Das Ziel jedes ernsten Schülers der Christlichen Wissenschaft ist, sich so schnell wie möglich aus der sterblichen zu der göttlichen Denkweise zu erheben. Aber das Unterscheiden zwischen den falschen Begriffen des sterblichen Gemüts und den wahren, geistigen Begriffen erfordert ein hingebungsvolles rechtes Denken, das die scheinbare Beharrlichkeit falscher Annahmen überwiegt.
Im 1. Kapitel des 1. Buchs Mose lesen wir, daß Gott eine Feste schuf, „die ein Unterschied sei zwischen den Wassern”. Was anders ist diese Feste als das Verständnis der göttlichen Wissenschaft? Dies ist klar dargelegt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy. Dieses Buch enthält die Wahrheit, die uns von Unwahrheit jeder Art freimacht. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß nur das Gute des Menschen wahres Erbe ist, wodurch sie den Menschen völlige Erlösung von Sünde und Krankheit darbietet. In diesem Lehrbuch gibt unsere Führerin eine bestimmte Regel, durch die wir unser Denken regieren können. Sie schreibt (S. 275): „Um die Wirklichkeit und Ordnung des Seins in ihrer Wissenschaft zu erfassen, mußt du damit anfangen, Gott als das göttliche Prinzip alles Wirklichen anzusehen. Geist, Leben, Wahrheit, Liebe vereinigen sich zu Einem — sie sind die biblischen Namen für Gott. Alle Substanz, Intelligenz, Weisheit, alles Sein, alle Unsterblichkeit, Ursache und Wirkung gehören Gott an”.
Was für eine Umwälzung vollzieht sich in unserem Leben, wenn wir anfangen, diese einfache Regel zu befolgen! Zuerst beginnen unsere Befürchtungen zu verschwinden. Wir haben Furcht gehegt wegen unserer Gesundheit und der Gesundheit anderer, wegen unseres und ihres Glücks, wegen des Wetters und wegen Versorgung. Und das Schlimmste von allem ist, daß wir fürchteten, Gott könne uns sowohl Böses als auch Gutes senden.
Indem wir Ihn nun in der Christlichen Wissenschaft als den Schöpfer und Beherrscher alles Wirklichen annehmen, tritt an Stelle von sterblichen Befürchtungen und Sorgen das einfache Vertrauen, daß alle Dinge, die großen und die kleinen, in den göttlichen Plan eingeschlossen sind, und daß für sie darin gesorgt ist. Wenn wir uns in den göttlichen Plan vertiefen, wird es uns klar, daß das Böse keinen Platz darin hat, und wir sehen es daher nicht mehr als wirklich an. In der Tat macht Mrs. Eddy in ihrem Lehrbuch sehr klar, daß es in Wirklichkeit kein sterbliches Gemüt gibt. Wenn wir einmal wahrnehmen, daß Gott das einzige Gemüt ist, erkennen wir, daß wir diese Tatsache nicht bloß zugeben, sondern auch beweisen müssen. Jesus sagte: „Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!” Gewiß wollte er damit sagen, daß wir über unser Denken wachen sollen,— eine einfache Regel, in den Himmel, die Harmonie des Seins, zu kommen! Tun wir dies getreulich, so finden wir, indem wir damit fortfahren, daß es nur durch ehrliches, wahres Bemühen vollbracht wird. Ein diensttuender Wachtposten hält einen Fremden an, der durch die Tür, die er bewacht, eintreten will, und läßt ihn nicht weiter gehen, bis er sich über die Berechtigung seines Eintritts volle Gewißheit verschafft hat. Sind wir an der Tür unseres Denkens ebenso wachsam?
Auf Seite 88 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt unsere Führerin: „Wie kann man wahrhaftige Ideen von Illusionen unterscheiden? Dadurch, daß man den Ursprung beider ergründet. Ideen sind der Ausfluß des göttlichen Gemüts. Gedanken, die dem Gehirn oder der Materie entspringen, sind Schößlinge des sterblichen Gemüts; sie sind sterbliche, materielle Annahmen”. Durch geistiges Verständnis gründet der Christliche Wissenschafter sein Denken auf die Allheit des göttlichen Gemüts und faßt so genügend Mut, die materiellen Sinne und deren Ableugnung der Allgegenwart Gottes zu verneinen. Mit einem über die Materie und das Körperliche erhobenen Denken kann also der Schüler Gott als das göttliche Prinzip alles Wirklichen wahrnehmen und den Glauben an materielle Persönlichkeit überwinden, der manchen ein sehr beharrlicher Löwe auf dem Wege zu sein scheint.
Dieser Irrtum behauptet sich auf viele Arten, und wir sind manchmal versucht, viel zu viel daraus zu machen. Jesus sagte: „Ich rede nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke”. Wie verhält es sich mit einem sich geltend machenden falschen Versönlichkeitsbegriff, der erklärt: Ich bin für Wahrheit nicht so empfänglich wie andere? Ist dies nicht eine Unwahrheit? Jesus trat diesem Feind des Fortschritts entgegen und meisterte ihn. Er offenbarte die heilende Kraft des Christusbewußtseins; und jeder wahre, wissenschaftliche Gedanke widerspiegelt jenes Bewußtsein, das heute ebenso wirksam heilen kann wie vor Jahrhunderten. Jesu Verständnis der Wahrheit überwog bei weitem den falschen Körperlichkeitsbegriff. „Glaubt ihr, daß ich euch solches tun kann?” fragte er. Und diejenigen, die mit erhobenem und durch sein Bewußtsein der göttlichen Kraft gestärktem Denken seine Hilfe suchten, antworteten: „Herr, ja”.
Wir sehen also, daß wir in dem Verhältnis, wie wir wachen und um diese geistigen Ideen beten, empfänglich, d.h. bereit werden, die Wahrheit zu empfangen. In „Miscellaneous Writings” schreibt Mrs. Eddy auf Seite 104: „Nuch der Christlichen Wissenschaft ist Vollkommenheit normal,— nicht wundersam”. Diese Stelle erwies sich der Verfasserin dieser Betrachtung einst als große Hilfe, indem sie ihr Denken zu dem Punkte des Beweises erhob, als sie den Irrtum erkannte, daß sie den normalen Zustand des Menschen als etwas Geringeres als Vollkommenheit ansah.
Zögern wir, Vollkommenheit als gegenwärtige Wirklichkeit zu beanspruchen? Ist dem so, so lassen wir uns von dem sogenannten sterblichen Gemüt in Anspruch nehmen. Denken wir, Vollkommenheit hier und jetzt sei bei unserem jetzigen Stande des Fortschritts ein zu großer Anspruch? Dann laßt uns eingedenk sein, daß der vollkommene Gott das göttliche Prinzip der Wissenschaft ist, das wir beweisen sollen!
Vollkommenheit besteht zugleich mit Gott und ist immer gegenwärtig. In der Wissenschaft arbeiten wir nicht, um Vollkommenheit zu erlangen, sondern um zu erkennen, daß Vollkommenheit der einzig wahre Zustand des Daseins ist. In der Geschichte vom verlorenen Sohn heißt es, daß ihn, als er auf seiner Rückkehr zum Vaterhause „noch ferne von dannen war”, sein Vater sah und ihm entgegenlief. Gibt dies nicht die göttliche Berechtigung, die jetzige Vollkommenheit des Menschen Gottes zu beanspruchen; denn was anders als Seine eigene vollkommene Idee sieht der Vater? Sollen wir dann nicht lieber die Wahrheit der Schöpfung Gottes annehmen anstatt den falschen, sterblichen Begriff davon?
Wenn wir uns so an das eine vollkommene Gemüt, das göttliche Prinzip, wenden, damit es uns leite und unser ganzes Denken regiere, werden wir in stets zunehmendem Maße sehen, wie Gott sieht, „bis daß wir alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi”.