„Das Wenige, was ich vollbracht habe, ist alles durch Liebe — selbstvergessende, geduldige, unbeirrte Zärtlichkeit — geschehen” (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 247). Wie diese Worte die geistige Haltung unserer Führerin Mary Baker Eddy gegen die Menschen bei ihrem Bemühen, ihnen die heilende Wahrheit zu bringen, beleuchten! Hinter ihrem ganzen Bemühen stand als Ansporn und Unterstützung zu einem erfolgreichen Ausgang „Liebe — selbstvergessende, geduldige, unbeirrte Zärtlichkeit”. Und war dies nicht von ihr zu erwarten, von ihr, die erkannte, daß das Böse unwirklich ist, da Gott die unendliche Liebe, das unendlich Gute, ist?
Es ist notwendig, daß die Christlichen Wissenschafter sich heute die Worte der Mrs. Eddy ins Gedächtnis zurückrufen, daß sie sich fragen, inwieweit sie ihr bei ihren christlich-wissenschaftlichen Bemühungen um die Menschheit folgen. Denn es muß gesagt werden, daß der Fortschritt der christlich-wissenschaftlichen Bewegung nur dadurch gesichert werden kann, daß die Christlichen Wissenschafter so genau in den Fußtapfen der Mrs. Eddy folgen, wie sie so wunderbar in den Fußtapfen Christi Jesu folgte. Sie schreibt auf Seite 8 ihrer Botschaft an Die Mutter-Kirche für das Jahr 1902: „Die geistig Gesinnten sind von Zärtlichkeit, von der Wahrheit und der Liebe beseelt. Das Leben Christi Jesu, seine Worte und Taten, beweisen die Liebe”. Dann folgen die bedeutsamen Worte: „Wir haben keinen Beweis, daß wir Christliche Wissenschafter sind, wenn wir nicht diese Erleuchtung und ihre Kraft zu heilen und zu erretten haben. Die Tatkraft, die die Sünder errettet und die Kranken heilt, ist göttlich, und ihr Prinzip ist die Liebe”.
Jeder Christ schätzt Jesu Liebe zu den Menschen, und er weiß, wie sie die Leidtragenden zu ihm hinzog, daß er sie tröste, die Kranken, daß er sie heile, und die Sünder, daß er sie reinige, umwandle, errette. Und jeder Christliche Wissenschafter weiß, daß die Liebe Jesu ihre läuternde, tröstende, heilende Kraft der Tatsache verdankt, daß sie die Widerspiegelung der allmächtigen göttlichen Liebe war. Aus sich selber konnte Jesus nichts tun. Er erklärte seine Heilkraft mit den Worten: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke”. Von Anfang bis Ende seines Wirkens bezweckte der Meister, die Liebe Gottes gegen die Menschen durch Beispiel vor Augen zu führen; und wie herrlich er seinen Zweck erfüllte, geht aus den zahlreichen Heilungen hervor, die er durch sein großes geistiges Verständnis bewirkte.
„Unbeirrte Zärtlichkeit” tut uns in allen unseren menschlichen Beziehungen not,—„selbstvergessende, geduldige, unbeirrte Zärtlichkeit”. Dies erscheint uns vielleicht als hohe Anforderung. Welcher Christliche Wissenschafter stellt aber in Abrede, daß sie nötig ist? Was würde z. B. in unseren Kirchen geschehen, wenn „unbeirrte Zärtlichkeit” mehr zutage träte, als es zuweilen der Fall ist? Wären die Mitgliedersitzungen nicht einmütiger, und brächten sie nicht mehr Gutes zuwege? Ließen sich hilfreiche Ansichten nicht leichter austauschen? Würde das Prinzip nicht bereitwilliger auf die mancherlei auftauchenden Aufgaben angewandt? Wer das reinste Herz hat, wer die liebreichsten Gedanken hegt, wer am wenigsten an sich denkt und am geduldigsten gegen andere ist, der ist ohne Zweifel am besten geeignet, nicht nur bei einer Aufgabe sondern bei allen recht zu richten, richtig zu überlegen und weise zu folgern.
Bei aller Arbeit und zu allen Zeiten sollte der Christliche Wissenschafter unbeirrt liebreich sein. Wieviel trägt liebevolles, erbarmendes Denken zu der Heilarbeit bei! Es geht dem Hilfesucher unmittelbar zu Herzen. Und wie verhältnismäßig leicht wird es in solchem Falle, den Irrtum aufzudecken, der die Krankheit verursacht, und ihn dadurch zu zerstören, daß man seine Nichtigkeit erkennt! Beachten wir auch den Trost, den Liebe dem Leidenden immer bringt! Nichts kann sie je ersetzen. Und sie lindert nicht bloß: sie heilt. Was für ein freudiges Erlebnis ist es, durch das Verständnis der göttlichen Liebe zu heilen! Wie nahe bringt es uns Gott, wie nahe im Denken unserem Mitmenschen, und wie wunderbar beweist es die Einheit Gottes — der göttlichen Liebe — und des Menschen!
Zärtlichkeit, Milde, Liebe, sie alle sind von Gott. „Zur Zeit, da ihn der Herr errettet hatte von der Hand aller seiner Feinde und von der Hand Sauls”, sang David: „Du gibst mir den Schild deines Heils, und deine Zärtlichkeit (engl. Bibel) stärket mich”. Gott muß in unserem Denken allem voranstehen. Wir müssen Gott als die Quelle jeder wirklichen Eigenschaft, jeder zärtlichen, liebevollen Regung anerkennen. Geschieht dies, so tritt das sterbliche Selbst in den Hintergrund, und wir können Seine Heilarbeit tun.
Was ist also unsere Pflicht? Sollten wir, da niemand sagen kann, er habe das Maß der Liebe erreicht, das der Meister an den Tag legte, nicht bestrebt sein, im Leben mehr Zärtlichkeit zum Ausdruck zu bringen? Dies mag von manchen viel verlangen heißen; denn es gibt unter uns solche, denen es an diesem großen geistigen Gut immer noch aufs kläglichste zu fehlen scheint. Sei dem, wie ihm wolle, Tatsache ist, daß wir durch geistiges Verständnis uns alle der göttlichen Liebe nähern und um der Liebe huldreiche Hilfe beten müssen, um in allen Beziehungen des Lebens liebreicher, unbeirrt zärtlicher zu werden.
