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Die Unwirklichkeit der Sünde

Aus der Oktober 1931-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Christliche Wissenschaft hat das Augenmerk der ganzen Welt auf sich gezogen, weil ihre Wirksamkeit als Verfahren, körperliche Krankheiten zu heilen, gründlich erprobt und bewiesen worden ist. Gerade diesem besonderen Punkte der Lehren der Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, ist beträchtliches Nachdenken und Erörtern gewidmet worden. In zahlreichen Stellen ihrer Schriften zeigt Mrs. Eddy jedoch, daß Sünde eine der Grundursachen aller widerwärtigen Zustände ist. In ihrem Buche „Anfangsgründe der göttlichen Wissenschaft” sagt sie (S. 2–3): „Das Heilen von körperlicher Krankheit ist der kleinste Teil der Christlichen Wissenschaft. Es ist nur der Weckruf zum Denken und Handeln im höheren Bereich der unendlichen Güte. Der Hauptzweck der Christlichen Wissenschaft ist das Heilen von Sünde; und diese Aufgabe kann zuweilen schwerer sein als das Heilen von Krankheit, weil die Sterblichen wohl gern sündigen, aber nicht gern krank sind”. Das dankbare Zeugnis Tausender in der ganzen Welt, deren Leben durch Studieren und Anwenden der heilenden Wahrheit erneuert worden ist, ist ein unwiderleglicher Beweis, daß der von Mrs. Eddy erwähnte Hauptzweck der Christlichen Wissenschaft erreicht wird.

Wiederholt erklärte Christus Jesus, daß er nicht gesandt sei, die Gerechten zu retten sondern die Sünder. Er war gegen die Sünder immer liebreich und erbarmungsvoll, weil sein klares Verständnis der wahren Beziehung des Menschen zu Gott ihn sehen ließ, daß Sünde die Folge irrigen Denkens ist, das berichtet werden muß und kann. Sündige Gedanken und Begierden gehören nicht zum wirklichen Menschen, und Gott belastet Seine Kinder nicht damit. Sie sind Erzeugnisse des sogenannten sterblichen oder fleischlichen Sinnes, von dem Paulus sagt, daß er „eine Feindschaft wider Gott” sei.

Eine scheinbar hartnäckige und auch entmutigende Erscheinungsform des Irrtums, die immer wieder versucht, sich auf heimtückische Art ins Bewußtsein dessen einzudrängen, der sich anstrengt, eine sündhafte Gewohnheit oder Begierde zu überwinden, ist Selbstverdammung, die gewöhnlich von ihren treuen Gefährtinnen Selbstherabsetzung und Selbstbedauern begleitet ist. Im Hinblick hierauf sollte man der Worte Jesu an das Volk, das im Begriffe war, eine Ehebrecherin zu steinigen, eingedenk sein: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie”, und auch seiner an das Weib gerichteten liebevollen Worte: „So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!” Der Meister wies nicht nur diejenigen zurecht, die bereit waren, andere zu verfolgen, sondern er versicherte uns auch, daß, wenn er, der Erlöser der Menschen, sogenannte Sünder nicht verdammte, wir uns selber nicht zu verdammen brauchen. Er bezeichnete jedoch sehr bestimmt den für die göttliche Vergebung zu zahlenden Preis: wir dürfen „hinfort nicht mehr sündigen”.

Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß das Böse unwirklich ist. Wir müssen das Wort „wirklich” recht verstehen lernen, ehe wir die Bedeutung seines Gegenteils—„unwirklich”— erfassen können. Ein Wörterbuch erklärt „wirklich” als „tatsächlich, wahr, echt, im Gegensatz zum Scheinbaren”. Alle Wirklichkeit ist von Gott; und alles, was von Gott kommt, ist dauernd, ewig, unendlich und stimmt daher mit der oben angeführten Erklärung „tatsächlich, wahr, echt” überein. Was nicht von Gott ist, ist vorübergehend, zeitlich, endlich und daher nur „scheinbar”. Sünde ist unbedingt zum Scheinbaren zu rechnen, weil ihr durchaus nichts Göttliches innewohnt, da sie keine einzige göttliche Eigenschaft hat. Der einzige Grund für ihr Scheindasein ist, daß sie der Ausdruck des falschen, sterblichen Denkens ist, die den sogenannten Sünder so irreführt, daß er glaubt, er könne durch das Befriedigen der materiellen Sinne Freude und Zufriedenheit finden. Wenn niemand mehr sündige Gedanken beherbergte, würde man die Kundwerdung dieser Gedanken in Form von bösen Taten und bösem Betragen nicht mehr erleben. So würde ihre Unwirklichkeit bewiesen werden.

Den ehrlichen Sucher nach geistiger Erleuchtung verwirrt zuweilen seine scheinbare Unfähigkeit, die Lehre von der Unwirklichkeit der Sünde mit allem Bösen, dem er bei seiner täglichen Berührung mit der Welt zu begegnen scheint, in Einklang zu bringen. Er mag versucht sein zu glauben, daß die Folge einer solchen Lehre den Übeltäter ermutigen könne, unter der Maske des Glaubens an ihre Unwirklichkeit weiter Böses zu tun. Mrs. Eddy hat uns für alles, was menschliches Denken zur Herabsetzung ihrer wunderbaren Offenbarung ersinnen kann, eine befriedigende Antwort gegeben. Im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie (S. 447): „Ein Sünder wird nicht dadurch umgewandelt, daß man ihm einfach versichert, er könne kein Sünder sein, weil es keine Sünde gibt. Um den Anspruch der Sünde zunichte zu machen, mußt du ihn aufdecken, ihm die Maske abnehmen, auf die Illusion hinweisen, dadurch den Sieg über die Sünde erlangen und so ihre Unwirklichkeit beweisen”. Und auf Seite 339 erklärt sie: „Nur diejenigen, welche die Sünde bereuen und das Unwirkliche aufgeben, können die Unwirklichkeit des Bösen völlig verstehen”.

Die Nichtsheit der Sünde wird erst dann vollständig erkannt, wenn sie Schritt für Schritt aus dem Denken ausgelöscht sein wird; und dies ist erst dann der Fall, wenn wir den falschen Sinn von Freude oder Befriedigung, die die Sünde zu gewähren behauptet, aufgegeben haben. Die Freiheit der Wahrheit kann nur auf eine Art verwirklicht werden, nämlich dadurch, daß wir geistig wachsen und uns geistig entfalten. Wie die Rosenknospe infolge des Einflusses des warmen Sonnenscheins ihre Blätter zur vollen Blüte entfaltet und Wohlgeruch und Schönheit verbreitet, so findet auch das geistige Wachstum, das entsprechend der Berichtigung unseres falschen Denkens in Erscheinung tritt, durch das in Gesundheit und Freudigkeit widerspiegelte wahre Verständnis der Einheit des Menschen mit Gott, dem Guten, Ausdruck und Entfaltung.

Hingebungsvolles Eindringen in die Bibel und in das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch und andere berechtigte christlich-wissenschaftliche Schriften hat ein gereinigtes Denken, Liebe zu höheren Idealen, edleres Tun und Treiben und schließlich das Erwachen zu der Einsicht, daß Sünde unwirklich und daher nicht begehrenswert ist, zur Folge. Dies führt zu der Erkenntnis, daß frühere Fehler, falsche Gedanken und Handlungen nichts als Trugvorstellungen, Träume des falschen, materiellen Sinnes waren; und wie der Traum im Schlaf vergehen sie in nichts. Dann kann der ehemals scheinbar hoffnungslose Sünder mit Paulus sich freuen und vergessen, „was dahinten ist, und sich strecken zu dem, das da vorne ist”.


Die Wahrheit braucht weder Waffen, um sich zu verteidigen, noch Gewalt, um die Menschen zu zwingen, sie zu glauben; sie braucht nur zu erscheinen, und sobald ihr Licht die Wolken, die sie verbargen, vertrieben hat, ist ihr Sieg gewiß.—

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