Für eine überall von traurigen Krankheitsbeschreibungen und von weltlichen, nach dem Alleinrecht der Heilkunst trachtenden Verfahren bedrängte Menschheit ist das Heilen eine Frage von größter Bedeutung. Aber dasselbe „stille, sanfte Sausen”, das durch den Höhleneingang am Berge Horeb zu Elia sprach, und das zu allen Zeiten tröstend vernehmbar ist, spricht heute durch die Christliche Wissenschaft klar und deutlich zu unserer Zeit und ermutigt die Sterblichen, sich über den Lärm der lauten und leisen Einflüsterungen des weltlichen Sinnes in das Reich des Wirklichen, zu der geistigen Erkenntnis des Immanuel—„Gott mit uns”—, zu der Wahrnehmung des heilenden Christus, der Wahrheit, zu erheben.
Christus Jesus, der erfolgreichste Ausüber aller Zeiten, erwartete sicherlich, daß seine Nachfolger seinem Beispiele im Heilen der Kranken und Sünder nacheifern; denn sagte er nicht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue”? Wenn „Gott die Person nicht ansieht”, wie es in der Bibel heißt, dann wird Seine Gnade unaufhörlich und unterschiedslos allen zuteil, die Seinen Reichtum empfangen wollen. Aus diesem Grunde steht der eifrigste Ausüber bei „dem Vater des Lichts” in keinem höheren Ansehen als der bescheidenste Patient, der die heilsame Wahrheit, daß der Mensch Gottes geistige Idee ist, gerade zu erfassen beginnt.
Die „Zeichen der Zeit” lassen jetzt schon das langsame Herannahen jener Zeit erkennen, in der sich die durch Jeremias Weissagung verkündigte Verheißung erfüllt: „Und wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: ‚Erkenne den Herrn‘, sondern sie sollen mich alle kennen, beide, klein und groß, spricht der Herr”. Rechtfertigt diese göttlich eingegebene Erklärung nicht den Schluß, daß das geistige Heilen, das gegenwärtig in der Christlichen Wissenschaft von einer Minderheit ausgeübt wird, schließlich allgemeiner Brauch werden wird?
Die Fähigkeit, geistiges Leben zu beweisen, ist ein göttlich verliehenes Erbe. Diese Erkenntnis ermutigt jeden Schüler der Christlichen Wissenschaft, des wirklichen Menschen göttliches Geburtsrecht, Herrschaft über die ganze Erde, für sich selber zu beweisen. Auf Seite 3 in „Miscellaneous Writings” schreibt Mrs. Eddy: „Wenn wir das Gute für natürlicher als das Böse halten und verstehen, daß das geistige Verständnis — die wahre Gotteserkenntnis — die einzige Kraft verleiht, die Kranken und Sünder zu heilen, werden wir die Kraft der Wahrheit und der Liebe in unserem Leben beweisen. Die Lehren, die wir in der göttlichen Wissenschaft lernen, sind auf alle Bedürfnisse des Menschen anwendbar”.
Unwahre und entstellte Begriffe von Gott und Seiner geistigen Schöpfung berauben die Menschen der Fähigkeit, hier und jetzt die „Frucht des Geistes” zu erkennen, die Paulus im 5. Kapitel seines Briefs an die Galater aufzählt als „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit”.
Viel mentales und körperliches Leiden entspringt dem Glauben an die falsche Lehre, daß es gewisse wirkliche Stoffgesetze gebe, deren Verletzung empfindliche Strafen nach sich ziehe. Solange die Sterblichen an eine vermeintliche Intelligenz, die verderbliche Gesetze erlassen kann, glauben und sich vor ihr fürchten, werden sie weiter das Opfer solchen Aberglaubens sein. Aber in Wirklichkeit gibt es keine solchen Gesetze; denn Gott ist der einzige Gesetzgeber, und Seine Gesetze sind geistig und gut.
Unkenntnis geistiger Wahrheiten läßt einen Neuling sein Vertrauen oft auf den Ausüber anstatt auf Gott setzen; aber dieser Fehler wird berichtigt, wenn der Anfänger über die Person hinaus auf Gott schaut, der das unendliche göttliche Prinzip ist. Geht eine Heilung scheinbar langsam vor sich, so ist dies kein Grund zur Entmutigung; denn es kann zu der Erkenntnis führen, daß es nicht nötig ist, noch weiter zu behandeln, sondern mehr Glauben an die Allgegenwart des Lebens, der Wahrheit und der Liebe zu haben, und daß man sich mehr bemühen muß, die schon gelernten Vorschriften gewisserhafter anzuwenden.
Das Vertrauen auf die Wahrheit enttäuscht nie. Es treibt im Gegenteil Furcht aus und schafft die bleibende Zuversicht, daß das göttliche Gemüt Seine eigenen geistigen Ideen rechtmäßig regiert. Jeder Schüler muß von dem Standpunkte seines eigenen Erfassens der Wahrheit aus arbeiten. Dem wissenschaftlichen Verständnis des göttlichen Gesetzes, das den Beweis ermöglicht, muß aber das aufrichtige Verlangen, verständnisvoll zu beten und genau zu denken, vorausgehen.
Manchmal kann langes Behandeln den Patienten ermutigen, sich der Verantwortung rechten Denkens zu entziehen und sich mit dem Glauben zu beruhigen, daß der Ausüber alles tun werde, was notwendig ist. Patient und Ausüber sollten von Anfang an die rechte Haltung gegen die Christliche Wissenschaft einnehmen und die Gelegenheit, die Wahrheit zu beweisen, als heilig betrachten.
Einzelnes Aufzählen aller Krankheitsanzeichen und ausführliches Wiederholen unerfreulicher Vorkommnisse vielleicht mit gleichzeitigem unüberlegtem Verurteilen daran beteiligter Personen ist Zeitverschwendung und trägt nicht im geringsten zur Erzielung günstiger Ergebnisse bei. In der Regel ist es für alle viel besser, wenn solche Vorkommnisse unerwähnt bleiben, während der Ausüber den gestörten Gemütszustand des Patienten unerschütterlich auf des Meisters liebevolles Gebot hinweist: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch”. Denn für den Patienten ist die erweckte geistige Erkenntnis, daß Gott das einzige Leben ist, noch wichtiger als Befreiung von körperlichen Krankheiten und Unannehmlichkeiten.
Für einen erfolgreichen Ausgang sind zwei Hauptsachen unerläßlich, nämlich, daß der Ausüber die Grundlagen der göttlichen Wissenschaft versteht, und daß der Patient bereit ist, die Wahrheit anzunehmen. Je bereitwilliger also der Patient auf falscher Erziehung beruhende vorgefaßte Meinungen aufgibt, desto empfänglicher wird sein Denken für geistige Führung; und je genauer der Ausüber das göttliche Prinzip wahrnimmt, desto unmittelbarer wendet er dessen Regeln an.
Ohne Rücksicht auf ärztliche Feststellungen arbeitet der christlich-wissenschaftliche Ausüber mit genauer Kenntnis der geistig erfaßten Wahrheit. Er weiß, daß alle körperlichen Anzeichen nur Eindrücke des sogenannten sterblichen Gemüts sind, und daß weltliches Folgern bis zu einem gewissen Grade geistigem Verständnis weichen muß, ehe die Heilung zustande kommen kann. Er rottet daher das Übel mit der Wurzel aus, indem er das Denken vom Stoff auf den Geist, vom Irrtum auf die Wahrheit gründet. Wenn dann die Furcht vor der Krankheit vernichtet ist, findet der Patient, daß er gesund ist.
In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 369) hat Mrs. Eddy geschrieben: „Jesus fragte niemals, ob eine Krankheit akut oder chronisch sei, er empfahl niemals die Beobachtung von Gesundheitsgesetzen, gab niemals Arzneien und betete niemals, um zu wissen, ob es Gottes Wille sei, daß ein Mensch am Leben bleibe. Er erkannte, daß der Mensch, dessen Leben Gott ist, unsterblich ist, und er wußte, daß der Mensch nicht zwei Leben hat, von denen das eine zerstört werden und das andere unzerstörbar gemacht werden muß”.
Geistiges Verständnis ist wissenschaftlich und beweisbar. Weltliche Annahmen sind veränderlich und wandelbar. Bei der durch christlich-wissenschaftliche Behandlung bewirkten Heilung vernichtet das Wirken des göttlichen Gesetzes den Glauben an das sogenannte Stoffgesetz und erzeugt Harmonie.
