Jesus erklärte, der Zweck seines Lebens sei, „für die Wahrheit zu zeugen”. Was er lehrte und bewies, war die Wirklichkeit oder die Wahrheit des Seins. Es war die Wahrheit über Gott und den Menschen und über Gottes Gesetz für den Menschen. Es war die Wahrheit über Gottes Güte, über das von Gott stammende Leben des Menschen und über des wirklichen Menschen Freisein von einem scheinbar aus Gut und Böse gemischten Leben.
Die Christliche Wissenschaft nimmt diese grundlegende Seite des ursprünglichen Christentums an und wiederholt sie. Auch die Christliche Wissenschaft beruht auf der Wirklichkeit oder der Wahrheit des Seins. Sie unterscheidet unbedingt zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was sichtbar oder scheinbar aber nicht wirklich ist, und sie wendet diese Unterscheidung zum Wohle und zur Besserung der Menschheit an. Außer dem, was unbedingt gut ist, gibt es keine Wirklichkeit. Das Böse jeder Art ist trügerisch und unwirklich. Diese Ideen sind für die Menschen von unschätzbarem Wert, nicht nur weil sie wahr sind, sondern weil sie praktisch angewandt werden können; sie können in der menschlichen Erfahrung bewiesen werden.
Die Christliche Wissenschaft weicht von anderen neuzeitlichen Lehren nicht allein dadurch ab, daß sie das Gute für wirklich und das Böse für unwirklich erklärt, sondern auch dadurch, daß sie den Unterschied — den Gegensatz — zwischen Gut und Böse auf den Unterschied zwischen dem, was echtes Bewußtsein oder Denken ist, und dem, was Irrtum oder Trug ist, zurückführt. Das allein wirkliche Gemüt oder die einzig wirkliche Gedankenquelle ist Gott, der Geist, das göttliche Gemüt. Alles wahre Bewußtsein oder Denken stammt von Gott; man empfängt es vom göttlichen Gemüt. „Ein Mensch kann”, wie Johannes der Täufer sagte, „nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel”. Selbst Jesus konnte sagen: „Ich kann nichts von mir selber tun”. Paulus wandte diese Behauptungen besonders auf das Denken an, als er sagte: „Wir haben Christi Sinn”. „Nicht, daß wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu denken als von uns selber; sondern daß wir tüchtig sind, ist von Gott”.
Die Christliche Wissenschaft betont diese grundlegende Seite des ursprünglichen Christentums. Sie besteht auf des Menschen gottgegebener Fähigkeit, gut zu sein und Gutes zu tun, wahr zu denken und die Ergebnisse davon und die Belohnungen dafür zu genießen. Das nichtgeistige Denken im menschlichen Bewußtsein ist kein wahres Denken; es ist Irrtum. Es ist das Böse, das in fortschreitendem Maße aufgegeben und ausgeschlossen werden kann. Es ist etwas Fremdes, das nicht zum Menschen gehört. Es ist das, was das wahre Menschentum herabsetzt und verdunkelt. Der materielle Sinn ist ohne Sinn; der geistige Sinn ist gottgegebene Intelligenz. Als Jesus zu Nikodemus sagte: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. ... Ihr müsset von neuem geboren werden”, unterschied er zwischen materiellem und geistigem Denken. Er wies darauf hin, daß das menschliche Bewußtsein — das menschliche Selbst — geläutert und vergeistigt werden muß. Mrs. Eddy legte den Ausspruch des Meisters richtig und einfach aus, als sie schrieb: „Das menschliche Selbst muß mit dem Geist des Evangeliums erfüllt werden. Gott fordert von uns, daß wir heute diese Aufgabe mit Liebe auf uns nehmen, das Materielle so schnell wie tunlich aufgeben und das Geistige ausarbeiten, das für das Äußere und Tatsächliche bestimmend ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 254).
Für Christliche Wissenschafter ist der durch die angeführten Stellen angedeutete Weg der Weg des Fortschritts, des Dienens und der Erlösung. Dadurch, daß der Christliche Wissenschafter sich bemüht, geistig gesinnt zu sein, ist er auch bemüht, seine wahre Selbstheit zu erlangen, sich für christliches Dienen geeignet zu machen und in das Himmelreich einzugehen. Dadurch, daß der Anhänger der Christlichen Wissenschaft den materiellen Sinn für den geistigen Sinn aufgibt, vereinigt er sich mit dem göttlichen Gemüt, trennt er sich von dem Irrtum oder dem Bösen und kann das göttliche Gesetz und die göttliche Kraft für jeden erdenklichen guten Zweck anwenden. Jedermanns Charakter und Zustand, sogar seine Umgebung, wird durch die Beschaffenheit seines Bewußtseins bestimmt, hängt also von der Materialität oder Geistigkeit seines Denkens ab.
Aus den genannten Gründen kann man gemeinhin aber richtig erklären, daß die Christliche Wissenschaft dadurch von anderen neuzeitlichen Lehren abweicht, daß sie auf dem allumfassenden Wert geistiger Hilfsmittel für praktische Zwecke besteht. Diese Religion besteht darauf, daß diese Hilfsmittel zur Verfügung stehen und bei allen menschlichen Angelegenheiten und Anliegen planmäßig angewandt werden können. Die Anwendung der Christlichen Wissenschaft auf die Gesundheit wird nachgerade allgemein bekannt; aber diese Anwendung ist nur ein Beispiel einer Nützlichkeit, die allumfassend ist. Um ein anderes Beispiel zu nennen: die Betätigung dieser Religion schließt das Anwenden der unbedingten Intelligenz in planmäßiger Weise für alle ihre unendlichen Anwendungen in sich; und es gibt im menschlichen Leben wenig Probleme oder Lagen, wenn überhaupt welche, für die die unbedingte Intelligenz nicht das Heilmittel oder die Lösung hat.
