Die christlich-wissenschaftliche Organisation ist das Ergebnis der unermüdlichen Anstrengungen unserer geliebten Führerin Mrs. Eddy, der Welt die Wahrheit zu geben, die sie entdeckte und „Christliche Wissenschaft” nannte. Eine der Einrichtungen dieser Bewegung sind die Zeugnisversammlungen, die Mittwochs abends in Städten und Dörfern in der ganzen Welt stattfinden. Im Handbuch Der Mutter-Kirche (S. 122) ist in der Gottesdienstordnung für diese Versammlungen ein Zeitraum für „Erfahrungen, Zeugnisse und Bemerkungen über die Christliche Wissenschaft” vorgesehen. In den vom Pult verlesenen Bekanntmachungen und in anderen Ankündigungen unserer Gottesdienste wird jedermann eingeladen, zu kommen und Zeugnisse über Heilungen durch die Christliche Wissenschaft zu hören. Auf wem ruht die Verantwortung für diesen Teil des Gottesdienstes? Der dankbare Schüler der Christlichen Wissenschaft darf sich wohl fragen, welchen Anteil er an dieser Tätigkeit nimmt, die ein so wesentlicher Teil der christlich-wissenschaftlichen Bewegung ist.
Es gibt viele listige Einflüsterungen, die sogar den ernsten Arbeiter versuchen und verleiten können, seinen Teil an dieser Tätigkeit zu vernachlässigen. Eine Versuchung kann der Glaube sein, daß der Schüler noch nicht genug von dem Christus, der Wahrheit, bewiesen habe, um öffentlich darüber zu sprechen; eine andere kann die Furcht sein, daß er einer gewissen Erklärung der Wahrheit, die er geben möchte, noch nicht gerecht werde. Ferner kann die Furcht, daß jemand die Art unseres Vortrags, unsere Stimme oder unsere Darlegungen tadeln könne, uns zu hindern suchen, unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Wer jedoch trotz der Versuchung in der Erfüllung seiner Pflicht verharrt, findet seinen Gehorsam immer durch ein größeres Gefühl der Herrschaft belohnt.
Vielen Menschen scheint es schwer zu fallen, in einer öffentlichen Versammlung von inneren geistigen Erlebnissen zu sprechen. Dem menschlichen Selbst mag es als der Weg des Kreuzes erscheinen; aber gerade durch dieses Überwinden des Selbst wird die Krone der Freudigkeit erlangt. Fangen wir einmal an, uns ehrlich zu fragen, warum wir dieser Forderung nicht nachkommen, so können wir viele sonderbare Annahmen von Selbstsucht in unserem Bewußtsein versteckt finden. Vielleicht hält uns ein Überlegenheitsgefühl vom Reden ab, oder ein Gefühl des Stolzes, der fürchtet, was wir sagen, werde nicht gebührend anerkannt werden; oder wir können aus Eigenwillen abgeneigt sein, an dieser Tätigkeit der christlich-wissenschaftlichen Kirche teilzunehmen. Vielleicht denken wir, wir hätten keine Botschaft zu bringen, oder daß andere viel mehr leisten können als wir. Selbstherabwürdigung und Selbstverherrlichung sind Übertreibungen desselben Glaubens an ein menschliches Selbst, das getrennt von Gott zu bestehen beansprucht.
Was das Geben eines Zeugnisses erleichtert, ist das liebende, erbarmende Verlangen, jemand zu helfen, der vielleicht unter einer schweren Last seufzt und gerade die Gewißheit braucht, die wir ihm von der Kraft des Christus, der Wahrheit, sein Leiden zu heilen, geben können. Das Vertrauen, das wir durch eine ähnliche Erfahrung gewonnen haben, kann das Leuchtfeuer sein, das ihm den Weg erleuchten und ihn zum Vaterhause weisen soll. Zu den Zeugnisversammlungen kommen die Kranken, die geheilt werden wollen, die Betrübten und Müden, die getröstet werden wollen, die Leidtragenden, deren ganze irdische Hoffnung vernichtet ist. Die Zeugnisversammlungen sind Tische, die in der Wüste menschlicher Hoffnungen und Befürchtungen bereitet sind. Sollen wir nicht wissen, daß Gott sie mit heilenden Botschaften decken kann?
Im Kirchenhandbuch (S. 47) lesen wir: „Zeugnis in bezug auf das Heilen der Kranken ist äußerst wichtig. Es ist mehr als ein bloßes Aufzählen von Segnungen, es ersteigt den Gipfel des Lobes und veranschaulicht die Demonstration des Christus, der da ‚heilet alle deine Gebrechen‘”. Um ein Zeugnis zu geben, das „die Demonstration des Christus veranschaulicht”, bedarf es weder schwungvoller Beredsamkeit, noch einer Verstandesoder Gelehrtenfertigkeit. Eines der überzeugendsten Zeugnisse über christliches Heilen gab der Mann, den Jesus von Blindheit heilte. Den Pharisäern, die ihn über seine Heilung befragten, erklärte er: „Eines weiß ich wohl, daß ich blind war und bin nun sehend”. Und als sie ihn wegen seines Glaubens an Christus Jesus schmähten, erwiderte er: „Das ist ein wunderlich Ding, daß ihr nicht wisset, von wannen er sei, und er hat meine Augen aufgetan. ... Von der Welt an ist's nicht erhört, daß jemand einem gebornen Blinden die Augen aufgetan habe. Wäre dieser nicht von Gott, er könnte nichts tun”. In diesem einfachen Heilungszeugnisse finden wir kindliche Empfänglichkeit für das Gute, das Anerkennen der Quelle alles Heilens sowie Bewunderung, Ehrfurcht und Lobpreisung.
Um wahrhaft hilfreich zu sein, sollte das Zeugnis die Tatsache bezeugen, daß der heilende Christus, die Wahrheit, heute und immer hier ist, und daß das Verständnis des Christus, der Wahrheit, jedes menschliche Bedürfnis befriedigen wird. Wer so zeugen kann, zeugt für die Erfüllung der Verheißung: „Deine Augen werden den König sehen in seiner Schöne; du wirst das weitentfernte Land sehen” (engl. Bibel). Da sie einen Schimmer von dem Lande, das dem weltlichen Sinn „weitentfernt” scheint, erhascht haben, können sie andere müde Sucher seiner göttlichen Wirklichkeit und Nähe versichern.
Das Zeugnis, das „die Demonstration des Christus veranschaulicht, der da ‚heilet alle deine Gebrechen‘”, bringt jenes Wirken zum Ausdruck, auf das der Meister Bezug nahm, als er sagte: „Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt”. Die in diesen Zeugnissen ausgedrückte freiwillige Dankbarkeit und selbstlose Liebe wird alle Zuhörer ermutigen.
Eine der täglichen Pflichten des Christlichen Wissenschafters ist in der Satzung mit der Überschrift „Pflichttreue” niedergelegt. Diese Satzung (Handbuch, S. 42) fordert, daß er „sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion schützen und sich nicht verleiten lassen” soll, „seine Pflicht gegen Gott, gegen seine Führerin und gegen die Menschheit zu vergessen oder zu versäumen”. Wir wissen, daß es unsere Pflicht gegen Gott ist, Ihn zu lieben „von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte”, und unsere Pflicht gegen unsern Nächsten, ihn zu lieben wie uns selber. Schließt unsere Pflicht gegen unsere Führerin nicht in sich, daß wir die von ihr ins Leben gerufenen Tätigkeiten weiterführen, und gehört das Zeugnisgeben an den Mittwochabenden nicht zu diesen Tätigkeiten?
Durch das seltsame Gesetz der Vermehrung erzeugt Freude immer Freude.