwebt haben, als er sang: „Du bist mein Schirm, vor der Trübsal wirst du mich bewahren; mit Jubelgesängen der Erlösung wirst du mich umgeben” (Zürcher Bibel). Was sind diese „Jubelgesänge der Erlösung”? Was für Musik ist es, unter deren Klängen Hindernisse fallen und versperrende Mauern zerbröckeln? Wer sich in die Ansprache unserer Führerin über „Gehorsam” auf Seite 116 in „Miscellaneous Writings” vertieft, dem wird es klar, daß Erlösung durch Gehorsam gegen das göttliche Prinzip erlangt wird. Sie beginnt ihre Ansprache mit den Worten: „Diese Frage, die meinem Herzen immer am nächsten liegt, steht heute im Vordergrund: Füllen wir die Takte der Musik des Lebens richtig aus, indem wir ihre erhabenen Weisen hervorheben, die Harmonie des Seins mit Tönen anschwellen lassen, die frohen Widerhall finden? Wie Zuund Abnahme der Tonstärke der Musik abwechselnden Klang verleiht, so drücken die verschiedenen Weisen menschlicher Zusammenklänge den Verlust oder den Gewinn des Lebens aus,— den Verlust der Freuden, der Leiden und des Stolzes des Lebens: den Gewinn seiner lieblichen Eintracht, des Mutes ehrlicher Überzeugungen und des endgültigen Gehorsams gegen das geistige Gesetz”.
In der Kunst, in der Musik, im Bauwesen und in den verschiedenen Naturwissenschaften erkennen die Menschen gar bald, daß Harmonie nur durch Gehorsam gegen das Gesetz erlangt werden kann; aber wie langsam erkennen viele, daß dies auch für das Leben selber, die Wissenschaft des Seins, gilt! Ja, wie lang die Menschen doch zögern, bis sie das Vorhandensein des geistigen Gesetzes zugeben! Dagegen erschien dem David, dem Paulus und anderen biblischen Schreibern das geistige Gesetz natürlich und unvermeidlich — als klar hervortretende Schöpfungstatsache. Wiederholt besang der Psalmist seine Liebe zum Gesetz Gottes, seine Lust, darüber nachzudenken und ihm zu gehorchen, und er erklärte, daß es in seinem Herzen wohne, während Paulus das Gesetz für heilig, geistig, gut erklärte, seine Lust daran hatte und es mit den folgenden Worten kurz zusammenfaßte: „Alle Gesetze werden in einem Wort erfüllet, in dem:, Liebe deinen Nächsten als dich selbst‘”. Und für den Apostel Jakobus waren die Forderungen des Geistes „das vollkommene Gesetz der Freiheit”.
Nur Gehorsam gegen das geistige Gesetz bewirkt wirkliche Kraft, Macht, Harmonie und Erlösung. Der Posaunenschall und das Feldgeschrei der Kinder Israel vor den Mauern Jerichos, dem Bollwerk weltlicher Annahmen, wurde für sie zum Jubelgesang der Erlösung, weil sie im Gehorsam gegen die Gebote Gottes handelten. Es ist herrlich, festzustellen, daß ihr unerschütterlicher Gehorsam ihnen Erlösung brachte, ohne daß sie mit dem Irrtum streiten mußten.
Ebenso kam Josaphats Erlösung durch Gehorsam, und auch er mußte mit dem Irrtum nicht streiten. Die meisten von uns kennen die Geschichte gut. Bekanntlich wandte er sich, als er sich und sein Volk von einem großen Haufen abgöttischer Feinde bedroht sah, sofort an Gott um Hilfe, anerkannte Ihn als die einzige Macht und Kraft, brachte Dankbarkeit für die schon empfangenen vielen Segnungen zum Ausdruck und vertraute auf sofortige Hilfe und Erlösung. Gottes Erwiderung bestand in der Anweisung, sich nicht zu fürchten und daran zu denken, daß nicht sie streiten, sondern Er. Es wurde ihnen versichert, daß sie nicht einmal werden zu kämpfen brauchen, sondern einzig und allein an einem bestimmten Ort zu stehen und „das Heil des Herrn zu sehen”. Daher führte Josaphat, nachdem er Sänger ernannt hatte, um Gott „in heiligem Schmuck” zu loben, sein Volk an diesen Ort. Kein Wunder, daß die Heere des Irrtums vor der Macht dieses Glaubens an das göttliche Prinzip und des Gehorsams gegen dieses Prinzip in Verwirrung gerieten und sich selber vernichteten! Wenn wir doch diese Lehre nur heute zu Herzen nähmen, welche Kämpfe mit dem Irrtum würden uns erspart bleiben!
Die Immergegenwart und die Güte Gottes waren für Paulus und Silas trotz ihrer Gefangenschaft, und trotzdem ihre Füße in den Stock gelegt waren, so wirklich, daß sie um die Mitternachtsstunde mit solchem Glauben und solcher Zuversicht beteten und sangen, daß die Türen des Gefängnisses aufgetan wurden, und nicht nur ihre, sondern aller Gefangenen Bande los wurden, so daß ihr Singen zu einem Jubelgesang der Erlösung für alle wurde, die sich in derselben Lage befanden. So groß war ihr Vertrauen auf die Kraft Gottes, sie vollständig zu erlösen, daß sie im Gefängnis blieben, bis die Hauptleute kamen und sie in aller Form entließen, was den Kerkermeister von jeder Möglichkeit eines Vorwurfs der Pflichtvernachlässigung befreite. Füllen also solche Handlungen nicht „die Takte der Musik des Lebens richtig” aus?
Mrs. Eddy hat Musik als den „Rhythmus des Kopfes und des Herzens” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 213) erklärt. Welche Aussicht auf Frieden, Harmonie, Freiheit und Erlösung dies eröffnet! Verstand und Verlangen, Verständnis und Liebe, das Leben und das Gesetz in vollkommenem Einklang, ohne jede Spur von Uneinigkeit oder Mißton! Diese Musik, die unendlich mehr als hörbarer Klang ist, verkündigt die ewige Übereinstimmung des ewigen Vaters, des göttlichen Prinzips, mit Seiner Schöpfung, und durch Gehorsam gegen das Prinzip die ewige Übereinstimmung Seiner Kinder miteinander.
Das Wahrnehmen dieser ewigen Grundtatsache der Schöpfung befähigt die Gehorsamen, die Harmonie und Ordnung des geistigen Seins sogar unter scheinbar widrigen Umständen zu erkennen. Es befähigt sie auch, mit Ruhe und Gleichmut, ohne Streit mit ihren Mitmenschen, ihren Weg zu gehen und so zur allgemeinen Wohlfahrt beizutragen, genau wie jemand, dessen Ohr musikalisch geschult ist, unverwirrt seine Rolle in einem Chor oder Orchester singt oder spielt und so gleichzeitig zur Schönheit des Ganzen beiträgt. Durch Befolgen der Lehren der Christlichen Wissenschaft lernen immer mehr gottesfürchtige Menschen auf diesen lieblichen Kehrrheim des Friedens, der Freude und der Zufriedenheit hören und werden durch den Segensspruch des Geistes erquickt. In ihrem eigenen Leben beweisen sie die Wahrheit der Worte des beliebten Liedes:
„Durch den schrillen Lärm des Tages
Tönt ein lieblich’ Spiel hindurch”.
Der herrlichste, lieblichste, lauteste Jubelgesang der Erlösung, der je auf Erden vernommen worden ist, war der Gesang der himmlischen Heerscharen, die das Kommen des „Friedefürsten” verkündigten, der alle Menschen von jeder Form des Bösen und des Mißtons erlösen sollte. Immer lauter ertönt heute dieser Jubelgesang der Erlösung in den Herzen der Menschen. Er gewinnt dadurch an Stärke, daß jeder einzelne Versuchung, Furcht, Zweifel, Bosheit, Haß, Sünde und Krankheit überwindet,— dadurch, daß jeder einzelne den Sieg des Wohlwollens, der Freude, des Friedens, der Freundlichkeit, der Selbstlosigkeit, der Großmut, der Treue, des Mutes, der Hoffnung und der Liebe davonträgt. Wie glücklich wir doch sein sollten in dem Bewußtsein, daß wir mit jeder scheinbar kleinen Überwindung dazu beitragen, diesen herrlichen Jubelgesang, diese Musik des Lebens, zu verstärken, bis aller Irrtum zum Schweigen gebracht, bis das in der Offenbarung des Johannes Erschaute verwirklicht sein wird und alle himmlischen Heerscharen Hosianna miteinander singen werden!
Mit diesem großen Ziel vor Augen wollen wir demütig lernen, unser Wollen und jedes Verlangen dem Prinzip, das die göttliche Liebe ist, anzupassen! Dies wird unser Leben zu der lieblichsten, reinsten Musik gestalten und uns in ungeahnter Weise zufrieden, hilfreich und glücklich machen. Dies zu vollbringen ist nicht so schwierig, wenn wir durch die Christliche Wissenschaft verstehen lernen, daß das Böse nur scheinbar ist und keine wirkliche Macht hat, zu verwirren und zu schaden, und daß das Gute immer gegenwärtig und allmächtig ist. So werden wir nach und nach lernen, „die Takte der Musik des Lebens richtig” auszufüllen,— sie mit „dem Rhythmus des Kopfes und des Herzens”, der vollkommenen Eintracht der Gerechtigkeit und des Verlangens, des Gesetzes und der Liebe auszufüllen.
