Warum bestehen die Christlichen Wissenschafter so sehr darauf, daß es wichtig sei, Gott zu verstehen? hört man oft Leute fragen, die die Christliche Wissenschaft untersuchen.
Die Wichtigkeit, Gott zu verstehen, ergibt sich aus Seiner Beziehung oder aus dem Fehlen Seiner Beziehung zu allen Gegenständen des menschlichen Denkens, ungeachtet dessen, ob der Gegenstand wirklich oder nur scheinbar ist. Die Idee, daß Gott „das göttliche Prinzip alles Wirklichen” ist (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, S. 275), ist der Anfang des wissenschaftlichen Erfassens aller Dinge und der Anfang der wissenschaftlichen Anwendung des Denkens. Diese Idee läßt sich mit anderen Worten ausdrücken; aber in welcher Weise sie auch richtig dargelegt werde, sie ist für jeden denkenden Menschen und besonders für jemand, der die Christliche Wissenschaft untersucht, äußerst wichtig. Außerdem ist sie für den vorgeschrittensten Schüler ebenso wichtig.
Die Wörterbücher erklären „Prinzip” als Ursache, Ursprung, Quelle, Essenz, Urbestandteil, etwas, das allem innewohnt und sein Wesen bestimmt. Diese Erklärungen beziehen sich vollständig auf Gott als das göttliche Prinzip alles Wirklichen. Es läßt sich noch viel über das göttliche Prinzip sagen; aber in der Christlichen Wissenschaft ist die Idee, daß Gott das göttliche Prinzip des wahren Bewußtseins und alles dessen ist, was das Bewußtsein als wahr oder wirklich annehmen sollte, der Anfang des geistigen Verständnisses, das am unmittelbarsten zur Erlösung des einzelnen und der Gesamtheit beiträgt.
Die Idee, daß Gott „das göttliche Prinzip alles Wirklichen” ist, schließt natürlich unendliche Folgerungen in sich. So bedeutet es, daß Gott ein gewisses Wesen, gewisse Eigenschaften hat, daß Er dieses Wesen, diese Eigenschaften in verschiedenen Graden und Formen jeder Erscheinung von Wirklichkeit mitteilt, und daß Er diese bewirkende und gestaltende Beziehung zum Menschen und zu allen anderen Formen der Wirklichkeit als die immer fortbestehende und ausschließliche Tatsache des allumfassenden Seins aufrechterhält.
Wie oder warum erscheint dann der Mensch oder überhaupt etwas dem Wesen oder den Eigenschaften nach von dem göttlichen Prinzip zum Teil verschieden? Die Antwort ist, daß der Irrtum, eine Lüge samt und sonders, oft Böses oder Sünde genannt, ein anderer Ursprung des Denkens, eine Quelle des materiellen, persönlichen Sinnes zu sein und als solche anerkannt zu werden scheint (vgl. „Retrospection and Introspection” von Mrs. Eddy, S. 67). Kinder und Erwachsene scheinen insbesondere dieses Offensein für den Irrtum von menschlichen Eltern zu erben. Es ist anzunehmen, daß der Meister aus diesem Grunde sagte: „Und sollt niemand Vater heißen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist” (Matth. 23, 9).
Hier ist zu beachten, daß zwischen dem zweiten und dem dritten der Zehn Gebote ein Satz steht, der dem göttlichen Prinzip gemäß ausgelegt werden muß. Wörtlich genommen stellt dieser Satz Gott so dar, als ob Er „der Väter Missetat heimsuche an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen”, was das göttliche Prinzip jedoch nicht tut. Alle, die die angeführten Worte beunruhigen, können sich durch Erwägen des wirklichen Wesens Gottes beruhigen und mit dem Psalmisten erklären: „Du bist gütig und freundlich” (Psalm 119, 68).
Der Satz zwischen dem zweiten und dritten Gebot war schon richtig ausgelegt und auf seine richtige Grenze zurückgeführt, ehe Jesus lehrte, daß wir unsere Eigenschaften ausschließlich vom göttlichen Vater erhalten sollten. Hesekiel sagte: „Der Sohn soll nicht tragen die Missetat des Vaters, und der Vater soll nicht tragen die Missetat des Sohnes. ... Ich will euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeglichen nach seinem Wesen, spricht der Herr, Herr” (Hesek. 18, 19–21. 30–32; vgl. auch Jeremia 31, 29. 30). Der wirkliche Grund, warum andere anscheinend wegen der Missetat von Sündern heimgesucht werden, liegt darin, daß die Gesamtsünde, der sogenannte fleischliche Sinn, sich nicht nur Gott widersetzt, sondern daß er auch der Menschen Widersacher ist.
Der Irrtum, das Böse oder die Sünde ist jener Teil des sogenannten menschlichen Bewußtseins, der nicht Gott zum Prinzip hat und daher trügerisch — unwirklich — ist. Wenn wir Gott als das göttliche Prinzip erfassen, können wir alle inneren Regungen prüfen, den Weg der Weisheit wählen und irrige Gedanken mit ihren schädlichen Folgen vermeiden oder ausschließen. Wird dies fleißig und planmäßig getan, so nützt es nicht nur jedem, der sich dieses Denken zur Gewohnheit macht, und jedem, dem er beabsichtigt zu helfen, sondern es hilft auch seinen anderen Mitmenschen, und zwar deshalb, weil es den einen Widersacher aller Menschen schwächt. Die christliche Erlösung begann, als sie einen Menschen befähigte, den Zustand seines Denkens zu bessern; sie wird vollständig sein, wenn das unumschränkte Gute alles umfaßt. Dann wird, wie Mrs. Eddy gezeigt hat, die Lüge — Irrtum, Böses oder Sünde genannt—„aus Mangel an einem Zeugen schließlich verschwinden” (Retrospection and Introspection, S. 67).
Wenn alle Christen die hier dargelegten Punkte erfaßten, würde die Erlösung des einzelnen und der Gesamtheit gefördert, weil der höchste Beweggrund (Liebe zu Gott und dem Nächsten) in Anwendung käme und die Erlösung den Vorteil und den Antrieb eines verstandenen Verfahrens oder Systems hätte. Und es ist zu beachten, daß alle hier beschriebenen praktischen Ergebnisse davon abhängen, daß man die wahre Idee von Gott erlangt und anwendet.
