Schon seit nahezu zwanzig Jahrhunderten erfreut die Lebensgeschichte ihres geliebten Meisters Jesus von Nazareth die Herzen aller Christen. In Dankbarkeit und Lobpreisung erheben sie ihre Stimme zu ihrem himmlischen Vater, daß Er eine solche Bekundung der göttlichen Güte in die Welt gesandt hat, und weil es mit der Zeit immer klarer wird, daß Christus Jesus in der Tat die ewige Wahrheit erläutert hat. Mehr Grund zur Dankbarkeit als alles andere ist jedoch die Überzeugung, die im Bewußtsein des Christen herrscht, der durch die von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, unserem Zeitalter gegebene endgültige und vollständige Offenbarung Christi, der Wahrheit, verstehen gelernt hat, daß alle Menschen jeden geistigen Sieg, den der persönliche Jesus gewonnen hat, gewinnen können.
Wenn wir wirklich verdienen wollen, den Namen Christlicher Wissenschafter mit Recht zu führen, so müssen wir die große Verantwortung, die der Name in sich schließt, freudig auf uns nehmen. Wir müssen der Welt greifbar beweisen, daß das unsern Pfad erleuchtende neu-alte Licht der göttlichen Wissenschaft uns befähigt, nicht bloß die geschichtlichen Zeitabschnitte des unvergleichlichen Lebens Jesu zu bewundern, sondern auch Schritt für Schritt die Werke zu tun, die er tat, indem er die falschen Annahmen Sünde, Krankheit und Tod überwand.
Die Bibel berichtet nur wenig Verbürgtes aus der Kindheit unseres großen Wegweisers; aber sicher konnte die Vollendung eines Lebenswerks, wie es dort geschildert ist, auf keiner geringeren Grundlage als den höchsten und heiligsten Eigenschaften aufgebaut sein. Wir können indessen den Vorhang lüften und ehrfurchtsvoll den Blick auf gewisse unbestrittene Tatsachen richten, die für das Leben aller Menschen von unmittelbarer Bedeutung sind.
Auf Seite 166 in „Miscellaneous Writings” erklärt unsere Führerin: „Die geistige Idee oder der Christus trat in jeden kleinsten Umstand des Lebens des persönlichen Jesus”, und: „Sie machte ihn zu einem ehrlichen Menschen, einem guten Zimmermann und einem guten Menschen, ehe sie ihn zu dem Verherrlichten machen konnte”. Genau dieser Vorgang muß unser Leben regieren, wenn wir schließlich jenen herrlichen Zustand, den Jesus erlangte, erreichen wollen. Wir können nicht hoffen, ihn in seinen während der 3 Jahre seines öffentlichen Wirkens vollbrachten wunderbaren Taten nachzuahmen, wenn wir nicht die läuternden und erhebenden Einflüsse kennen, die in jenen Jahren in der unansehnlichen Zimmermannswerkstatt in Nazareth auf ihn eingewirkt haben müssen.
Es ist möglich, daß wir zu leichtfertig, vielleicht sogar gedankenlos über die volle Bedeutung jenes Zeitabschnitts hinweggehen, in dem sich Jesus auf seinen höchsten Sieg über die Materialität vorbereitete. Können wir, die wir ihn als unsern Wegweiser anerkannt haben, verfehlen, die Bedeutsamkeit des Beispiels zu sehen, das er damit gab, daß er sich 30 Jahre lang vorbereitete? Sind wir so blind gegen diese Bedeutung, daß wir nicht verstehen können, daß wir alle demütig und bereitwillig in „die Zimmermannswerkstatt der Welt” gehen und dort die notwendigen Lehren lernen müssen, die allein uns lehren, wie wir unser Leben auf einer Grundlage aufbauen können, die selbst unter den schlimmsten Anstürmen des Irrtums nicht weicht?
Jeder einzelne des unermeßlichen Heeres Christlicher Wissenschafter, der berufen ist, auf einem heftig umkämpften Schlachtfelde zu stehen und Tag für Tag, ja sogar Jahr für Jahr seine Rüstung Tag und Nacht anzubehalten, sollte in dieser Prüfungszeit die ihm von der göttlichen Liebe gebotene Gelegenheit erkennen können und etwas von der Geduld, der Demut, der Ausdauer und der Selbstbeherrschung lernen, die der Meister während seiner Vorbereitungsjahre so vollkommen lernte, und was ihn später befähigte, die Herrschaft des Christus auszuüben.
Laßt uns über die Notwendigkeit dieses Läuterungsvorgangs nicht murren! In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 254) versichert uns Mrs. Eddy, daß die menschlichen Schritte „unerläßlich sind”. Unsere Führerin hatte jahrelang in ihrer „Zimmermannswerkstatt der Welt” zu lernen, ehe sie die Entdeckerin der Christuswissenschaft werden konnte, durch die das herrliche Licht des Lebens scheinen und die Finsternis einer ganzen Welt erhellt werden sollte.
Der Mühselige, der dem sterblichen Sinn gemäß eine Last trägt, die mit der Zeit schwerer zu werden scheint, mag sich an die herrliche Einladung erinnern, die Jesus vor so langer Zeit an diejenigen richtete, die sich in ähnlichem Zustande befanden: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. ... Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht”.
Kann irgend jemand ernstlich glauben, Jesus hätte diese Worte mit dem ganzen aus ihnen atmenden Vertrauen äußern können, wenn er nicht zuerst durch jahrelanges Beweisen gelernt hätte, was die Erkenntnis Gottes für die Menschen tun kann? Als er sich an alle Mühseligen und Beladenen so liebreich wandte und ihnen Ruhe verhieß, konnte er nur meinen, daß Ruhe dadurch zu finden ist, daß man sich an die Wahrheit wendet und sie annimmt. Er konnte erklären, daß sein Joch sanft und seine Last leicht sei, weil er die Kraft des Geistes und die Ohnmacht der Materialität bewiesen hatte; und dies hätte er ohne seine Prüfungszeit nicht tun können. Alle jene Jahre hindurch ging in seiner großen Entfaltung sehr viel mehr vor sich als das Erlernen und Ausüben des Zimmermannshandwerks. Tag für Tag lernte er die unsichtbaren Wahrheiten des wirklichen Seins eingehender und klarer erkennen; und dies kann bei jedem einzelnen von uns zutreffen, wenn wir uns in auscheinend schwierigen oder eintönigen Umständen befinden.
Wenn Stunden finsterster Entmutigung uns wie Gefängnismauern zu umgeben scheinen, wollen wir der wahren Bedeutung dieser Erfahrungen eingedenk sein und Gott von ganzem Herzen erneut preisen, daß wir für würdig erachtet werden, die so notwendigen Lehren gelehrt zu werden, deren Erlernen uns befähigen wird, uns zu der geistigen Höhe zu erheben, wo wir die Stimme des Christus noch einmal über die unruhigen Wasser sterblicher Annahme können rufen hören: „Kommet her zu mir”. Und weil wir geduldig bestrebt waren, die Lehren der Liebe zu lernen, finden wir, daß die uns von Furcht, Unwissenheit und sündigem Denken scheinbar angelegten Fesseln sich lösen. Wir sind nicht mehr wie Gefangene in Ketten; denn durch die Zucht der in „der Zimmermannswerkstatt der Welt” zugebrachten Zeit wurde in uns eine sanfte Demut erweckt, die uns für die Wahrheit empfänglich machte. Nachdem nun die blinden Augen aufgetan und die tauben Ohren geöffnet sind, hören wir jenen gnädigen Ruf; und mit einem nie zuvor gekannten Gefühl der Freiheit und einem durch ausgefochtene und gewonnene Schlachten neu entfachten Glauben antworten wir freudig mit den Worten des beliebten alten Kirchenliedes: „Lieber Herr, ich komme!”
